Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
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Читать онлайн книгу Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig Ganghofer страница 35
»Schlafen laß mich!«
»Na, Burgerl! Heut därf ich dich net schlafen lassen! Ich muß dir a paar Wörtln sagen. Ich hab die Verpflichtung.«
»Was? Verpflichtung? Ja, freilich«, klang es gereizt aus der Kammer, »die Verpflichtung hast, daß dich niederlegst auf deine Ohrwaschln und dein Dampus verschlafst!«
»Auf Ehr und Seligkeit, Madl, ich bin so nüchtern wie der Pfarr vor der Fruhmeß!«
»Laß die heiligen Sachen aus'm Spiel! So was vertrag ich net. Z'mittelst in der Nacht schon gar net!«
»Madl, ich sag dir's im guten, tu mich net abweisen! Dein Glück ich am Spiel. Mach auf, sag ich! Oder es reut dich noch amal, daß d' ein' abgwiesen hast, der's ehrlich mit dir gmeint hat.«
»Jetzt wird's mir aber z' dumm!« Heißere Unmut bebte in der Stimme der Sennerin. »Bis um zwölfe hab ich enker rauschige Metten in der Hütten leiden müssen. In der Fruh muß ich wieder frisch bei der Arbeit sein. Und da soll ich net amal die paar Stündln schlafen können? Fahr ab! Mit dir bin ich fertig! Verstehst? Dös is 's letzte Wörtl gwesen. Gut Nacht!«
Pepperls Geduld war zu Ende. Er sah es ein: bei dieser verstockten Seele war in Güte nichts auszurichten. Dem heiligen Zweck zuliebe mußte er »sanfte Gewalt« gebrauchen. Also faßte er mit beiden Fäusten die Klinke und rüttelte an der Kammertür, daß die Bretter rasselten. »Mach auf! Ob d' willst oder net. Anhören mußt mich! In meiner Verpflichtigung steh ich da, als ob ich dein armer, alter Vater wäre. Oder als ob d' an Bruder hättst an mir, der sich in Kümmernis um d' Schwester sorgen tut! Zum letztenmal sag ich dir's: mach auf!«
Das wirkte. Noch ehe Pepperl völlig ausgesprochen hatte, öffnete sich die Kammertür, freilich nur um einen schmalen Spalt. Aus diesem Spalt, in welchem undeutlich etwas Weißes schimmerte, kam etwas Schwarzes herausgeflogen, wie eine Nachteule aus ihrem finsteren Felsenschlupf. Dieser sonderbare, aber sehr gewichtige Vogel flog dem Praxmaler-Pepperl grob in die Kreuzerschneckerln, fuhr ihm wie mit scharfen Klauen übers Ohr und klatschte zu Boden. Im gleichen Augenblick schloß sich die Kammertür wieder, und der Riegel klirrte.
»Da hört sich aber die Gemütlichkeit auf!« brummte Pepperl, weniger beleidigt als verblüfft. In begreiflicher Neugier bückte er sich, tappte mit den Händen auf dem Boden herum – und als er den merkwürdigen Vogel haschte, zeigte es sich, daß er keine Flügel hatte, sondern sich anfühlte wie ein Pantoffel mit genagelter Sohle. Bei dieser Entdeckung schoß dem Praxmaler-Pepperl eine »gache Hitz« bis unter die zerzausten Schneckerln hinauf, wie überschürtes Feuer in den Schornstein fährt. »So also? So dankst mir du?« Seine Stimme klang, als wäre ihm die Kehle zugeschnürt. »Meinetwegen!« Dabei schleuderte er den Pantoffel gegen die Kammertür, daß es krachte wie ein Schuß. »So renn halt ins Verderben, wie 's Hehndl in' Fuchsbau! Dir sag ich nix mehr!«
Er griff nach seiner Büchse und stürmte zur Hüttentür hinaus. Da vernahm er Schritte. Um nicht gesehen zu werden, duckte er sich hinter den Holzstoß, der an der Hüttenmauer aufgeschichtet war.
Im fahlen Grau des Morgens schritt Mazegger an der Hütte vorüber, die Büchse auf dem Rücken, das bleiche Gesicht tief vorgebeugt und zu Boden starrend, wie einer, der sucht, was sich nimmer finden läßt.
Trotz allem Aufruhr, den Pepperl in seiner enttäuschten Hirtenseele toben fühlte, hatte er doch noch Augen für das Gedrückte, das aus Mazeggers Haltung sprach. »Mir scheint, der spinnt schon wieder! Der arme Narr!« Den fremden Kummer nicht minder schwer als die eigene Sorge fühlend, guckte er dem Jäger nach, bis Mazegger zwischen den Bäumen verschwunden war. Dann schlich er um den Holzstoß herum, warf einen spähenden Blick zum Fürstenhaus hinauf und rannte mit langen Sprüngen dem nahen Walde zu.
Sobald ihn die Bäume deckten, fiel er in ruhigen Schritt, als wäre jäh aller Sturm in seinem Innern still geworden.
Er konnte sich sagen, daß er seine »Verpflichtigung« gewissenhaft erfüllt hatte. Wenn er nicht dazu gekommen war, seine Warnung auszusprechen, so war das nicht seine Schuld! Und sollte, Gott behüt, der alte Brenntlinger einmal kommen und ihn ansehen mit den traurigen Vateraugen, so konnte Pepperl mit reinem Gewissen erklären: » Ich kann nix dafür!« Das war unleugbar ein Trost. Dennoch war dem Praxmaler-Pepperl so seltsam schwül zumute, daß er das Hütl lüften und mit dem Ärmel über die Stirn wischen mußte.
Viertes Kapitel
Förster Kluibenschädl machte am Morgen keine Pirsche, nur einen kleinen Waldmarsch gegen Leutasch hinaus, um sich für das Frühstück im Fürstenhaus den pflichtschuldigen Appetit zu holen.
Im Hochwald, der das Weidefeld der Hämmermoosalpe umschließt, traf er mit Mazegger zusammen, der in Gedanken versunken daherkam.
»He! Toni!«
Der Jäger fuhr auf wie ein Träumer, der unsanft geweckt wird.
Mißmutig schüttelte der Förster den Kopf. »Wie schaust denn aus? Bist denn du noch a Jager? Schamst dich denn gar net?«
Mazegger, über dessen bleiches Gesicht eine Spur von Röte huschte, schien nicht recht zu wissen, wie ihm geschah. Er betrachtete seine Büchse. Die war spiegelblank, ohne Rost. Er guckte suchend an seinen Kleidern hinunter. Die waren tadellos sauber. »Was ist denn?« murrte er, und seine schwarzen Augen schossen einen gereizten Blick auf den Förster. »Wo fehlt's denn schon wieder?«
»Dein Hütl schau dir an!«
Toni nahm den Hut ab und sah, daß er von seiner Spielhahnfeder die Sichel verloren hatte.
»Die muß ich mir gestern am Abend abgestoßen haben! Aber wenn der Herr Förster schon wegen so was brummt –«
»So? Meinst? Laß an Heiligen sein' Heiligenschein verlieren, und er is halt kein Heiliger nimmer!« Der Förster drehte dem Jäger den Rücken und wanderte durch den Wald hinunter ins Bachtal.
Auf dem Heimweg hörte er aus einem nahen Jungholz die Stimme der Sennerin, die ihre Kühe zum Melken trieb. Sonst pflegte Burgi bei diesem Geschäft vergnügt zu singen und zu jodeln; heut schalt sie mißlaunig auf das widerspenstige Vieh.
Das fiel dem Förster auf. »Was hat denn dös Madl heut?«
Als er gegen neun Uhr die Tillfußer Alm erreichte und ins Försterhäuschen trat, sah er den Praxmaler-Pepperl, mit einem nassen Handtuch um die Stirn, in schwerem Schlaf auf der Matratze liegen.
»No also! Jetzt brummt ihm der Schädel! Ja, ja, 's Leben hat allweil seine Zwidrigkeiten, und aller Zucker schmeckt eim sauer auf d'Letzt!«
Lautlos, um den Schläfer nicht zu wecken, machte er Toilette zum Frühstück, das heißt, er wischte mit einem Handtuch die Schuhe sauber und bürstete einen Scheitel ins Haar.
Als er hinaufkam ins Herrenhaus, hatte er seine Freude an dem frischen Aussehen des Fürsten, der fest und gut bis in den Morgen