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ALLA-MODDIN. Ich ruhe an dieser Stelle, um die freie Luft des Himmels einzuathmen. Sieh, die Zeit und der Sturmwind oder ein Erdbeben haben hier eine Kluft in die Mauer gerissen. – Ich höre aus der Ferne das dumpfe Rauschen der See, und denke an Valmont und Omal. Hier stehe ich, und blicke mit starrem Auge über das sonnenbeglänzte Meer hin, meine kranke Einbildung schafft aus Schiffern am Ufer meinen Omal; wenn ein Schiff vorbeisegelt, so glaub' ich, es eile zu meiner Rettung herbei, ach! und schon hundertmal färbte der blasse Schein des Abends jene Wogen, und eben so oft ward mein banges Erwarten, meine Sehnsucht getäuscht. Sieh, dort hinter jenen grauen Wogen muß Suhlu liegen, ach säh' ich doch sein fernes Ufer dämmern!
LINI. Wo? – O laß mich sehen, Vater! – Ach, endlich seh' ich doch einmal wieder Sonnenschein! – Sieh, welchen glänzenden Mantel die Sonne auf das Meer deckt, tausend leuchtende kleine Sonnen tauchen sich aus den nassen Wogen empor. – O wie wohl ist mir wieder! Ach, mir ist, als könnt' ich das ferne Ufer sehn, als trüge der Wind, der mich mit sanftem Fittig schlägt, den Duft meines Gartens, als könnte ich den Schaum entdecken, den die Wogen mühsam an das Ufer zusammentragen. –
AMELNI. O sieh! – Wie dort der blaue Himmel sich aus den schwarzen Wolken hervorgießt! – o ja, wir werden wieder glücklich! gewiß! die Götter Suhlu's leben noch, sie umspannen den Himmel und halten Suhlu in ihrer Hand, sie werden Deiner gedenken. Sieh, ein Regenbogen fließt durch das Gewölk, das schönste Bild der Hoffnung!
ALLA-MODDIN. Der Hoffende greift nach einem Schatten, der ihn hiehin und dorthin leitet. –
AMELNI. Deine Amelni lebt ja noch.
ALLA-MODDIN. Ja sie lebt, – hier im Grabe. – O wär' ich allein hier, unbemerkt sollte mein Schmerz mich hier zerstören, aber Du, – so oft ich Dich ansehe, heben schwere Seufzer meine Brust, jede Deiner Thränen, jeder Deiner Seufzer fällt schwer auf meine Seele. –
AMELNI. Was ist Dir, Geliebter?
ALLA-MODDIN. Daß er uns verließ, daß er uns Freiheit versprach! schon seit einem Jahre harren wir mit Sehnsucht seiner Rückkehr, harren seiner mit eben der ängstigenden Ungeduld, mit der ein dem Schiffbruch Entronnener jeden Morgen weinend in das Meer hinaussieht, ob nicht endlich ein Schiff erschienen, ihn in sein geliebtes Vaterland zu führen.
AMELNI. Er versprach uns so gewisse Hülfe.
ALLA-MODDIN. Er war so gerührt, und doch hat er seines Versprechens vergessen.
LINI. der sich indeß zu ihnen gesetzt, und aufmerksam zugehört hat. Meinst Du, Vater, daß er uns wirklich vergessen hätte?
ALLA-MODDIN. Gewiß.
LINI. Das kann ich Dir doch nicht glauben.
ALLA-MODDIN. Warum nicht?
LINI. Weißt Du nicht mehr, wie er abreiste? – Er hob mich vom Boden auf, nahm mich in seine Arme und küßte mich so herzlich, daß ich dem Manne gleich so gut ward, daß ich weinen mußte. Er küßte mich, und sagte: Nun, Lini, bald wirst Du wieder auf Suhlu sein! – In eben dem Augenblick ging die Thür des Hauses auf, und ich sahe ganz tief, ganz tief in der Ferne zum erstenmal wieder einen grünen Baum. Das macht, daß ich das alles nicht wieder vergessen habe. Warum hätt' er mich wohl geküßt, wenn er nicht wirklich mein Freund wäre und sein Versprechen halten wollte.
ALLA-MODDIN. Ach, armer Knabe, Du weißt nicht, daß diese heilige Sitte in Europa nicht so geehrt wird, als bei uns. – Der Europäer küßt seinen Freund auch, und stößt ihm in der Umarmung den Dolch in den Rücken. –
LINI. Nein Vater! dann ist Valmont gewiß kein Europäer. – Er liebt mich wirklich.
ALLA-MODDIN. Woher weißt Du es so zuverlässig.
LINI. Hat er mir denn nicht den schönen Vogel da geschenkt?– Warum hätte er das gethan? Ich konnte ihm ja dafür nichts wieder schenken. – Und so oft nun mein Vogel singt, so oft denk' ich an Valmont und Suhlu, und wie er mich küßte und sagte: Nun, Lini, bald wirst Du auf Suhlu sein. – Auch Omal, so oft ich ihn fragte: Kommen wir nicht bald nach Suhlu? sagte jedesmal: Bald wird der Fremde Dich dahin abholen.
ALLA-MODDIN. Und doch hat er selbst seine Ankunft nicht erwartet, – ach Omal! – ich nannte Dich meinen edlen Freund, und doch – er versinkt in ein tiefes Nachdenken.
LINI. Ja Vater, auf Omal bin ich auch recht böse, von ihm will ich mich gewiß nicht wieder auf den Strom fahren lassen, er soll mir keinen einzigen Kranz wieder flechten.
AMELNI. Warum denn?
LINI. Sieh nur, liebe Mutter, hätte er uns alle nicht mitnehmen können, als er fortging? Oder wenn das nicht möglich war, so hätte er auch hier bleiben müssen, er hätte mir noch manchmal die Zeit vertrieben, er spielte gern mit mir. – Und dann hat er auch gelogen.
AMELNI. Wann?
LINI. Du weißt ja, er riß eine Menge Steine aus der Mauer und sprang hinab. – Einmal konnt' ich in der Nacht gar nicht einschlafen, da hör' ich ein Poltern und finde Omal, der die Steine aushebt; ich mußte ihm versprechen, dem lieben Vater nichts davon zu sagen, weil er es ihm selbst sagen wollte; ich schwieg auch, denn ich hatt' es ihm versprochen. Bei Tage war er immer bei uns, und das Fenster, das er sich gemacht hatte, war nicht da, des Nachts machte er es immer größer und nach ein paar Tagen war er fort.
ALLA-MODDIN. Was hülf' es mir, wenn auch er den stummen Wänden klagte? Er hätte zuviel gewagt, uns alle zu retten. – Aber ich wäre nicht ohne Dich entflohen, Omal.
AMELNI. Die Schlösser rauschen, es kömmt jemand zu uns!
ALLA-MODDIN. Ich wünsche, wir blieben ewig hier ungestört. Widrig sind mir die Blicke neugieriger Fremden, und jene Pfaffen hasse ich, die täglich meinen Geist bestürmen.
Zweite Scene
VORIGE. EIN FREMDER.
FREMDER, der in einem Mantel und in spanischer Tracht hereintritt. Er verbeugt sich anständig gegen ALLA-MODDIN, sieht ihn scharf an und unterdrückt einen Seufzer, er grüßt AMELNI und LINI, geht dann auf ALLA-MODDIN zu und reicht ihm freundschaftlich die Hand. Mit niedergesenktem Blick erwiedert ALLA-MODDIN die Begrüßung kalt und fremd. Du bist Alla-Moddin?
ALLA-MODDIN, der bei dem Ton der Stimme aufmerksam wird. Der unglückliche Alla-Moddin, der sich jedem Blicke neugieriger Fremden bloßstellen muß. – Nein, sieh mich nicht so mitleidig an; dann fühl' ich mein Elend am stärksten, wenn ein durchreisender Fremder, der aus Neugier auch den gefangenen König sehen will, mich mit seinem Mitleid quält. – Setz Dich nieder!
AMELNI setzt sich im Hintergrunde auf ein Ruhebett, LINI auf eine steinerne Bank auf der andern Seite und klimpert auf seiner Laute.
FREMDER. Wie menschenfeindlich hat Dich Dein Unglück gemacht! – Glaube mir, nicht Neugier, wahre Theilnahme führte mich in diesen Kerker.
ALLA-MODDIN. Theilnahme?
FREMDER. Du