Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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Wispern erfüllt war. Als der Mond höher stieg und seinen bleichen Schein auf die Lichtung warf, glaubte Julia Elfen tanzen zu sehen. Die Nacht war voller Wunder.

      *

      Am nächsten Morgen waren es die jubilierenden Vögel, die Julia sanft weckten. Verschlafen kroch das Mädchen aus dem Zeit. Wie die Welt strahlte und funkelte! Myriaden Tautropfen hingen an den Gräsern und Blättern und blitzten in allen Regenbogenfarben. Wie schön die Welt war. Die Stille im Wald hatte etwas völlig Unirdisches. Julia fühlte sich wie neugeboren. Alles Vergangene verblasste.

      In der Nähe sprang ein murmelnder Bach über Felsgestein durch einen dichten, hochstämmigen Fichtenwald. An einer Stelle, wo sich ein kleiner Stau gebildet hatte, verrichtete Julia ihre Morgentoilette. Das Wasser war klar und eiskalt und erfrischte auf wundersame Weise.

      Bald summte der Teekessel auf dem Hartspirituskocher. Duftender Kaffee, dazu Schwarzbrotschnitten mit Butter – nie hatte Julia köstlicher gefrühstückt.

      Anschließend verließ sie die Waldwiese zu einem ziellosen Spaziergang. Noch immer war das Gras, durch das sie mit nackten Füßen streifte, taufeucht. Sie trug einen bunten schwingenden Rock und eine weiße Zigeunerbluse, die ihre Schultern nicht bedeckte. Julia wollte die Sonne und den sanften Wind auf der Haut spüren.

      Ihr blondes Haar wehte so leicht wie eine Sommerwolke. Und so leicht war auch ihr Sinn an diesem herrlichen Morgen.

      Plötzlich sah Julia etwas Rotes durch das dichte Grün schimmern. Ein Dach! Die Försterei?

      Julia erschrak. Sie hatte nicht geahnt, dass sich ihre versteckte Waldlichtung so nahe beim Forsthaus befand. Schon wollte sie umkehren, um dem Förster nicht zufällig zu begegnen, da hörte sie Stimmen.

      Es war der Förster von gestern – kein Zweifel. Seine Stimme erkannte sie sofort. Und er redete genauso unwirsch und herrisch wie gestern. Es schien seine Art zu sein, die Leute abzukanzeln. Wer war heute das Opfer?

      Julia spähte durch die hohe, dichte Hecke, die den Garten des Försterhauses einfriedete.

      Sie entdeckte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die wie arme Sünder vor dem Forstmann standen.

      Das kleine Mädchen hielt eine Puppe im Arm, so fest und zärtlich, als sei es ein lebendiges Wesen, das es vor dem Zorn des Mannes in der grünen Uniform zu schützen galt.

      »Woher hast du die Puppe?«

      »Gekauft«, antwortete das blonde Mädchen.

      »Wann?«

      »Gestern im Dorf.«

      »Und womit hast du sie bezahlt?«, forschte der Förster, offensichtlich der Vater der Kinder, in einem Tonfall, als gelte es einen auf frischer Tat ertappten Wilddieb zu verhören.

      »Mit – meinem – Taschengeld«, erwiderte das Kind kläglich. »Und …« Es stockte.

      »Und?«, drohte der Forstmann.

      »Und mit meinem«, platzte der Junge heraus. Er mochte etwa sieben Jahre alt sein, vielleicht ein Jahr älter als das Mädchen. Sein Gesicht war offen und sehr sympathisch. Er gefiel Julia auf Anhieb. »Wir haben zusammengelegt.«

      »Aha! Und wie viel ist übrig geblieben?«

      »Achtzig Cent. Dafür haben wir Himbeerbonbons gekauft«, gestand das Mädchen.

      »Das ist ja großartig«, grollte der Förster. »Ihr habt also euer gesamtes Taschengeld am Monatsbeginn ausgegeben. Und wie soll es die restlichen achtundzwanzig Tage weitergehen?«

      »Wir …, wir brauchen nichts mehr«, erklärte der Junge und senkte den Blick.

      »So, ihr braucht nichts mehr. Das kennt man ja. Typisch! Dieser bodenlose Leichtsinn ist typisch für euren … Na ja, lassen wir das. Aber eines merkt euch ein für alle Mal, so etwas gibt es nicht. Damit fangen wir gar nicht erst an. Ihr bringt die Puppe auf der Stelle in den Laden zurück und lasst euch das Geld wiedergeben.«

      »Nein, bitte nicht!«, rief das kleine Mädchen weinerlich und drückte sein Puppenkind noch inniger an die Brust.

      »Du willst dich widersetzen, Heidi?«

      »Bitte, bitte, Papi, lass mir doch …«

      »Nein, habe ich gesagt. Ich will nicht schuld sein, wenn aus euch auch eines Tages verantwortungslose, leichtsinnige, egoistische junge Leute werden sollten. Ich nicht! So, und jetzt setzt euch in Trab. Kommt ja nicht auf die Idee, mich zu beschwindeln. Ich will nachher das Geld sehen, auf Heller und Pfennig! Verstanden?«

      »Aber Papi, wir haben doch nur …«, begann der Junge, doch der Förster fiel ihm ins Wort:

      »Es geschieht nur zu eurem eigenen Besten, Carsten. Wenn ihr es jetzt auch noch nicht versteht.«

      »Das sagen die Erwachsenen immer«, maulte Carsten.

      »Na und? Hast du etwas dagegen, wenn man sich Sorgen um euch macht?«, fragte der Förster unwirsch.

      Der Junge schwieg und rupfte einen Grashalm aus, den er angelegentlich um den Finger wickelte.

      »Ich gebe mein Püppchen nicht her«, wimmerte Heidi und machte ein so todtrauriges Gesichtchen, dass es der unfreiwilligen Lauscherin hinter der Hecke ins Herz schnitt.

      »Wie bitte? Auch noch patzig werden?« Der Förster griff nach der Puppe, wollte sie dem Kind entreißen, doch Heidi umklammerte das Spielzeug, an dem sie offenbar bereits schon richtig hing, voller Verzweiflung und mit erstaunlicher Kraft.

      Der Förster aber lief hochrot an vor Zorn. Schon schien es, als hebe er die Hand, um dem Kind eine Ohrfeige zu gehen.

      Da konnte Julia nicht länger an sich halten. Mit einem lauten »Nein!«, zwängte sie sich durch die Hecke und stolperte über den Rasen zu den drei Menschen hin.

      Der Förster und die beiden Kinder erstarrten in der Bewegung, als sei plötzlich ein Film gestoppt.

      »Sie werden Ihre Tochter nicht schlagen!«, keuchte Julia außer sich und musterte ihn mit flammendem Blick.

      Das angespannte sonnengebräunte Gesicht des Försters entspannte sich in einem spöttischen, überheblichen Lächeln. »Ach, schau an, die kleine Frau von gestern. Was wünschen Sie?«

      »Ich wünsche, dass Sie nicht so hartherzig sein sollen!«, fauchte Julia.

      »Wie bitte? Hartherzig?«

      »Wie würden Sie es denn bezeichnen, einem unschuldigen Kind das Lieblingsspielzeug zu entreißen?«

      »Darf ich fragen, wie Sie dazu kommen, sich in meine Angelegenheiten zu mischen?«

      »Ja, das dürfen Sie, Herr Förster. Man muss sich einmischen, wenn man sieht, wie Kinder misshandelt werden«, stieß sie außer sich hervor.

      »Misshandelt? Bei Ihnen piept’s wohl?«

      »Nun ja, misshandelt ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber ich finde es gemein, wie Sie mit Ihren Kindern umspringen! Ich kam ganz zufällig vorbei und habe alles mit angehört.«

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