Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Silje zog den schicken Pelzmantel an, drückte das kecke Mützchen auf die schimmernden Locken und schritt dann an der Seite des Seniors über das weite Fabrikgelände dem Herrenhaus zu, das, abgegrenzt von einem Park, sehr vornehm und feudal dalag. Er hatte sein Elternhaus umbauen und vergrößern lassen, der Herr vom Ganzen. Genauso wie die beiden Fabriken, die zusammen ein stolzes Werk bildeten.
Neben dem Hünen wirkte Silje Berledes wie ein Püppchen.
Das ungleiche Paar ging flott dahin und wurde von Thea, die im Speisezimmer am Fenster stand, bemerkt. Nicht, daß der Vater mit dem ihr unsympathischen Mädchen Seite an Seite schritt, regte sie auf, sondern der kostbare Pelzmantel, den dieses Mädchen trug.
»Kommt doch rasch mal her!« rief sie hastig ins Zimmer, wo auch Mutter, Schwägerin und Bruder sich bereits eingefunden hatten …
Neugierig trat man näher, und Eike fragte verwundert: »Na und, was ist da wohl Aufregendes zu sehen? Etwa, daß zwei Menschen aus einer Familie so einträchtig nebeneinander hergehen?«
»Das meine ich doch nicht«, winkte sie ungeduldig ab. »Was mir auffällt, das ist der schicke Pelz. Den hat Papa diesem fremden Mädchen sicherlich zu Weihnachten geschenkt. Und wo ich doch so nötig einen Mantel brauche!«
»Oh, du Arme!« spottete Ilona. »Es ist schade, daß deine naseweise Tochter nicht hier ist und alles mit angehört hat. Die würde das Fräulein bestimmt nach dem Spender der kostspieligen Angelegenheit fragen.«
»Du bist abscheulich!« fuhr die Schwägerin empört auf, und die Mutter hob flehend beide Hände.
»Kinder, ich bitte euch, laßt doch den Streit, der ja gar nicht mehr abbricht, seitdem Fräulein Berledes im Hause ist! Vater hat ihr den Mantel bestimmt nicht geschenkt, das nehme ich eher von Philchen an …«
»Stimmt«, bemerkte der Hausherr ironisch, der soeben eintrat und die letzten Worte gehört hatte. »Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß der Pelz deine Mißgunst erweckt hat, meine Tochter Thea …«
Weiter kam er nicht, da jetzt Philchen und Silje eintraten. Außerdem noch eine junge Lehrerin, die jeden Tag ins Haus kam, um Anka zu unterrichten. Sie nahm nur am Mittagsmahl teil, dann fuhr sie auf dem Rad ins nächste Dorf, wo ihr Vater Lehrer war, dem sie am Nachmittag beim Unterrichten seiner Schüler half.
Das Mahl verlief ungemütlich wie gewöhnlich. Das ging nun mal nicht anders in dieser Familie, wo es ebenso viele Köpfe wie Sinne gab. Es fehlte die Harmonie, die ein Familienleben traut und behaglich macht.
Silje waren diese Mahlzeiten gräßlich. Viel lieber hätte sie mit den anderen Angestellten zusammen in der Werkkantine gegessen, aber das hätte ihr Vormund nie zugegeben, und Philchen auch nicht. Also durfte Sie ihnen damit erst gar nicht kommen. Sie gehörte hier zur Familie, und damit holla!
Die Hausherrin fürchtete Silje auch gar nicht, die war stets freundlich zu ihr, und der Junior schien sie kaum zu bemerken. Aber Thea mit ihren scheelen Blicken, und Ilona mit ihrer Nichtachtung, die waren ihr höchst unangenehm.
Sollte das etwa immer so weitergehen, monatelang, womöglich sogar jahrelang? Ach, darüber wollte sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Sie hatte ja den Vormund, der stets für sie eintrat, und dann vor allen Dingen ihr vielgeliebtes Philchen, das ihr wie ein Fels in der Brandung erschien. Und dieser Fels war hart genug, um auch die giftigsten Pfeile an sich abprallen zu lassen.
*
Grau lag der Morgen über dem traulichen Gemach, in dem Philchen, deren zierliche Figur ein flauschiger Morgenrock umbauschte, geschäftig hin und her huschte. Mit spitzbübischem Lächeln gab sie sich einer Tätigkeit hin, die ihr viel Freude machte. Dann ging sie auf leisen Sohlen durch die weit geöffnete Flügeltür in das Nebenzimmer, zog dort die Jalousien hoch und trat an das Bett der holden Schläferin.
»Heraus aus den Federn, der Hahn hat gekräht!« sang sie lustig und sah dabei lachend zu, wie das junge Menschenkind unter den langen, seidigen Wimpern hervorblinzelte, den ranken Körper dehnte und streckte.
»Ach, Philchen, ist es schon wieder so weit? Ich bin ja noch sooo müde!«
»Sieht dir ähnlich, du kleine Schlafmütze. Aber nichts da! Ermuntere deinen schwachen Geist, der vor neunzehn Jahren noch von Düsternis umfangen ward. Erst Stunden später wurde es Licht …«
»Um meine kleine Wenigkeit«, lachte Silje, nun vollständig munter, in die salbungsvolle Rede hinein. »Und was soll nun geschehen?«
»Aufstehen sollst du, eine Stunde früher als sonst an deinem Ehrentag.«
Silje tat’s. Und als sie später frisch gewaschen dastand, zog Philchen sie in ihr behagliches Wohnzimmer, wo auf dem Tisch neunzehn Kerzen lustig flackerten und das große Lebenslicht verheißungsvoll leuchtete. Und was außerdem noch auf dem Tisch vorhanden war, ließ die Augen des Geburtstagskindes strahlen.
Und mit Recht. Denn diese Festtoilette mit allem Drum und Dran konnte schon ein Jungmädchenherz höher schlagen lassen!
»Oh, Philchen, soll das etwa für mich sein?«
»Na, für mich doch nicht, du kleines Schaf! Damit sollst du dich schmücken und die weiblichen Wesen ausstechen, die sich in diesem gastlichen Hause heute zur Silvesterfeier zusammenfinden werden. Da wird sich mein Bruder freuen – und die anderen sollen vor Neid platzen!«
»Netter Wunsch!« lachte Silje hellauf, umarmte das gute Philchen und stattete stürmischen Dank ab.
»Na also«, schmunzelte das Altjüngferlein, als es wieder frei atmen konnte. »Und nun wollen wir in aller Ruhe unser Frühstück einnehmen. Darum habe ich dich so früh aus den Federn geholt.
Halt, zuerst muß ich dir ja wohl gratulieren. Komm her, du wonniges kleines Stückchen Mensch, alles Glück sei dir beschieden. Mehr weiß ich nicht…«
Damit wandte sie sich hastig ab, weil ihr die Augen feucht wurden. Und so was war dem couragierten Philchen immer sehr unangenehm. –
Wenig später frühstückte man an dem runden Tisch in Philchens Wohnzimmer, wie man es täglich zu tun pflegte. Doch heute tat man es geruhsamer, und der Strauß herrlicher Nelken gab dem Tisch ein festliches Aussehen. Außerdem stand ein Napfkuchen da, den Silje so gern aß.
»Lang nur tüchtig zu«, ermunterte Philchen. »So gut bekommst du ihn unten nicht.«
»So wissen sie, daß ich heute Geburtstag habe?«
»Keine Angst, es ist ihnen unbekannt. Aber heute steigt der gemeinsame Nachmittagskaffee, weil am Silvestertag im Werk mittags Schluß gemacht wird.«
»Gräßlich!« seufzte das Mädchen. »Und am Abend, was steigt da?«
Die Silvesterfeier im Kreise von Gästen, die aus Tradition geladen werden.«
»Und wer sind die? Orientiere mich bitte ein wenig, damit ich nachher nicht zu dumm dastehe.«
»Na schön. Da ist erst mal das Ehepaar Seifling, das seinen Namen zu recht trägt, denn er ist Seifenfabrikant. Der Sohn Manfred, zärtlich von den vernarrten Eltern Mannerchen genannt, ist bestimmt kein Adonis, glaubt diesen jedoch noch zu übertrumpfen.
Dann