Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер

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Gesammelte Werke von Gustave Flaubert - Гюстав Флобер

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      Endlich kam er auf den Gedanken, daß es den Hals nicht kosten könne, und so nahm er sich vor, bei der ersten besten Gelegenheit um Emmas Hand zu bitten. Aber sooft sich diese Gelegenheit bot, wollten ihm vor lauter Angst die passenden Worte nicht über die Lippen. Vater Rouault hätte längst nichts dagegen gehabt, wenn ihm jemand seine Tochter geholt hätte. Im Grunde nützte sie ihm in Haus und Hof nicht viel. Er machte ihr keinen Vorwurf daraus: sie war eben für die Landwirtschaft zu geweckt. »Ein gottverdammtes Gewerbe!« pflegte er zu schimpfen. »Das hat auch noch keinen zum Millionär gemacht!« Ihm hatte es in der Tat keine Reichtümer gebracht; im Gegenteil, er setzte alle Jahre zu. Denn wenn er auch auf den Märkten zu seinem Stolz als gerissener Kerl bekannt war, so war er eigentlich doch für Ackerbau und Viehzucht durchaus nicht geschaffen. Er verstand nicht zu wirtschaften. Er nahm nicht gern die Hände aus den Hosentaschen, und seinem eigenen Leibe war er kein Stiefvater. Er hielt auf gut Essen und Trinken, einen warmen Ofen und ausgiebigen Schlaf. Ein gutes Glas Landwein, ein halb durchgebratenes Hammelkotelett und ein Täßchen Mokka mit Kognak gehörten zu den Idealen seines Lebens. Er nahm seine Mahlzeiten in der Küche ein und zwar allein für sich, in der Nähe des Herdfeuers an einem kleinen Tische, der ihm – wie auf der Bühne – fix und fertig gedeckt hereingebracht werden mußte.

      Als er die Entdeckung machte, daß Karl einen roten Kopf bekam, wenn er Emma sah, war er sich sofort klar, daß früher oder später ein Heiratsantrag zu erwarten war. Alsobald überlegte er sich die Geschichte. Besonders schneidig sah ja Karl Bovary nicht gerade aus, und Rouault hatte sich ehedem seinen künftigen Schwiegersohn ein bißchen anders gedacht, aber er war doch als anständiger Kerl bekannt, sparsam und tüchtig in seinem Berufe. Und zweifellos würde er wegen der Mitgift nicht lange feilschen. Vater Rouault hatte gerade eine Menge großer Ausgaben. Um allerlei Handwerker zu bezahlen, sah er sich gezwungen, zweiundzwanzig Acker von seinem Grund und Boden zu verkaufen. Die Kelter mußte auch erneuert werden. Und so sagte er sich: »Wenn er um Emma anhält, soll er sie kriegen!«

      Zur Weinlese war Karl drei Tage lang da. Aber Tag verging auf Tag und Stunde auf Stunde, ohne daß Karls Wille zur Tat ward. Rouault gab ihm ein kleines Stück Wegs das Geleite; am Ende des Hohlwegs vor dem Dorfe pflegte er sich von seinem Gaste zu verabschieden. Das war also der Moment! Karl nahm sich noch Zeit bis zuallerletzt. Erst als die Hecke hinter ihnen lag, stotterte er los:

      »Verehrter Herr Rouault, ich möchte Ihnen gern etwas sagen!«

      Weiter brachte er nichts heraus. Die beiden Männer blieben stehen.

      »Na, raus mit der Sprache! Ich kann mirs schon denken!« Rouault lachte gemütlich.

      »Vater Rouault! Vater Rouault!« stammelte Karl.

      »Meinen Segen sollen Sie haben!« fuhr der Gutspächter fort. »Meine Kleine denkt gewiß nicht anders als ich, aber gefragt werden muß sie. Reiten Sie getrost nach Hause. Ich werde sie gleich mal ins Gebet nehmen. Wenn sie Ja sagt, – wohlverstanden! – brauchen Sie jedoch nicht umzukehren. Wegen der Leute nicht, und auch weil sie sich erst ein bißchen beruhigen soll. Damit Sie aber nicht zu lange Blut schwitzen, will ich Ihnen ein Zeichen geben: ich werde einen Fensterladen gegen die Mauer klappen lassen. Wenn Sie da oben über die Hecke gucken, können Sie das ungesehen beobachten!«

      Damit ging er.

      Karl band seinen Schimmel an einen Baum; kletterte die Böschung hinauf und stellt sich auf die Lauer, die Taschenuhr in der Hand. Eine halbe Stunde verstrich – und dann noch neunzehn Minuten … Da gab es mit einem Male einen Schlag gegen die Mauer. Der Laden blieb sperrangelweit offen und wackelte noch eine Weile.

      Am andern Morgen war Karl vor neun Uhr in Bertaux. Emma wurde über und über rot, als sie ihn sah. Sie lächelte gezwungen ein wenig, um ihre Fassung zu bewahren. Rouault umarmte seinen künftigen Schwiegersohn. Die Besprechung der geschäftlichen Punkte wurde verschoben. Übrigens war noch viel Zeit dazu, da die Hochzeit anstandshalber vor Ablauf von Karls Trauerjahr nicht stattfinden konnte, das hieß, nicht vor dem nächsten Frühjahr.

      In dieser Erwartung verging der Winter. Fräulein Rouault beschäftigte sich mit ihrer Aussteuer. Ein Teil davon wurde in Rouen bestellt. Die Hemden und Hauben stellte sie nach Schnitten, die sie sich lieh, selbst her. Wenn Karl zu Besuch kam, plauderte das Brautpaar von den Vorbereitungen zur Hochzeitsfeier. Es wurde überlegt, in welchem Raume das Festmahl stattfinden, wieviel Platten und Schüsseln auf die Tafel kommen und was für Vorspeisen es geben solle.

      Am liebsten hätte es Emma gehabt, wenn die Trauung auf nachts zwölf Uhr bei Fackelschein festgesetzt worden wäre; aber für solche Romantik hatte Vater Rouault kein Verständnis. Man einigte sich also auf eine Hochzeitsfeier, zu der dreiundvierzig Gäste Einladungen bekamen. Sechzehn Stunden wollte man bei Tisch sitzen bleiben. Am nächsten Tage und an den folgenden sollte es so weitergehen.

      Viertes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die Hochzeitsgäste stellten sich pünktlich ein, in Kutschen, Landauern, Einspännern, Gigs, Kremsern mit Ledervorhängen, in allerlei Fuhrwerk moderner und vorsintflutlicher Art. Das junge Volk aus den nächsten Nachbardörfern kam tüchtig durchgerüttelt im Trabe in einem Heuwagen angefahren, aufrecht in einer Reihe stehend, die Hände an den Seitenstangen, um nicht umzufallen. Etliche eilten zehn Wegstunden weit herbei, aus Goderville, Normanville und Cany. Die Verwandten beider Familien waren samt und sonders geladen. Freunde, mit denen man uneins gewesen, versöhnte man, und es war an Bekannte geschrieben worden, von denen man wer weiß wie lange nichts gehört hatte.

      Immer wieder vernahm man hinter der Gartenhecke Peitschengeknall. Eine Weile später erschien der Wagen im Hoftor. Im Galopp ging es bis zur Freitreppe, wo mit einem Rucke gehalten wurde. Die Insassen stiegen nach beiden Seiten aus. Man rieb sich die Knie und turnte mit den Armen. Die Damen, Hauben auf dem Kopfe, trugen städtische Kleider, goldne Uhrketten, Umhänge mit langen Enden, die sie sich kreuzweise umgeschlagen hatten, oder Schals, die mit einer Nadel auf dem Rücken festgesteckt waren, damit sie hinten den Hals frei ließen. Die Knaben, genau so angezogen wie ihre Väter, fühlten sich in ihren Röcken sichtlich unbehaglich; viele hatten an diesem Tage gar zum ersten Male richtige Stiefel an. Ihnen zur Seite gewahrte man vierzehn-bis sechzehnjährige Mädchen, offenbar ihre Basen oder älteren Schwestern, in ihren weißen Firmelkleidern, die man zur Feier des Tages um ein Stück länger gemacht hatte, alle mit roten verschämten Gesichtern und pomadisiertem Haar, voller Angst, sich die Handschuhe nicht zu beschmutzen. Da nicht Knechte genug da waren, um all die Wagen gleichzeitig abzuspannen, streiften die Herren die Rockärmel hoch und stellten ihre Pferde eigenhändig ein. Je nach ihrem gesellschaftlichen Range waren sie in Fräcken, Röcken oder Jacketts erschienen. Manche in ehrwürdigen Bratenröcken, die nur bei ganz besonderen Festlichkeiten feierlich aus dem Schranke geholt wurden; ihre langen Schöße flatterten im Winde, die Kragen daran sahen aus wie Halspanzer, und die Taschen hatten den Umfang von Säcken. Es waren auch Jacken aus derbem Tuch zum Vorschein gekommen, meist im Verein mit messingumränderten Mützen; fernerhin ganz kurze Röcke mit zwei dicht nebeneinandersitzenden großen Knöpfen hinten in der Taille und mit Schößen, die so ausschauten, als habe sie der Zimmermann mit einem Beile aus dem Ganzen herausgehackt. Ein paar (einige wenige) Gäste – und das waren solche, die dann an der Festtafel gewiß am alleruntersten Ende zu sitzen kamen – trugen nur Sonntagsblusen mit breitem Umlegekragen und Rückenfalten unter dem Gürtel.

      Die steifen Hemden wölbten sich über den Brüsten wie Kürasse. Durchweg hatte man sich unlängst das Haar schneiden lassen (um so mehr standen die Ohren von den Schädeln ab!), und alle waren ordentlich rasiert. Manche, die noch im Dunkeln aufgestanden waren, hatten offenbar beim Rasieren nicht Licht genug gehabt und hatten sich unter der Nase die Kreuz und die Quer geschnitten oder hatten am Kinn Löcher

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