Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol страница 38

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol

Скачать книгу

Mein Großvater machte keine großen Vorbereitungen: er nähte den Brief in seine Mütze ein, schmatzte seine Frau und seine zwei Ferkel, wie er sie selbst nannte, ab, von denen der eine vielleicht mein Vater war, und wirbelte solchen Staub auf, als ob fünfzehn Burschen mitten auf der Straße Fangball spielten. Am anderen Tage, als der Hahn noch nicht zum vierten Male gekräht hatte, war mein Großvater schon in Konotop. Dort war gerade Jahrmarkt: auf den Straßen trieb sich so viel Volk herum, daß es vor den Augen flimmerte. Da es aber noch sehr früh war, schlief noch alles auf der Erde hingestreckt. Neben einer Kuh lag ein besoffener Bursche mit einer Nase so rot wie ein Gimpel; etwas weiter schnarchte sitzend eine Händlerin mit Feuersteinen, Waschblau, Schrot und Brezeln; unter einem Wagen lag ein Zigeuner; auf einem Wagen mit Fischen – ein Fuhrmann; mitten auf der Straße lag mit gespreizten Beinen ein bärtiger Moskowiter mit Gürteln und Fausthandschuhen … mit einem Worte, jegliches Gesindel, wie man es auf jedem Jahrmarkt trifft. Der Großvater machte halt, um sich alles genau anzusehen. In den Buden wurde es indes allmählich lebendig: die Jüdinnen klapperten mit ihren Flaschen, hie und da stieg Rauch in Ringen empor, und der Geruch von heißen Puffern zog über das ganze Lager. Dem Großvater fiel es plötzlich ein, daß er weder ein Feuerzeug noch Tabak vorrätig hatte; so fing er an, sich auf dem Jahrmarkte herumzutreiben. Er war noch keine zwanzig Schritte weit gegangen, als ihm ein Saporoger entgegenkam. Ein Bummler, das sieht man ihm schon am Gesicht an! Feuerrote Pluderhosen, ein blauer Rock, ein grellfarbiger Gürtel, ein Säbel an der Hüfte und eine Pfeife an einer Messingkette, die bis zu den Fersen herunterhängt – mit einem Worte ein richtiger Saporoger! Ach, ist das ein Völkchen! Der richtet sich auf, streicht sich den kühnen Schnurrbart, läßt die Hufeisen erklirren, und es geht los! Und wie: die Füße tanzen wie die Spindel in Weiberhänden; wie ein Wirbelwind saust seine Hand durch alle Saiten der Leier, und gleich stemmt er sie in die Hüften, kauert nieder und richtet sich wieder auf, und wirbelt im Tanze, und sein Lied fließt dahin – seine Seele frohlockt! … Nein, diese Zeit ist vorbei, man bekommt keinen Saporoger mehr zu sehen! Ja. So trafen sie sich, ein Wort gab das andere, und die Bekanntschaft war schnell gemacht. Sie redeten und redeten, und mein Großvater hatte seine Reise schon ganz vergessen. Es ging ein Saufen los wie auf einer Hochzeit vor den großen Fasten. Aber sie bekamen es schließlich satt, Töpfe entzweizuschlagen und Geld unter das Volk zu werfen, auch kann man doch nicht ewig auf dem Jahrmarkte bleiben! So verabredeten die neuen Freunde, sich nicht mehr zu trennen und die Reise gemeinsam fortzusetzen. Es war schon längst gegen Abend, als sie in die freie Steppe hinausritten. Die Sonne hatte sich schon zur Ruhe begeben; hie und da glühten noch statt ihrer rötliche Streifen; die Wiesen leuchteten bunt wie die Feiertagsröcke schwarzbrauiger junger Weiber. Unser Saporoger kam furchtbar ins Schwatzen. Mein Großvater und noch ein lustiger Patron, der sich zu ihnen gesellt hatte, glaubten schon, daß er vom Teufel besessen sei. Wo nahm er bloß all das Zeug her, alle die wunderlichen Geschichten und Schnurren, daß mein Großvater sich die Seiten halten mußte und ihm vor Lachen beinahe der Bauch zersprang?! Aber in der Steppe wurde es immer finsterer, und auch die Rede des Burschen wurde immer unzusammenhängender. Endlich verstummte unser Erzähler ganz und begann beim geringsten Geräusch zu zittern.

      »He, he, Landsmann! Du scheinst mir wirklich die Eulen zu zählen. Sehnst du dich gar nicht nach deinem Hause und nach dem Ofen?«

      »Vor euch will ich nichts verheimlichen«, sagte er, plötzlich stehenbleibend und sie unverwandt anstarrend. »Wißt ihr denn auch, daß ich meine Seele schon längst dem Bösen verschrieben habe?«

      »Als ob es ein Wunder wäre! Wer hat nicht schon mit dem Bösen zu tun gehabt? In solchen Fällen muß man auch bummeln, daß es nur so kracht!«

      »Ach, Burschen, ich möchte schon bummeln, aber heute nacht läuft der Termin ab! Brüder«, sagte er und packte ihre Hände, »gebt mich nicht preis! Durchwacht diese eine Nacht! Mein Lebtag werde ich euch den Freundschaftsdienst nicht vergessen!«

      Warum soll man einem Menschen in solcher Not nicht helfen? Mein Großvater sagte ihm geradeheraus, er würde sich eher seinen Kosakenschopf abscheren lassen, als dulden, daß der Teufel mit seiner Hundeschnauze eine Christenseele beschnüffelt.

      Unsere Kosaken wären vielleicht noch weiter geritten, aber der Himmel verdunkelte sich plötzlich so, als wäre er mit einem schwarzen Tuche bedeckt, und auf der Steppe wurde es ebenso finster wie unter einem Schafspelze. In der Ferne blinkte ein Lichtschein, und die Pferde, die die nahe Krippe witterten, eilten vorwärts, die Ohren spitzend und die Augen in die Finsternis bohrend. Der Lichtschein schien ihnen entgegenzueilen, und vor den Kosaken tauchte eine Schenke auf, die so schief stand wie ein Weib auf dem Heimwege von einer lustigen Taufe. Um jene Zeit waren die Schenken ganz anders als jetzt. Man hatte nicht nur keinen Platz, um seine Glieder im Tanze zu recken, man konnte sich nicht mal hinlegen, wenn man einen Rausch hatte und die Füße wunderliche Kringel auf dem Boden beschrieben. Der ganze Hof war mit Frachtwagen vollgepfropft, unter den Dachvorsprüngen, in den Krippen, im Flur schnarchten die Menschen wie die Kater, die einen zusammengekrümmt, die anderen ausgestreckt. Der Schenkwirt saß allein vor einem Lichte und schnitt Kerben in einen Stock, welche besagten, wieviel Quart und halbe Quart die Fuhrleute gesoffen hatten. Mein Großvater ließ sich ein Drittel Eimer Schnaps für alle drei geben und ging in die Scheune. Alle drei legten sich nebeneinander hin. Er hatte sich noch nicht mal umgedreht, als er sah, daß seine Landsleute schon schliefen. Mein Großvater weckte den dritten Kosaken, der sich zu ihnen gesellt hatte, und erinnerte ihn an das Versprechen, das sie dem Kameraden gegeben hatten. Jener richtete sich halb auf, rieb sich die Augen und schlief wieder ein. Es war nichts zu machen, mein Großvater mußte nun allein wachen. Um den Schlaf irgendwie zu verscheuchen, sah er sich alle Wagen an, ging zu den Pferden, steckte sich seine Pfeife an, kam zurück und setzte sich neben die Seinen. Alles war still, nicht mal eine Fliege hörte man summen. Plötzlich war es ihm, als wenn hinter dem nächsten Wagen etwas Graues die Hörner zeige … Da begannen aber seine Augen zuzufallen, so daß er sie mit den Fäusten reiben und mit dem noch übriggebliebenen Schnaps waschen mußte. Sobald sie etwas klarer wurden, verschwand alles wieder. Schließlich zeigte sich nach einer Weile das Ungeheuer wieder hinter dem Wagen… Mein Großvater riß die Augen auf, so weit er konnte; aber die verdammte Schläfrigkeit hüllte alles vor ihm in einen Nebel; seine Arme erstarrten, der Kopf sank auf die Brust, und ihn übermannte ein so fester Schlaf, daß er wie tot umfiel. Lange schlief der Großvater; erst als die Sonne ihm ordentlich auf den rasierten Scheitel brannte, sprang er auf die Beine. Nachdem er sich zweimal gestreckt und sich den Rücken gekratzt hatte, merkte er, daß schon nicht mehr so viele Wagen dastanden wie gestern. Die Fuhrleute waren wohl vor Tagesanbruch weggefahren. Er schaut nach den Seinen: der Kosak schläft, der Saporoger ist aber weg. Er fängt zu fragen an, aber niemand weiß was; nur sein Kittel liegt noch auf dem Platz. Meinen Großvater packte die Angst, und er wurde nachdenklich. Er sah nach den Pferden – keines war mehr da, weder das seine noch das des Saporogers! Was mochte das bedeuten? Wenn den Saporoger der Teufel geholt hat, wer hat dann die Pferde genommen? Nachdem er sich das alles überlegt hatte, kam er zum Schluß, daß der Teufel wohl zu Fuß gekommen sei, da es aber zur Hölle gar nicht so nahe wäre, so hätte er auch sein Pferd gestohlen. Es tat ihm sehr weh, daß er sein Kosakenwort nicht gehalten hatte.

      – Nichts zu machen –, sagte er sich, – ich geh’ zu Fuß weiter: vielleicht treffe ich unterwegs einen Pferdehändler, der vom Jahrmarkt fährt, dann kaufe ich mir ein Pferd. – Wie er aber nach seiner Mütze greift, so ist auch die Mütze weg. Der selige Großvater schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, denn es fiel ihm ein, daß er gestern mit dem Saporoger die Mütze vertauscht hatte. Wer kann sie gestohlen haben, wenn nicht der Teufel! Einen schönen Lohn kriegt er vom Hetman! Schön hat er den Brief an die Zarin besorgt! Nun fing mein Großvater an, den Teufel mit solchen Namen zu traktieren, daß der in seiner Hölle wohl mehr als einmal niesen mußte. Aber das Schimpfen nützt wenig; und soviel sich der Großvater auch den Nacken kratzte, er konnte sich nichts ausdenken. Was war da zu machen? Nun wandte er sich an fremden Verstand: er versammelte alle guten Leute, alle Fuhrleute und Durchreisenden, die in der Schenke waren, und erzählte ihnen, was für ein Unglück ihm zugestoßen sei. Die Fuhrleute dachten lange nach, das Kinn auf die Peitschenstiele gestützt, schüttelten die Köpfe und sagten, sie hätten noch nie in der Christenwelt

Скачать книгу