Gesammelte Werke. Джек Лондон
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»Der Chinook«, sagte Daw.
»Das heißt, denke ich, dass der Weg auf dem Fluss gefährdet ist?«
»Ganz recht. Und zehn Meilen auf dem Fluss sind leichter als eine Meile über die Berge.« Daw blickte Linday eine lange Minute prüfend an. »Wir hätten noch genau fünfzehn Stunden zu gehen«, rief er mit einer Stimme, die den Wind überschrie. Er wartete einen Augenblick auf Antwort. Dann sagte er schließlich: »Doktor – machen Sie mit?«
Statt zu antworten, klopfte Linday seine Pfeife aus und begann sich die dampfenden Mokassins anzuziehen. Es dauerte nur wenige Minuten, so hatten sie, unter dem Druck des Sturmes gebeugt, die Hunde angeschirrt, das Lager abgebrochen und das Kochgerät und die unbenutzten Schlafsäcke auf dem Schlitten verstaut. Dann bogen sie in der Dunkelheit auf den Weg ein, den Daw vor fast einer Woche getreten hatte. Sie hatten eine lange nächtliche Wanderung vor sich. Und immerfort hörten sie den Chinook brüllen und hetzten die müden Hunde und spornten ihre eigenen erschöpften Muskeln an. Zwölf Stunden hielten sie durch. Dann machten sie halt und frühstückten, nachdem sie vierundzwanzig Stunden lang ununterbrochen auf den Beinen gewesen waren.
»Eine Stunde können wir schlafen«, sagte Daw, nachdem sie dicke Streifen Elchfleisch, die mit Räucherspeck gebraten waren, pfundweise verzehrt hatten.
Er ließ seinen Begleiter zwei Stunden schlafen, selbst fürchtete er sich, die Augen zu schließen. Er hielt sich wach, indem er in dem weichen, schon schmelzenden Schnee zeichnete. Im Laufe dieser beiden Stunden sank der Schnee um drei Zoll. Man konnte das Sinken geradezu sehen. Von allen Seiten kam – schwach aus der Ferne, stark in der Nähe – das Geräusch der bisher verborgenen Gewässer, die jetzt hervorsickerten und sich einen Weg bahnten. Trotz dem Brüllen des Frühlingswindes hörte man sie. Der Kleine Peco, der durch viele andere noch kleinere Flüsse Zuwachs erhielt, erhob sich gegen den Zwang des Winters und zersprengte unter Krachen und Knallen das Eis.
Daw berührte Lindays Schulter. Er berührte sie noch einmal. Schüttelte. Und schüttelte noch kräftiger.
»Doktor«, murmelte er voller Bewunderung. »Ich räume ohne weiteres ein, dass Sie gut laufen können.«
Die müden schwarzen Augen unter den schweren Lidern nahmen das Kompliment an.
»Aber darum handelt es sich jetzt nicht! Rocky ist ganz niederträchtig verschandelt worden. Wie ich Ihnen vorher sagte: Ich habe geholfen, ihm die Eingeweide zusammenzunähen, Doktor!« Er schüttelte den Mann, dessen Augen sich schon wieder geschlossen hatten. »Ich sage Ihnen, Doktor. Es handelt sich jetzt nur darum, ob Sie imstande sind weiterzugehen? Hören Sie, was ich sage? Ich frage, ob Sie imstande sind, weiterzugehen?«
Die müden Hunde schnappten nach ihnen und winselten, als sie in ihrem Schlaf gestört wurden. Es ging nur langsam vorwärts. Mehr als zwei Meilen in der Stunde schafften sie nicht, und die Tiere nahmen jede Pause wahr, um sich in den nassen Schnee zu legen.
»Noch zwanzig Meilen, und wir haben die Schlucht hinter uns«, ermunterte Daw seinen Begleiter. »Und wenn wir so weit sind, kann das Eis meinetwegen zum Teufel gehen. Dann können wir am Ufer weitermarschieren und haben nur noch zehn Meilen bis zum Lager, sind also schon beinah da, Doktor! Und wenn Sie Rocky zusammengekleistert haben, können Sie mit einem Kanu in einem Tage zurück sein.«
Aber das Eis wurde immer unsicherer unter ihren Füßen, es begann sich vom Ufer loszureißen und hob sich Zoll um Zoll. An einigen Stellen hielt es noch am Ufer fest; dann lag aber schon Wasser darüber, und sie mussten hindurchwaten. Der Kleine Peco knurrte und murrte. Spalten und Risse bildeten sich überall, während sie sich Meile um Meile vorwärts kämpften, von denen jede einzelne zehn Meilen über die Berge entsprach.
»Legen Sie sich auf den Schlitten, dann können Sie ein bisschen schlafen, Doktor«, meinte Daw.
Der Blick aus den schwarzen Augen verbot ihm, die freundliche Aufforderung zu wiederholen.
Schon gegen Mittag erhielten sie eine Warnung, dass das Ende sich näherte. Eisschollen, die von der rasenden Strömung abwärts geschoben wurden, begannen unter dem Eis, auf dem sie gingen, zu donnern und zu toben. Die Hunde winselten ängstlich und strebten nach dem Ufer.
»Das heißt offenes Wasser weiter oben«, erklärte Daw. »Bald wird irgendwo Packeis kommen, und dann wird der Fluss im Laufe von hundert Minuten um hundert Fuß steigen. Jetzt gilt es für uns, die Hänge zu erklimmen, wenn es uns überhaupt gelingt, eine Stelle zu finden, wo wir aus dieser Mausefalle entschlüpfen können. Na, nur los! Jetzt haben wir die Schweinerei – und da hatte man nun geglaubt, dass der Yukon noch einige Wochen halten würde.«
An dieser Stelle war die Schlucht außergewöhnlich eng, und ihre Wände waren so schroff, dass man sie nicht erklimmen konnte. Daw und Linday mussten deshalb weitergehen – und das taten sie auch, bis die Katastrophe über sie hereinbrach. Mit einem mächtigen Knall zerbarst das Eis unter ihren Füßen und dem Gespann. Die beiden Tiere, die in der Mitte des Geschirrs gingen, stürzten in den Spalt, und die Strömung riss ihre Körper mit solcher Kraft mit, dass sie auch den Leithund ins Wasser zogen. Und als die drei Körper unter der Eiskruste den Strom hinabgezogen wurden, wurden auch die beiden letzten winselnden Hunde, die noch übriggeblieben waren, fortgerissen. Die Männer hielten aus allen Kräften den Schlitten zurück, aber auch sie wurden langsam mitgezogen. Das alles spielte sich im Laufe weniger Sekunden ab. Daw durchschnitt die Sielen des letzten Hundes mit seinem Fahrtenmesser, und das unglückliche Tier schoss über den Eisrand ins Wasser und verschwand. Die Eisfläche, auf der sie standen, zerbrach und wurde zu einer großen, rotierenden Scholle, die gegen das Eis und die Klippen am Ufer geschleudert und dort zersplittert wurde. Aber es gelang ihnen doch noch, den Schlitten ans Land zu ziehen und in Sicherheit zu bringen, unmittelbar bevor die Eisscholle, auf