Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch. Arthur Conan Doyle

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Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle

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den Menschen aus, wie die Tonkunst. – Aber, was ist unterdessen mit Ihnen geschehen, Watson? Sie sehen schrecklich angegriffen aus. Hat die Geschichte in der Brixtonstraße Sie aus dem Gleichgewicht gebracht?«

      »Wahrhaftig, ja – mehr als ich für möglich gehalten hätte. Seit meinen Erlebnissen in Afghanistan, wo ich meine Kameraden in Stücke hauen sah, glaubte ich weniger schwach besaitet zu sein.«

      »Derartige rätselhafte Vorgänge erhitzen die Einbildungskraft und erzeugen ein leicht erklärliches Grauen,« meinte Holmes. »In der Abendzeitung steht ein ziemlich ausführlicher Bericht über die Begebenheit, doch freut mich, daß der gefundene Trauring nicht erwähnt wird.«

      »Wieso?«

      »Wegen der Anzeige, die ich heute abend in sämtliche Zeitungen habe einrücken lassen. Hier, lesen Sie.«

      Er reichte mir das Blatt und unter der Rubrik ›Gefunden‹ las ich folgendes:

      »Ein einfacher, goldener Trauring ist heute früh auf der Brixtonstraße zwischen dem Gasthaus zum ›Weißen Hirsch‹ und dem Holland-Hain gefunden worden. Zu erfragen bei Dr. Watson, Bakerstraße 221 d. zwischen 8 und 9 Uhr abends.«

      »Sie entschuldigen wohl, daß ich auf Ihren Namen verwiesen habe! Hätte ich meinen eigenen genannt, ich wäre vor der Einmischung des einen oder andern unserer professionellen Dummköpfe nicht sicher gewesen.«

      »Wie aber, wenn der Eigentümer sich meldet? Ich habe keinen Ring, den ich ihm geben könnte.« »Dafür ist schon gesorgt,« sagte er, mir einen Ring einhändigend. »Er gleicht dem andern auf ein Haar und wird dieselben Dienste thun.«

      »Wer wird sich denn auf die Anzeige hin melden – was glauben Sie?«

      »Natürlich der Mann mit dem braunen Ueberrock – unser Freund mit dem roten Gesicht und dem groben Schuhwerk. Kommt er nicht selbst, so schickt er einen Spießgesellen.«

      »Sollte er nicht Gefahr wittern?«

      »Bewahre. Und wenn auch – meiner Ansicht nach würde er jeder Gefahr trotzen, um den Ring wieder zu bekommen. Ich denke mir, er hat ihn verloren, während er sich über Drebbers Leichnam beugte, und es nicht gleich bemerkt. Erst als er draußen war, entdeckte er seinen Verlust, und eilte zurück. Da er aber die Thorheit begangen hatte, das Licht brennen zu lassen, fand er die Polizei bereits an Ort und Stelle. Um keinen Argwohn zu erregen, verfiel er auf den Ausweg, sich betrunken zu stellen. Nun versetzen Sie sich einmal in seine Lage. Er überlegt sich die Sache und hält es nicht für unmöglich, daß er den Ring erst verloren hat, nachdem er wieder auf der Straße angelangt war. Was ist natürlicher, als daß er sich in den Abendblättern nach den gefundenen Sachen umsieht – er liest unsere Anzeige und ist überglücklich. Warum sollte er fürchten, in eine Falle zu geraten? Er hat nicht den geringsten Grund, anzunehmen, daß der Verlust des Rings in Beziehung zu dem Mord gebracht werden könnte, und wird sein Eigentum abholen wollen. Noch vor Ablauf einer Stunde kann er hier sein.«

      »Und dann?«

      »Dann lassen Sie mich nur mit ihm verhandeln – das ist meine Sache. – Sind Sie mit Waffen versehen?«

      »Ich habe noch einen alten Revolver und einige Patronen.«

      »Putzen und laden Sie ihn auf alle Fälle; wir haben es mit einem verzweifelten Menschen zu thun. Zwar hoffe ich, ihn zu überrumpeln, aber es ist immer besser, vorbereitet zu sein.«

      Ich ging in mein Schlafzimmer und folgte seinem Rat. Als ich mit der Pistole in der Hand wieder eintrat, fand ich Holmes bei seiner Lieblingsbeschäftigung – er kratzte auf der Geige.

      »Das Netz zieht sich zusammen,« sagte er; »eben erhalte ich aus Amerika eine Antwort auf mein Telegramm. Meine Ansicht über den Fall war ganz richtig.«

      »Ja, was denken Sie denn eigentlich darüber?« fragte ich eifrig.

      Er schien es zu überhören. »Ich muß wirklich meine Violine mit neuen Saiten beziehen,« murmelte er vor sich hin. »Wenn der Mensch kommt,« fuhr er gelassen fort, »so sprechen Sie mit ihm in Ihrem ganz gewöhnlichen Ton; sehen Sie ihn auch nicht forschend an, damit er keinen Verdacht schöpft.«

      »Es ist schon acht vorbei,« sagte ich, meine Uhr herausziehend.

      »In wenigen Minuten wird er wohl hier sein. Oeffnen Sie die Thür ein wenig und stecken Sie den Schlüssel inwendig ins Schlüsselloch. Danke sehr – jetzt kann er kommen. Ich glaube gar, da ist er schon.«

      Draußen wurde stark an der Klingel gezogen, Sherlock Holmes stand geräuschlos auf und schob seinen Stuhl näher nach der Thüre hin. Wir hörten die Dienerin durch den Vorsaal gehen und die Hausthür öffnen.

      »Wohnt Doktor Watson hier?« fragte eine laute, etwas scharfe Stimme; dann ward die Thür geschlossen, und es kam jemand mit schlürfendem Gang die Treppe herauf. Verwundert horchte mein Gefährte auf den langsamen, unsichern Schritt im Korridor; nun wurde leise angeklopft.

      »Herein!« rief ich.

      Die Thüre ging auf und statt des gewaltthätigen Menschen, den wir erwarteten, hinkte ein runzliges, altes Mütterchen ins Zimmer, das, wie von dem plötzlichen Lichtschein geblendet, uns mit matten; glanzlosen Augen anblinzelte.

      Während die Alte stumm vor uns stand, und mit den zitternden Fingern ängstlich in ihrer Tasche nach etwas zu suchen schien, nahm das Gesicht meines Gefährten einen so trostlosen Ausdruck an, daß ich Mühe hatte, meine Fassung zu bewahren. Jetzt zog sie ein Zeitungsblatt heraus und deutete auf unsere Anzeige.

      »Deswegen komme ich, werte Herren,« sagte sie mit einem tiefen Knix, »der goldene Trauring in der Brixtonstraße gehört meiner Tochter Sally; erst seit elf Monaten ist sie verheiratet und wenn ihr Mann nach Hause kommt – er ist nämlich Proviantmeister auf einem Uniondampfer – und sie hat ihren Ring nicht mehr, da giebt’s ein Donnerwetter. Schon an guten Tagen ist er sehr kurz angebunden, besonders wenn er getrunken hat. Das kam nämlich so: gestern abend war sie im Zirkus mit –«

      »Ist das der verlorene Ring?« fragte ich.

      »Unser Herrgott sei gepriesen,« rief die Alte. »Wie wird sich Sally freuen. Ja, das ist ihr Ring.«

      Ich griff nach einem Bleistift: »Wo wohnen Sie?«

      »In Houndsditch, Dunkanstraße 13. Ein weiter Weg von hier.«

      »Wenn man von Houndsditch in den Zirkus will, kommt man nicht durch die Brixtonstraße,« mischte sich hier Sherlock Holmes in das Gespräch.

      Die Alte warf ihm einen scharfen Blick aus ihren kleinen, rotgeränderten Augen zu. »Der Herr hat mich nach meiner Adresse gefragt. Sally wohnt in Peckham auf dem Mayfield-Platz Nummer 3.«

      »Und Sie heißen? –«

      »Mein Name ist Sawyer, – sie heißt Dennis weil sie Tom Dennis geheiratet hat. Ein wackerer, sauberer Bursche, solange er auf See ist; kein Proviantmeister gilt mehr bei den Herren von der Dampfschiffsgesellschaft. Aber, kommt er ans Land, so thun’s ihm die Weiber an und die Branntweinschenken und –«

      »Hier ist Ihr Ring, Frau Sawyer,« unterbrach ich sie auf ein Zeichen meines Freundes; »er gehört ohne Zweifel Ihrer Tochter, und ich freue mich, ihn der rechtmäßigen Eigentümerin zustellen zu können.«

      Allerlei

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