Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
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Читать онлайн книгу Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig Ganghofer страница 21
Auch der Rötelbachbauer war unter den geladenen Gästen; er saß zwischen Muckl und der zukünftigen Schwiegertochter. Wenn die Leute von ihr erzählten, sie hätte Haare auf den Zähnen, so konnte das jedenfalls nur bildlich gemeint sein; denn ihr Gebiß, das von der schmalen Oberlippe kaum zur Hälfte verdeckt wurde, war vollständig unbehaart.
Pauli, der neben dem Wirt Saß, war für die Unterhaltung der Gäste verloren. Er folgte nur immer mit leuchtenden Blicken dem geschäftigen Tun und Treiben seiner Braut. Wenn ihn an diesem Freudentage überhaupt etwas beunruhigen konnte, so war es die Abwesenheit Lehnls, den er schon ein paarmal vergebens im ganzen Hause gesucht hatte. Ganz zufällig blickte er einmal durch das Fenster und sah gerade noch, wie Lehnl drüben im Austraghäuschen des Huberbauern die Tür hinter sich zuzog. Er sprang vom Stuhl auf, sagte Loni, wohin er ginge, und eilte hinüber nach seiner Wohnung, um den Alten zu holen, der ihm die letzten zwei Tage in auffallender Weise ausgewichen war.
Loni hatte ihren Verlobten bis an die Haustür begleitet, und als sie nun wieder in die Stube zurückkehren wollte, wurde sie von Muckl aufgehalten, der ihr aus dem Flur entgegentrat.
»No, Loni? jetzt is halt doch so kommen, wie ich allweil gsagt hab. Drum, mein ich, könntest mir jetzt auch wieder gut sein, schau, schon deswegen, weil meine Eifersucht dein Glück gmacht hat!«
Loni lachte. »Wenn du sagst, daß dich alles reut ... nachher will ich dir wieder gut sein!«
»Freilich reut's mich! Wenn ich auch net leugnen kann, daß mir's die größte Gaudi gmacht hat, wie ihr zwei aufeinander losgfahren seids wie die gstupften Gockeln! ... ja ... hätt ich nur von Anfang net so viel Angst ausstehen müssen wegen dem Lehnl! Das hätt weiters net dumm ausgschaut, wenn ich, der einzige Sohn vom Rötelbachbauern, ein paar Monat hätt sitzen müssen wegen so einer dalketen Gschicht.«
»Ja, hast denn du dem Lehnl was tan?« fragte Loni erstaunt.
»Weißt denn du da nix davon?«
»Aus dem Gschwatz werd ich net gscheit!«
»Kannst dich denn nimmer erinnern an den Tag, wo ich mit meim Vater kommen bin und wo du mir nachher so gschwind ein Korb geben hast? Da war gleich drauf die Red, daß du am andern Tag auf d' Alm gehst. Da hab ich mir denkt, den Katzensprung könnt ich noch riskieren ... vielleicht redt man sich leichter mit dir, wenn du allein bist!«
»Und du warst in derselben Nacht auf der Alm?«
»Freilich ... aber grad, wie ich an dein Kammerfenster hab klopfen wollen, da kommt der Lehnl dazu, packt mich ... und wie's diesmal geht.. . ich hab ihn halt so weggschlenzt, und da is er halt unglücklich gfallen. In der ersten Angst, man könnt mich sehen, bin ich ausgrissen, weil ich wen kommen hab hören. Freilich hat mich die Sorg um den Lehnl net weit fortlassen. So bin ich wieder zurück, und da hab ich gsehen, daß der Pauli da ist und dem Lehnl aufhilft. Der arme Kerl hat gmeint, er müßt schon sterben wegen dem bißl Loch im Kopf, und hat den Pauli heilig versprechen lassen, daß er Freund bleibt mit dir, ob du gut oder ungut mit ihm wärst. Alles hab ich mit anghört, auch wie er ihm verraten hat, daß du sein leibliches Kind wärst.« Zutraulich neigte sich Muckl gegen Loni und sprach ihr ins Ohr: »Weißt, von mir hat's kein Mensch erfahren und erfahrt's auch niemand!«
Lonis Gesicht war weiß wie die Wand, und sie zitterte an allen Gliedern. Mühsam rang sie nach einem Wort. »Heilige Maria ...«
»Ja, weißt denn du da auch nix davon?« fragte Muckl mehr erstaunt als erschrocken.
Loni starrte ins Leere. »Pauli ... wo is der Pauli?« Und wie eine Irrsinnige eilte sie zur Tür hinaus auf die Straße hinüber zum Austraghäuschen des Huberbauern.
Da drüben hatte unterdessen Pauli den Alten aufgefunden; aber vergebens suchte er Lehnl zu bewegen, mit ihm zu gehen. »Komm, Lehnl, komm, geh mit!« bat Pauli immer und immer wieder. »Du hast am allerersten ein Recht ...«
»Geh, laß mich!« unterbrach ihn Lehnl. »Wenn du wissen tätst, wi6s in meim Herzen ausschaut, nachher sähest ein, daß ich in keine lustige Gsellschaft paß.«
»Ah was da! Du hast allen Grund zum Lustigsein, jetzt, wo dein Lieblingswunsch in Erfüllung geht, mit mir und der Loni!«
»Ja, früher, da hab ich mir's ausgmalen in Gedanken, wenn mein Kind einmal ein richtigen Burschen zum Mann krieget ... und wie ich nachher ganz glückselig wär, wenn ich mit ansehen könnt, wie das Madl so mittendrin sitzt im Wohlsein und in der Freud ...«
»Und so kommt's ja, schau! Wir haben uns gern, und was an mir liegt, das wird auch gschehen, ums 's Madl glücklich z'machen.
»Ja, Bub! Das weiß ich! Und drum wird mir der Abschied leichter, als eigentlich für ein Vater recht is!«
»Geh, red net so dalket!« zürnte Pauli. »Du wirst fortgehn! Wo willst denn du alter Zwickel noch hin? Eine überspannte Gschicht ist das, weiter nix!«
»Ich will dich net von dem Glauben abbringen. Aber es wird doch so sein müssen, daß ich geh. Du weißt, daß der Muckl damals alles ghört hat, was auf der Alm zwischen uns gredt worden is. Und wenn der was weiß, so weiß es auch's ganze Dorf!«
»Und was is denn nachher?« fragte Pauli und faßte den Alten bei der Hand.
Die beiden waren allzusehr mit sich selbst beschäftigt, um auf die Tritte zu merken, die sich kurze Zeit im Hausflur hören ließen.
»Schau, Lehnl«, sagte Pauli mit herzlicher Eindringlichkeit, »ich bin der erste, der vor der ganzen Gmeind dir die Händ hinstreckt und sagt, daß ich dich mein Vatern heißen und als solchen halten will. Und grad so wie ich wird auch d' Loni ...«
»Sei stad!« unterbrach ihn der Alte jammernd. »Du weißt net, wie das Madl über ihre Eltern denkt. Wenn d' Loni je erfahret, daß ich ihr Vater bin ... so gern s' mich bis jetzt ghabt hat... mit dem Wort wär ich ihr zwider bis in d' Seel eini! Und erfahren muß sie's! Denn wenn der Muckl bis jetzt auch gschwiegen hat, so war das nur die Angst vorm Gricht!«
»Ich hab von der Loni ein besseren Glauben!« fiel Pauli ein. »Weißt was ... jetzt hol ich's Madl ummi, nachher redst offen mit ihr.«
»Na, Pauli, na! Um Gottes willen net! Sie könnt mir's net verzeihen, daß ich sie weggeben hab, wenn's auch nur gschehen is aus Lieb und in der Gfahr. Mir druckt's die Seel ab, daß ich mein Kind nimmer sehen soll, aber es geht net anders. Ich geh in meine Heimat zruck ... die paar Jahrln, wo ich noch z'leben hab, werden meiner Gmeind net z'viel sein. Eine Bitt hätt ich aber noch an dich. Ich hab mir ein bißl was erspart. Das will ich dir geben. Es könnt grad so viel sein, daß man von da bis in mein Dorf einmal dafür hin und her fahrt. Wenn nachher einmal hörst, daß ich gstorben bin, so laß mich um das Geld mit eim Wagen holen und laß mich eingraben an eim Platzl, wo ich mir denken durft, 's Madl kommt einmal neben mir z'liegen! ... Und jetzt laß mich gehen!«
Dem Alten rannen die Tränen über die runzligen Backen. Seine Knie zitterten, und erschöpft griff er nach der Lehne eines Stuhles.
»Na, Lehnl! Na! Du darfst net gehen! Bleib bei uns!«
Lehnl schüttelte den Kopf. »Es geht net und kann net sein!«