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Gluth einer Phädra, verließ sie die dunkle, enge Hütte, um mit sicherm Schritt den Marmorboden der Paläste zu betreten.

      Diese Gräfin Platen ist eine Frau, wie deren das achtzehnte Jahrhundert manche aufzuweisen hat, eine Frau, deren Schritte nichts zu hemmen im Stande ist und die jeden Weg, auch den durch die furchtbarsten Schrecken bezeichneten, sicher wandeln, um nachher am Ziele die Bewunderung der Mitwelt in Empfang zu nehmen. Gegen eine solche Gestalt voll unheimlicher Schrecken konnte sich die blühende, kindliche Unschuld nicht halten. Geknickt, gebrochen mußte die Blume dahinsinken.

      Als die Prinzessin Sophie Dorothea zu Hanover erschien, fand sie bereits alle Gemüther gegen sich eingenommen. Der Kurfürst ließ es seine Schwiegertochter empfinden, daß er so lange und mit so großer Mühe nach ihrem Erbe getrachtet, und daß sie die Tochter des Mannes war, der es gewagt hatte, sich seiner Gelangung zur Kurwürde zu widersetzen. Ihr Gemahl, ein ewiger Jäger und Herumtreiber, nahm sie, als eine ihm Aufgedrungene, kalt auf und gab willig den Einflüsterungen seiner Geliebten, der Kammerherrin, Gehör, die Gründe genug hatte, den Einfluß der Prinzessin zu schmälern. Die Kurfürstin endlich, die die Partie gemacht und von der man hätte glauben sollen, daß sie der wirksamste Schutz der Schwiegertochter sein würde, gab, in ihre gelehrten Studien vertieft, wenig auf das Acht, was am Hofe vorging. So war, durch eine seltsame Verkettung von Umständen, Anfangs gerade diejenige, die später ihre erbittertste Feindin werden sollte, ihre erste wohlwollende, theilnehmende Gesellschafterin und Beschützerin – die Gräfin Platen. Unumschränkt am Hofe herrschend, fürchtete diese stolze Frau die scheue, schüchterne Prinzessin nicht, die von Niemanden geliebt, von Niemanden in ihren Rechten und ihrer Stellung geschützt wurde.

      Die Lage der Verhältnisse wurde jedoch anders, als Königsmark am Hofe zu Hanover erschien. Wir haben schon bemerkt, daß er Dresden verließ, weil seine Triumphe dem gleichfalls triumphirenden fürstlichen Freunde auf die Länge beschwerlich fielen. Er benutzte eine genaue Bekanntschaft mit einem jüngern Sohne des Kurfürsten und kam nach Hanover, um als Gardeobrist in die dortigen Dienste zu treten. Das eigentliche Motiv seines Kommens war indeß wohl die Prinzessin, die seine Jugendgespielin gewesen, und zwar zu einer Zeit, wo die d'Albreuse noch nicht als rechtmäßige Gemahlin des Herzogs von Braunschweig -Lüneburg-Celle anerkannt war. Wie grausam war es nun von den Feinden der armen Prinzessin, wenn sie in der Freude, die sie empfand, den Gespielen ihrer glücklichen Kindheit wiederzusehen, in ihm endlich ein Herz zu finden, das sich mit der ganzen süßen Leidenschaftlichkeit gewohnter und früh geübter Freundschaftsrechte ihr zuwandte, einen Verrath an den Pflichten der Ehefrau und Fürstentochter erblickten! Freilich trat Sophie Dorothea mit dem vollen Stolz der Tugend auf; sie hielt es für unmöglich, daß ein Schatten des Verdachts auf sie fallen könne, und darum nahm sie die Weise edler Frauen an, die sich zwanglos und offen viel vor der Welt erlauben, weil sie sich im Geheim nichts erlauben.

      Jetzt, da der Freund ihr zur Seite war, erschien sie wieder im Kreise der Genüsse; man sah sie auf Bällen und Maskeraden. Ihr munterer Geist, seine Flügel wieder regend, erfand Scherze, leitete kleine Ueberraschungen, erlaubte sich in heiterer Rede jene rosenfarbene Bosheit, die eine schöne Frau so gut kleidet. Sie wurde liebenswürdig, und sogar – wie abscheulich klingt dieses Wort! – ihrem Gemahl gefährlich. Da griff die Kammerherrin zu den Waffen; sie lief zu ihrer Schwester und machte diese auf die Gefahr aufmerksam. Zum ersten Mal in ihrem Leben hörte aber die Gräfin nicht auf Politik; sie dachte an etwas Anderes. Ihr Herz, oder vielmehr ihre Sinne waren eingenommen, sie liebte den schönen Königsmark, und alle Kurfürsten und Kurprinzen der Welt gingen sie in diesem Augenblick nichts an. Sie vernachlässigte ihre eigene Mission, wie hätte sie die der Schwester beachten sollen!

      Die Kammerherrin, eine gemeine Natur, bemerkte kaum den Gemüthszustand der Schwester, als sie schnell nach einer andern Richtung hinlenkte, wo derselbe Erfolg durch andere Mittel erreicht wurde. Sie gab ihr zu verstehen, daß Königsmark ihrer Leidenschaft Hohn spreche, daß er schon seit lange der erklärte Geliebte der Kurprinzessin sei. Die stolze Schwester, gewohnt, überall zu siegen, hatte einen solchen Verrath für unmöglich gehalten, da der schlaue Königsmark, um seinerseits den Ruf der Prinzessin zu wahren, die zu rücksichtslos auftrat, sich vor der Welt die Miene gab, ein Verehrer der Hofmarschallin zu sein. Aufmerksam gemacht durch die arglistige Schwester, blickte jetzt das Auge der von Leidenschaft Berauschten schärfer, und nun beleidigten sie zu gleicher Zeit der sichere Stolz der Vertraulichkeit von Seiten der Prinzessin und die glatte, zweideutige Natur des jungen Ritters. Sie spähte, lauschte und war immerwährend auf der Hut.

      Diese Espionnage langweilte den edeln Grafen; er wurde gegen die mächtige Schöne öffentlich kaltsinnig und abstoßend. Mit der Vertrauten seiner Jugend erlaubte er sich über die kühnen Verfolgungen der Gräfin zu spotten. Damals war man an den Höfen nicht so zart wie heutzutage, die Anspielungen, die Scherze, die Kritik der Sitte, Alles trug den Stempel der Moliereschen Lustspielmanier; die kleinen scandalösen Verse, die damals keusche, ja sogar strenge Frauen machten, würde heut zutage kaum ein von der Moral aufgegebener Dichter zu machen wagen. In welchem Styl und Geschmack sind die Briefe der Herzogin von Orleans geschrieben! Feinheit und Discretion waren zudem ganz und gar nicht Königsmarks Sache, der nach Dresden zum Carneval reiste und dort bei Hofe die scabrösen Anekdötchen zum Besten gab, die in Hanover auf Kosten der Gräfin in Umlauf waren.

      Ein beim Weinglase plaudernder Cavalier, angefeuert durch einen lauschenden und Beifall klatschenden Damenchor, ist eben so wenig in den Grenzen zu halten, als der beutemachende glückliche Krieger auf dem Schlachtfelde. Die Anekdoten wurden immer schwunghafter, die Geschichtchen immer brillanter, und – die Gräfin in Hanover erfuhr Alles. Jetzt kam ihre Medeanatur an den Tag. Das Lustspiel ist aus, die Tragödie fängt an. Der Prinzessin und des Grafen Untergang war beschlossen. Wenn man die Briefe liest, die von dem Vorfall handeln, den wir jetzt in wenigen Worten erzählen wollen, und welche die unglückliche Aurora gesammelt und aufbewahrt hat, so starrt man wie vor einem Medusenhaupt zurück vor der wilden, raffinirten Rache, die die Beleidigte nahm. Es kommen Ausdrücke in diesen Briefen vor, die das Herz erbeben machen, und nicht Worte allein, Thaten, ekelhafte, empörende Grausamkeiten finden sich, wie sie der Kannibale gegen seine Opfer nicht scheußlicher auszuüben vermag, und jene Worte und diese Thaten spricht und vollbringt ein Weib!

      Eines Abends schreibt der Secretär des jungen Grafen an Aurora und meldet ihr bestürzt und bekümmert, daß dies nun schon die dritte Nacht sei, die herankomme, ohne daß er Nachrichten von seinem jungen Gebieter habe, der ausgegangen sei und nicht zurückkehre. Er habe einen Gang in's Schloß machen wollen und sei nicht heimgekommen. Jetzt folgen Briefe auf Briefe, die immer dasselbe sagen. Der Graf kommt nicht zurück, er ist nirgends gesehen worden, er ist verschwunden, wie in die Erde gesunken, Niemand weiß von ihm. Die Hoflakaien haben ihn in einen Corridor gehen sehen; Einer will ihn in einem hellen Mantel auf dem Wege zu den Zimmern der Prinzessin gesehen haben. Zwischen jenem Corridor und diesen Gemächern liegt eine alte Halle, die früher zur Aufbewahrung von Waffen gedient; aus diesem düstern Raume hat man ihn nicht wiederkommen sehen. Nach anderen Nachrichten, die ein zur Nachtzeit über den Hof eilender Page mitgetheilt, ist auf den oberen Galerien in später Stunde ein Mann in hellem Mantel von zwei bewaffneten Häschern mit Blendlaternen in den östlichen Thurm geführt worden. Wieder andere Stimmen versichern flüsternd, der Graf habe nach der Oper einen Besuch bei der Prinzessin abgestattet und sei, auf dem Ruhebette derselben sitzend, von fünf Vermummten ergriffen, geknebelt und fortgeschleppt worden, während die Damen der Prinzessin und diese selbst in Ohnmacht gefallen. Von alle dem ist nichts als sicher ermittelt worden.

      Lange Zeit glaubten auch die Zeitgenossen nicht an den Mord. Hier und da tauchte ein Graf Königsmark auf, bald in der zerlumpten Kleidung eines verfolgten Flüchtlings, bald in fremder Uniform; ja sogar in der Türkei, im Dienste des Sultans, wollte man jenen Unglücklichen wiedergefunden haben, der auf so räthselhafte Weise verschwunden war. Die armen Schwestern litten dabei sehr, wie man sich denken kann. Immer wieder hoffend, wurden sie immer wieder getäuscht. Oft drangen Betrüger sogar in ihre Vorzimmer und erpreßten Geld, indem sie die edelsten Schwestergefühle brandschatzten. Endlich schließt Aurora, müde dieser ewigen Täuschungen, ihre geheimen Acten.

      Aus

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