Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter. Max Weber

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Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter - Max Weber

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dauernden Großhandel nicht besessen und deshalb das Institut oder doch seine charakteristischen Grundsätze zwar gekannt, aber nicht originell und nicht zu der kasuistischen Vollständigkeit entwickelt, wie das in den großen italienischen Seestädten der Fall war.

      Von diesen wird hier Pisa behufs besonderer Betrachtung (Kapitel IV) ausgeschieden.

      Venedig hat in der collegantia, welche Silberschmidt dort schon für das 10. Jahrhundert nachweist, ganz die Grundsätze der Kommenda und societas maris entwickelt, wie die erhaltenen Urkunden39 klar ergeben. Aus diesen geht zugleich hervor, daß auch hier der Träger der collegantia der eigentliche Unternehmer sein kann; die collegantia bildet eine Form werbender Kapitalanlage40.

      Unzweifelhaft ist in der Verfassung, in welcher die Kommenda und societas maris uns in den Statuten und Urkunden von Genua, an welches sich die südfranzösischen Statuten anlehnen41, entgegentritt, die normale Gestaltung beider Institute zu erblicken. Die genuesischen Vertragsformulare werden wörtlich benutzt von sämtlichen Nationen des Mittelmeers in dem großen internationalen Handelsverkehr im Orient zur Zeit der Kreuzzüge42. In Genua selbst ist die Form der Kommenda und societas maris anscheinend die nationale Rechtsform des Fernhandels. Kein außerhalb der compagna communis Stehender darf an dieser Form teilnehmen; in den Urkunden treten die ersten Geschlechter der Stadt, die Auria und Spinulla u.a., vorzugsweise häufig als Kommendanten auf. Sehr oft hat derselbe Kommendant sein Kapital gleichzeitig in mehreren, auf die differentesten Artikel bezüglichen societates stecken.

      Die statutarischen Bestimmungen sind von Silberschmidt ausführlich analysiert, soweit das juristische Interesse reicht; es soll daher hier nicht abermals ausführlich darauf zurückgekommen werden. Im wesentlichen enthalten sie dispositives Recht, regeln das Verhältnis unter den socii, und auch hier geben sie kein vollständiges Bild. Sie wie alle italienischen Statuten enthalten vielmehr – was für die Interpretation von Bedeutung ist – wesentlich einzelne Punkte, welche in praxi zweifelhaft geworden waren und Schwierigkeiten machten. Solche entstanden insbesondere über die gerade wegen des Schwankens der wirtschaftlichen Bedeutung zwischen »einseitiger Arbeitsgesellschaft« und »einseitiger Kapitalgesellschaft« (in Lastigs Sinn) oft zweifelhafte Frage, inwieweit der Kommendatar Anweisungen des Kommendanten bzw. socius stans während der Reise nachzukommen habe, wie weit er zu Abweichungen von der vorgesehenen Route ohne eigene Gefahr befugt sei, ferner naturgemäß über die Folgen des Todes des tractato im Auslande und dergl.

      Die Unselbständigkeit des tractator ist die Regel, das Gegenteil wird meist besonders stipuliert durch die Klausel, er solle die societas tragen, quocunque iverit.

      Die statutarischen Bestimmungen in Genua sind bezüglich dieses Instituts ungemein stabil geblieben, noch die Redaktion von 1567 enthält nennenswerte Aenderungen nicht. Erst in der Statutenausgabe von 1588/9 finden sich erhebliche Differenzen, von denen noch die Rede sein wird43. Damals hatten die Kommenda und die societas maris in ihrer alten Form eine größere Bedeutung im Handelsverkehr längst nicht mehr; der Handel selbst hatte andere Bahnen eingeschlagen, der Seeverkehr des Mittelmeers stand nicht mehr obenan in der Welt und seine alten Formen mußten anderen Platz machen, welche freilich zum Teil auf deren Schultern stehen. Die Urteilssammlungen des 16. Jahrhunderts – die Decisiones Rotae Genuensis, Rotae Lucensis, Rotae Florentinae, Rotae Romanae – erwähnen der Kommenda und societas maris in ihrer alten Form nicht mehr.

       Inhaltsverzeichnis

      Welche Bedeutung haben nun diese bis hierher historisch und geographisch von uns verfolgten Institute für die hier behandelte Frage?

      Wir haben im obigen gesehen, daß ein bestimmter Einschuß von Kapital dieser Sozietät von Anfang an wesentlich ist, daß dieser Einschluß sogar mit ihrem Namen, als »societas«, bezeichnet wird, als sei er ihr eigentlicher Repräsentant. Welche Stellung also nimmt dieser Fonds gegenüber dem übrigen Vermögen der socii und welche nach außen ein?

      Zunächst ist es eben einfach ein Fonds, ein Komplex von Rechtsobjekten, welcher zum Behuf der Auseinandersetzung besondere Berechnung dessen erfordert, was als Gewinn in ihn hineinfällt, als Verlust aus ihm abgeht. Da er bezüglich der Gefahr und der Verteilung des Gewinnes besonderer Abrechnung unterliegt, so muß er von den übrigen vom tractator mitgeführten Waren und Kapitalien gesondert werden, er bildet ein besonderes Konto; und wie die heutige Buchführung sich der anschaulichen Vorstellung bedient, als seien die Konti Rechtssubjekte und hätten untereinander Forderungen und Schulden, so wird auch in den genuesischen Urkunden die societas mit dem, was in sie hineinfällt und was sie belastet, wie eine Art Rechtssubjekt behandelt. Hat aber damit dieser Fonds auch nur im Verhältnis unter den socii die Stellung eines Sondervermögens gewonnen? Sicherlich ebensowenig wie ein heutiges Buchkonto, und um so weniger dritten gegenüber. Die Verhältnisse der Kommenda und societas maris sind an sich vollkommen auch auf dem Boden des römischen Rechts möglich, die Urkunden erinnern in der Fassung an diejenige, welche wir für die römische societas kennen44. Das ganze Verhältnis ist durch Forderungsrechte der socii untereinander vollständig juristisch darstellbar.

      Dieser prinzipielle Standpunkt des genuesischen Rechts ist nun aber nicht ganz unerschüttert geblieben. Es finden sich Ansätze, welche den Anfang einer weitergehenden Entwicklung bedeuten. Ein solcher ist insbesondere darin zu finden, daß die Statuten dem socius stans an den Sozietätssachen, d.h. an den in die Sozietät eingebrachten und den aus Sozietätsgeld erworbenen Objekten, ein Recht – wie wir sagen würden – »auf abgesonderte Befriedigung« einräumen45. Damit sind praktisch die zur Einlage gehörigen oder ihr zugeschriebenen oder aus ihren Mitteln erworbenen Vermögensstücke dem Zugriff der Privatgläubiger des reisenden socius entzogen, nur die Gewinnquote fiel in seine Konkursmasse. Daß andererseits die Privatgläubiger des socius stans jedenfalls bei Geldkommenden nicht unmittelbar den Sozietätsfonds angreifen konnten, ergibt die Natur der Sache, sie können vom tractator nur Herausgabe des capitale und lucrum, welches dem stans zukommt, fordern. Mithin mußte unter allen Umständen über den Sozietätsfonds eine besondere Auseinandersetzung stattfinden.

      Wie aber stand es, wenn der reisende socius im Betrieb des Geschäftes Schulden gemacht, Forderungen erworben hatte?

      Die nomina gehören nach ausdrücklicher Bestimmung der Statuten zu den vom Vorzugs- und Absonderungsrecht des socius mitbetroffenen Objekten, nach den Statuta Perae kann der stans dieselben auch ohne weiteres einklagen, als seien es seine eigenen46.

      Was die im Betriebe der Geschäfte der societas kontrahierten Schulden anlangt, so sind sie an sich natürlich – daran besteht kein Zweifel – einfach Schulden des tractator. Es findet sich in den Quellen keine Andeutung, daß auch der socius stans durch sie verhaftet wurde. Stehen aber vielleicht die materiell für Rechnung der Sozietät dem tractator kreditierenden Gläubiger zu dem Sozietätsfonds in irgendeiner Sonderbeziehung? Es findet sich47 keine ausdrückliche Bestimmung darüber in den Quellen. Immerhin ist zu bemerken, daß die Statuten der Bestimmung betr. das unbedingte Vorrecht des socius im Konkurse an den präsumtiven Sozietätssachen die Beschränkung ausdrücklich beifügen: »nisi sit res illa, de qua venditor nondum sit pretium consecutus« (Stat. Perae l. cit. c. 211, Stat. v. 1567 c. 43). Besonders deutlich drücken sich auch die Statuten von Albenga48, aus dem 14. Jahrhundert, unter genuesischem Einflusse stehend, aus, welche in dem bezeichneten Falle dem Verkäufer eine rei vindicatio utilis geben.

      Da nun der tractator wesentlich Kauf- und Verkaufsgeschäfte für die societas abschloß, so waren damit die Hauptgläubiger der societas durch ein noch stärkeres Vorrecht als der socius auch diesem gegenüber geschützt.

      Es wird nach alledem zugegeben werden müssen, daß in der Tat einige Anfänge dazu

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