Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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aber sie stand nicht in seiner Pflanzenlehre; es war ihm nicht möglich herauszufinden, in welche Classe sie gehöre.

      »Das ist eine Abart!« sagte er. »Ich kenne sie nicht. Sie ist nicht in das System aufgenommen.«

      »Nicht in das System aufgenommen?« sagten Disteln und Brennnesseln. Die großen Bäume, die ringsum standen, sahen und hörten es, aber sagten nichts – weder Böses noch Gutes, und das ist immer das Klügste, wenn man dumm ist.

      Da kam durch den Wald ein armes, unschuldiges Mädchen; ihr Herz war rein, ihr Verstand groß durch den Glauben; ihr ganzes Erbtheil, war eine alte Bibel; aber aus ihren Blättern sprach Gottes Stimme zu ihr: Wenn die Menschen uns Böses zufügen wollen, da heißt es ja von Joseph: »Sie dachten Böses in ihren Herzen, doch Gott lenkte es zum Guten.« Leiden wir unrecht, werden wir verkannt und verhöhnt, da tönt es von ihm, dem Reinsten, dem Besten, von ihm, den sie verspotteten und an das Kreuz nagelten, wo er betete: »»Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!«« Das Mädchen blieb vor der wunderbaren Pflanze stehen, deren grüne Blätter süß und erquickend dufteten; deren Blumen m dem klaren Sonnenscheine wie ein Farbenfeuerwerk strahlten, und aus jeder klang es heraus, als verberge sie den tiefen Born der Melodien, den Jahrtausende nicht zu erschöpfen vermögen. Mit frommer Andacht erblickte es all diese Herrlichkeit Gottes, es bog einen der Zweige zu sich herab, um recht die Blume beschauen und ihren Duft einathmen zu können. Es wurde hell m ihrem Sinne; es that ihrem Herzen wohl; gerne hätte es eine Blume gepflückt; es konnte es aber nicht über sich gewinnen, sie abzubrechen: sie würde ja bald bei ihr verwelken; das Mädchen nahm nur ein einziges der grünen Blätter, legte dasselbe daheim in ihre Bibel; da lag es frisch, immer grün und unverwelkt.

      Zwischen den Blättern der Bibel lag es aufgehoben; mit der Bibel wurde es unter den Kopf des jungen Mädchens gelegt, als es nach einigen Wochen in seinem Sarge lag mit dem heiligen Ernste des Todes auf dem frommen Gesichte, als ob es sich in dem irdischen Staube abpräge, daß es letzt vor seinem Gotte stehe!

      Aber draußen im Walde blühte die wunderbare Pflanze; sie war fast wie ein Baum anzusehen, und alle Zugvögel beugten sich vor ihr. »Das ist nun wieder so eine Ausländischthuerei,« sagten die Disteln und die Kletten, »so können wir uns hier zu Lande doch nie betragen.«

      Die schwarzen Waldschnecken spuckten vor der Blume aus.

      Dann kam der Schweinehirt. Er sammelte Disteln und Gesträuche, um Asche daraus zu brennen. Die ganze wunderbare Pflanze sammt allen Wurzeln kam mit in sein Bündel: »Sie soll auch nutzbar werden,« sagte er, und gesagt, gethan!

      Doch seit Jahr und Tag litt der König des Landes an der tiefsten Schwermuth, er war fleißig und arbeitsam, es half ihm nichts; man las ihm sinnige gelehrte Schriften vor, man las die oberflächlichsten, die leichtesten, die man finden konnte, – es half nichts! Da sandte einer der Weisesten der Welt, an die man sich gewendet hatte, einen Boten ab und ließ sagen, daß es doch ein Mittel gebe, ihm Linderung zu verschaffen und ihn zu heilen: »In dem eigenen Reiche des Königs wüchse im Walde eine Pflanze himmlischen Ursprungs; so und so sähe sie aus, man könne sich nicht irren.«

      »Sie ist wohl mit in mein Bündel gekommen,« sagte der Schweinehirt, »und ist schon lange zu Asche geworden, aber ich wußte es nicht besser.«

      »Wußtest es nicht besser? Unwissenheit über Unwissenheit!« Und diese Worte konnte sich der Schweinehirt zu Herzen nehmen; ihm und keinem Andern galten sie.

      Kein Blatt war mehr zu finden, das einzige lag in dem Sarge der Todten, und davon wußte Niemand etwas.

      Und der König selbst wanderte in seinem Mismuthe in den Wald nach dem Orte hinaus.

      »Hier hat die Pflanze gestanden!« sagte er, »es ist eine heilige Stätte!«

      Und der Platz wurde mit einem goldenen Gitter eingezäunt, und eine Schildwache dort aufgestellt!

      Der botanische Professor schrieb eine große Abhandlung über die himmlische Pflanze; für diese wurde er vergoldet, und diese Vergoldung stand ihm und seiner Familie sehr gut; und das ist das Erfreulichste bei der ganzen Geschichte; denn die Pflanze war verschwunden und der König blieb mismuthig und betrübt – aber das war er auch vorher, sagte die Schildwache.

      Der fliegende Koffer

      Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein Kaufmann, der war so reich, daß er die ganze Straße und fast noch eine kleine Gasse dazu mit Silbergeld pflastern konnte; aber das that er nicht: er wußte sein Geld anders anzuwenden. Gab er einen Schilling aus, so bekam er einen Thaler wieder; ein so guter Kaufmann war er – bis er starb.

      Der Sohn bekam nun all dieses Geld. Lebte lustig, ging jede Nacht zur Maskerade, machte Papierdrachen aus Thalerscheinen und warf Fitschen auf der See mit Goldstücken, anstatt mit Steinen. Auf diese Weise konnte das Geld schon zu Ende gehen, und das that es. Zuletzt besaß er nicht mehr, als vier Schillinge, und hatte keine andern Kleider, als ein Paar Pantoffeln und einen alten Schlafrock. Nun kümmerten sich seine Freunde nicht mehr um ihn, da sie ja nicht zusammen auf die Straße gehen konnten; aber einer von ihnen, der gutmüthig war, sandte ihm einen alten Koffer, mit der Bemerkung: »Packe ein!« Ja, das war nun recht schön, aber er hatte nichts einzupacken; darum setzte er sich selbst in den Koffer.

      Das war ein merkwürdiger Koffer, Sobald man an das Schloß drückte, konnte der Koffer fliegen. Er drückte und wips! flog er mit ihm durch den Schornstein hoch über die Wolken hinauf, weiter und weiter fort. So oft aber der Boden ein wenig knackte, war er gar sehr in Angst, daß der Koffer in Stücke gehen könnte; alsdann hätte er einen tüchtigen Purzelbaum gemacht. – Gott bewahre uns! Auf solche Weise kam er nach dem Lande der Türken. Den Koffer verbarg er im Walde unter den dürren Blättern und ging dann in die Stadt hinein. Das konnte er auch gut, denn bei den Türken gingen ja Alle so wie er: in Schlafrock und Pantoffeln. Da begegnete er einer Amme mit einem kleinen Kinde. »Höre, Du Türkenamme,« sagte er, »was ist das für ein großes Schloß hier dicht bei der Stadt, wo die Fenster so hoch oben sind?«

      »Da wohnt die Tochter des Sultans!« erwiderte sie. »Es ist prophezeit, daß sie über einen Geliebten sehr unglücklich werden würde, und deshalb darf Niemand zu ihr kommen, wenn nicht der Sultan und die Sultanin dabei sind!«

      »Ich danke!« sagte der Kaufmannssohn, und ging hinaus in den Wald, setzte sich in seinen Koffer, flog auf das Dach und kroch durch das Fenster zur Prinzessin hinein.

      Sie lag auf dem Sopha und schlief; sie war so schön, daß der Kaufmannssohn sie küssen mußte. Da erwachte sie und erschrak gewaltig; aber er sagte, er sei der Türkengott, der durch die Luft zu ihr herab gekommen wäre, und das gefiel ihr.

      Sie setzten sich nebeneinander, und er erzählte ihr Geschichtchen von ihren Augen: das wären die herrlichsten, dunklen Seen, da schwämmen die Gedanken gleich Meerweibchen drin. Und er erzählte von ihrer Stirn: die wäre ein Schneeberg mit den prächtigsten Sälen und Bildern.

      Ja das waren schöne Geschichten! Dann freiete er um die Prinzessin, und sie sagte gleich ja!

      »Aber Sie müssen den Sonnabend herkommen!« sagte sie. »Da sind der Sultan und die Sultanin bei mir zum Thee! Sie werden sehr stolz darauf sein, daß ich den Türkengott bekomme. Aber sehen Sie zu, daß Sie ein recht hübsches Märchen wissen, denn das lieben meine Eltern außerordentlich. Meine Mutter will es moralisch und vornehm, und mein Vater belustigend

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