Gesammelte Werke. Джек Лондон
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»Na du! Bleib nicht die ganze Nacht unterwegs! Wo ist der Teetopf? Über Bord? Dir wäre recht geschehen, wenn du dir den Hals gebrochen hättest!«
Ich versuchte auf die Füße zu kommen. Den großen Teetopf hielt ich noch in der Hand. Ich humpelte zur Kombüse und reichte ihn ihm. Aber er schäumte vor wirklicher und vorgeblicher Wut.
»Gott straf’ mich, wenn du nicht ein elender Waschlappen bist. Wozu bist du überhaupt nütze? Wie? Wozu taugst du? Kannst nicht mal ein bisschen Tee tragen, ohne ihn zu verschütten. Nun kann ich noch mal aufgießen.
Und was greinst du?« fuhr er mich mit erneuter Wut an. »Hat seinem armen Beinchen wehgetan, Mamas armer Liebling.«
Ich greinte gar nicht, wenn mein Gesicht auch vor Schmerz zucken mochte. Aber ich bot meine ganze Energie auf, biss die Zähne zusammen und hinkte ohne weiteren Zwischenfall von der Kombüse nach der Kajüte und wieder zurück. Zweierlei aber hatte mir mein Unfall eingetragen: eine verletzte Kniescheibe, an der ich monatelang zu leiden hatte, und den Namen ›Hump‹, den Wolf Larsen mir von der Hütte aus zugerufen hatte. Von jetzt an wurde ich vorn und achtern nicht anders als Hump genannt, bis der Name so in mein Bewusstsein überging, dass ich selbst in meinen Gedanken Hump war, als ob ich nie anders geheißen hätte.
Es war keine leichte Aufgabe, am Kajütentisch zu bedienen, an dem Wolf Larsen, Johansen und die sechs Jäger aßen. Die Kajüte selbst war sehr eng, und es war nicht leicht, sich bei dem heftigen Rollen und Stampfen des Schoners darin zu bewegen. Was mich am meisten wurmte, war der vollkommene Mangel an Mitgefühl seitens der Männer, die ich bediente. Ich spürte durch die Kleidung hindurch, wie mein Knie immer mehr anschwoll, und ich war schwach und krank. Im Kajütenspiegel sah ich flüchtig mein Gesicht, das weiß, geisterhaft und vom Schmerz verzerrt war. Alle müssen meinen Zustand bemerkt haben, aber keiner verlor ein Wort darüber oder nahm auch nur die geringste Notiz von mir. Ich fühlte beinahe etwas wie Dankbarkeit, als Wolf Larsen später, als ich die Teller abwusch, zu mir sagte:
»Machen Sie sich nichts aus solcher Kleinigkeit. An so etwas werden sie sich schnell gewöhnen. Sie werden vielleicht ein bisschen weniger leichtfüßig sein, dafür aber auch gehen lernen. Das nennt man ja wohl ein Paradox, nicht wahr?« fügte er hinzu.
Er schien sich zu freuen, als ich mit einem mir schon zur Gewohnheit gewordenen »Jawohl, Käptn« nickte. »Ich nehme an, dass Sie ein bisschen Bescheid wissen über literarische Dinge. Was? Na, wir werden gelegentlich mal drüber reden.«
Und dann kehrte er mir, ohne weiter Notiz von mir zu nehmen, den Rücken und ging an Deck.
Als ich spät abends ein tüchtiges Stück Arbeit hinter mir hatte, wurde ich zum Schlafen ins Zwischendeck geschickt, wo ich eine einfache Koje erhielt. Ich war froh, von der verhassten Gegenwart des Kochs befreit zu sein und mich endlich niederlegen zu können. Zu meiner Überraschung waren mir die Kleider am Körper getrocknet, ohne dass ich Anzeichen einer Erkältung von dem letzten Sturzbad oder dem langen Schwimmbad nach dem Sinken der ›Martinez‹ gespürt hätte. Unter gewöhnlichen Umständen wäre ich nach allem, was ich durchgemacht hatte, reif fürs Bett und eine Krankenschwester gewesen.
Aber mein Knie schmerzte furchtbar. Soweit ich feststellen konnte, hatte ich mir die Kniescheibe ausgesetzt. Als ich auf dem Rand meiner Koje saß und das Bein untersuchte (die Jäger befanden sich alle im Zwischendeck, rauchten und schwatzten), warf Henderson einen Blick auf mein Knie.
»Sieht bös aus«, bemerkte er. »Bind dir ’n Lappen rum, dann wird’s besser.«
Das war alles. An Land würde ich schön auf dem Rücken gelegen haben unter der Pflege eines Arztes und mit der strengen Weisung, mich vollkommen ruhig zu verhalten. Aber ich muss diesen Männern Gerechtigkeit widerfahren lassen: ebenso gefühllos wie meinen Leiden waren sie auch ihren eigenen gegenüber; wenn ihnen einmal etwas zustieß. Erstens machte das die Gewohnheit, und zweitens waren sie von Natur aus weniger empfindlich. Ich glaube wirklich, dass ein feiner organisierter Mensch, wie ich, doppelt und dreifach soviel Schmerzen fühlte wie sie.
Bei aller Müdigkeit – ich war wirklich erschöpft – hinderte mich der Schmerz am Knie am Schlafen. Alles, was ich tun konnte, war, dass ich mich mit aller Gewalt beherrschte, um nicht laut zu stöhnen. Daheim würde ich zweifellos meinen Qualen Luft gemacht haben, aber diese mir neue, primitive Umgebung schien die Abhärtung eines Wilden von mir zu fordern. Diese Männer benahmen sich wie Naturvölker: stoisch in großen, kindlich reizbar in kleinen Dingen. Ich weiß noch, wie Kerfoot, einem der Jäger, später auf der Fahrt ein Finger zu Mus zerquetscht wurde, ohne dass er auch nur einen Laut von sich gab oder eine Miene verzog. Und derselbe Mann konnte bei der geringsten Kleinigkeit in zügellose Wut geraten.
Gerade jetzt war das der Fall. Er schrie und brüllte, schwenkte die Arme und fluchte wie der Teufel, und nur, weil er sich mit einem anderen Jäger nicht über die Frage einigen konnte, ob ein Robbenjunges instinktiv schwimmen könne oder nicht. Seiner Ansicht nach schwamm es gleich nach der Geburt. Der andere Jäger, Latimer, ein magerer Bursche mit boshaften Schlitzaugen, der wie ein Yankee aussah, glaubte wiederum, die Robbenjungen würden lediglich auf dem Lande geboren, weil sie nicht schwimmen könnten, und ihre Mütter müssten es ihnen beibringen wie die Vögel ihren Nestlingen das Fliegen.
Unterdessen lagen die anderen vier Jäger über dem Tisch oder saßen in ihren Kojen und überließen die beiden Widersacher ihrem Streit. Aber die Sache interessierte sie doch stark, hin und wieder ergriff einer von ihnen stürmisch Partei, und manchmal redeten sie alle durcheinander, bis die Worte wie Donnergrollen durch den Raum hallten. War der Gegenstand ihres Streits kindisch und lächerlich, so war es die Art ihrer Beweisführung noch mehr. Von Vernunftgründen war nicht die Rede, es gab nur Behauptungen und Schimpfen. Dass ein Robbenjunges bei der Geburt schwimmen konnte oder nicht, bewiesen sie durch kriegerische Behauptungen und Angriffe auf Urteilskraft, Verstand, Nationalität oder Vorleben des Gegners. Die Widerlegung war entsprechend. Ich erzähle dies nur, um die geistige Beschaffenheit der Männer zu zeigen, auf deren Umgang ich jetzt angewiesen war.