Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol
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»He, he, Landsmann! Du scheinst mir wirklich die Eulen zu zählen. Sehnst du dich gar nicht nach deinem Hause und nach dem Ofen?«
»Vor euch will ich nichts verheimlichen«, sagte er, plötzlich stehenbleibend und sie unverwandt anstarrend. »Wißt ihr denn auch, daß ich meine Seele schon längst dem Bösen verschrieben habe?«
»Als ob es ein Wunder wäre! Wer hat nicht schon mit dem Bösen zu tun gehabt? In solchen Fällen muß man auch bummeln, daß es nur so kracht!«
»Ach, Burschen, ich möchte schon bummeln, aber heute nacht läuft der Termin ab! Brüder«, sagte er und packte ihre Hände, »gebt mich nicht preis! Durchwacht diese eine Nacht! Mein Lebtag werde ich euch den Freundschaftsdienst nicht vergessen!«
Warum soll man einem Menschen in solcher Not nicht helfen? Mein Großvater sagte ihm geradeheraus, er würde sich eher seinen Kosakenschopf abscheren lassen, als dulden, daß der Teufel mit seiner Hundeschnauze eine Christenseele beschnüffelt.
Unsere Kosaken wären vielleicht noch weiter geritten, aber der Himmel verdunkelte sich plötzlich so, als wäre er mit einem schwarzen Tuche bedeckt, und auf der Steppe wurde es ebenso finster wie unter einem Schafspelze. In der Ferne blinkte ein Lichtschein, und die Pferde, die die nahe Krippe witterten, eilten vorwärts, die Ohren spitzend und die Augen in die Finsternis bohrend. Der Lichtschein schien ihnen entgegenzueilen, und vor den Kosaken tauchte eine Schenke auf, die so schief stand wie ein Weib auf dem Heimwege von einer lustigen Taufe. Um jene Zeit waren die Schenken ganz anders als jetzt. Man hatte nicht nur keinen Platz, um seine Glieder im Tanze zu recken, man konnte sich nicht mal hinlegen, wenn man einen Rausch hatte und die Füße wunderliche Kringel auf dem Boden beschrieben. Der ganze Hof war mit Frachtwagen vollgepfropft, unter den Dachvorsprüngen, in den Krippen, im Flur schnarchten die Menschen wie die Kater, die einen zusammengekrümmt, die anderen ausgestreckt. Der Schenkwirt saß allein vor einem Lichte und schnitt Kerben in einen Stock, welche besagten, wieviel Quart und halbe Quart die Fuhrleute gesoffen hatten. Mein Großvater ließ sich ein Drittel Eimer Schnaps für alle drei geben und ging in die Scheune. Alle drei legten sich nebeneinander hin. Er hatte sich noch nicht mal umgedreht, als er sah, daß seine Landsleute schon schliefen. Mein Großvater weckte den dritten Kosaken, der sich zu ihnen gesellt hatte, und erinnerte ihn an das Versprechen, das sie dem Kameraden gegeben hatten. Jener richtete sich halb auf, rieb sich die Augen und schlief wieder ein. Es war nichts zu machen, mein Großvater mußte nun allein wachen. Um den Schlaf irgendwie zu verscheuchen, sah er sich alle Wagen an, ging zu den Pferden, steckte sich seine Pfeife an, kam zurück und setzte sich neben die Seinen. Alles war still, nicht mal eine Fliege hörte man summen. Plötzlich war es ihm, als wenn hinter dem nächsten Wagen etwas Graues die Hörner zeige … Da begannen aber seine Augen zuzufallen, so daß er sie mit den Fäusten reiben und mit dem noch übriggebliebenen Schnaps waschen mußte. Sobald sie etwas klarer wurden, verschwand alles wieder. Schließlich zeigte sich nach einer Weile das Ungeheuer wieder hinter dem Wagen… Mein Großvater riß die Augen auf, so weit er konnte; aber die verdammte Schläfrigkeit hüllte alles vor ihm in einen Nebel; seine Arme erstarrten, der Kopf sank auf die Brust, und ihn übermannte ein so fester Schlaf, daß er wie tot umfiel. Lange schlief der Großvater; erst als die Sonne ihm ordentlich auf den rasierten Scheitel brannte, sprang er auf die Beine. Nachdem er sich zweimal gestreckt und sich den Rücken gekratzt hatte, merkte er, daß schon nicht mehr so viele Wagen dastanden wie gestern. Die Fuhrleute waren wohl vor Tagesanbruch weggefahren. Er schaut nach den Seinen: der Kosak schläft, der Saporoger ist aber weg. Er fängt zu fragen an, aber niemand weiß was; nur sein Kittel liegt noch auf dem Platz. Meinen Großvater packte die Angst, und er wurde nachdenklich. Er sah nach den Pferden – keines war mehr da, weder das seine noch das des Saporogers! Was mochte das bedeuten? Wenn den Saporoger der Teufel geholt hat, wer hat dann die Pferde genommen? Nachdem er sich das alles überlegt hatte, kam er zum Schluß, daß der Teufel wohl zu Fuß gekommen sei, da es aber zur Hölle gar nicht so nahe wäre, so hätte er auch sein Pferd gestohlen. Es tat ihm sehr weh, daß er sein Kosakenwort nicht gehalten hatte.
– Nichts zu machen –, sagte er sich, – ich geh’ zu Fuß weiter: vielleicht treffe ich unterwegs einen Pferdehändler, der vom Jahrmarkt fährt, dann kaufe ich mir ein Pferd. – Wie er aber nach seiner Mütze greift, so ist auch die Mütze weg. Der selige Großvater schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, denn es fiel ihm ein, daß er gestern mit dem Saporoger die Mütze vertauscht hatte. Wer kann sie gestohlen haben, wenn nicht der Teufel! Einen schönen Lohn kriegt er vom Hetman! Schön hat er den Brief an die Zarin besorgt! Nun fing mein Großvater an, den Teufel mit solchen Namen zu traktieren, daß der in seiner Hölle wohl mehr als einmal niesen mußte. Aber das Schimpfen nützt wenig; und soviel sich der Großvater auch den Nacken kratzte, er konnte sich nichts ausdenken. Was war da zu machen? Nun wandte er sich an fremden Verstand: er versammelte alle guten Leute, alle Fuhrleute und Durchreisenden, die in der Schenke waren, und erzählte ihnen, was für ein Unglück ihm zugestoßen sei. Die Fuhrleute dachten lange nach, das Kinn auf die Peitschenstiele gestützt, schüttelten die Köpfe und sagten, sie hätten noch nie in der Christenwelt