Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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Junge sein, so wie ich?«

      »Nein!« ertönte es mit so mächtiger Stimme, daß Cedrik zusammenschreckte.

      »Nein?« wiederholte er fragend. »Ich – ich hab' gedacht, daß –«

      Plötzlich stand er auf.

      »Kann ich dein Junge bleiben, auch wenn ich kein Graf werde? Willst du's, daß ich dein Junge bleibe?« Jeder Zug des kleinen Gesichts drückte die höchste Spannung aus.

      Wie der alte Graf ihn ansah, von Kopf bis zu Fuß! Wie sich die buschigen Augenbrauen zusammenzogen und wie die feurigen Augen so wunderlich drunter hervorleuchteten!

      »Mein Junge!« sprach er, und seine Stimme klang seltsam gebrochen, rauh und heiser, und trotzdem er noch bestimmter und gebieterischer sprach als vorher, wollte sie nicht so ganz fest bleiben – »Ja, mein Junge bleibst du, solange ich lebe, und, bei Gott, mir ist's oft, als wärst du der einzige Junge, den ich je gehabt habe.«

      Bis unter die Haarwurzeln war Cedrik von Glut übergössen – nichts als Freude und Herzenserleichterung. Mit sehr entschlossener Miene vergrub er die Händchen in den Tiefen seiner Taschen und sah seinem Großvater ehrlich ins Gesicht.

      »Nun, dann, weißt du,« erklärte er, »dann mache ich mir gar nichts daraus, daß ich kein Graf werde – darauf kommt mir's gewiß nicht an. Ich habe nur gedacht – siehst du – ich habe gedacht, daß der, welcher Graf wird, auch dein Junge sein müsse und ich's also nicht mehr sein könne. Deshalb ist mir so – so wunderlich zu Mut gewesen.«

      Der Graf legte die Hand auf seine Schulter und zog ihn zu sich heran.

      »Nichts, gar nichts sollen sie dir nehmen von dem, was ich für dich behaupten kann,« sagte er, mühsam atmend. »Und ich will es nicht glauben, daß sie dir überhaupt etwas nehmen können. Du bist für die Stellung geschaffen – und du sollst sie ausfüllen trotz alledem. Wie es aber auch kommen mag – das, worüber ich frei verfügen kann, sollst du haben – alles!«

      Es war nicht mehr, als ob er zu dem Knaben spräche, es war, als ob er sich selbst gegenüber ein Gelübde ablege.

      Wie tief seine Liebe zu dem Enkel und sein Stolz auf ihn bereits Wurzeln geschlagen hatten, davon hatte er vorher eigentlich doch selbst keine Ahnung gehabt, und nie waren ihm die Schönheit und die Frische des Kindes und all' seine glücklichen Gaben so leuchtend vor Augen getreten. Dieser eigenwilligen Natur erschien es als ein Ding der Unmöglichkeit, aufgeben zu sollen, woran er sein Herz gehängt hatte, und er war entschlossen, es sich wenigstens nicht leichten Kaufes entreißen zu lassen.

      Wenige Tage, nachdem sie Mr. Havisham aufgesucht hatte, fand sich die Frau, welche die Rechte einer Lady Fauntleroy für sich in Anspruch nahm, im Schlosse ein und zwar in Begleitung ihres Kindes. Sie wurde nicht angenommen. Mylord habe die Sache vollständig seinem Anwalt übertragen und wünsche nicht, in persönlichen Verkehr mit ihr zu treten, lautete der Bescheid, den Mr. Thomas mit Hoheit und Würde erteilte. Den Eindruck, den die Unbekannte auf ihn gemacht, gab er im Dienerschaftssaal rückhaltlos zum besten. Er hoffe, lange genug Livree in vornehmen Häusern getragen zu haben, sagte er, um zu wissen, was eine Dame sei und was nicht, und wenn dies eine Dame sei, so könne er Katze und Maus nicht unterscheiden.

      »Die draußen in Court Lodge,« setzte er selbstbewußt hinzu, »Amerikanerin hin oder her, die ist eine vom rechten Schlag – das sieht jeder Gebildete auf den ersten Blick. Ich hab's zu Henry gesagt, als wir den ersten Besuch dort machten.«

      Die Frau war fortgefahren – das hübsche, gewöhnliche Gesicht halb zornig, halb furchtsam. Im Verlaufe der verschiedenen Unterredungen, die er mit ihr haben mußte, war Mr. Havisham zu der Ansicht gelangt, daß sie, wohl leidenschaftlich und frech, jedoch lange nicht so klug und ausdauernd und mutig war, als sie glaubte. Es gab Augenblicke, in denen die Lage, in die sie sich gebracht hatte, ihr über den Kopf zu wachsen schien, und offenbar hatte sie sich keine Vorstellung davon gemacht, auf welch ernsten Widerstand ihre Ansprüche stoßen würden.

      »Sie ist entschieden aus den niedersten Regionen des Lebens,« bemerkte der Anwalt gegen Mrs. Errol. »Ohne alle Erziehung weder durch die Schule noch durch das Leben, ist sie durchaus nicht gewöhnt, mit Leuten wie wir auf gleichem Fuße zu verkehren, und weiß sich dabei in keiner Weise zu benehmen. Der vergebliche Besuch im Schlosse hat sie vollkommen eingeschüchtert – an Toben und Wüten darüber hat sie es natürlich nicht fehlen lassen, aber eingeschüchtert war sie doch. Der Graf wollte sie nicht empfangen, hat mich aber dann auf meinen Wunsch in die »Dorincourt Arms« – Sie kennen ja den kleinen Gasthof – begleitet, wo sie wohnt. Als sie ihn eintreten sah, wurde sie leichenblaß, einen Augenblick später war sie freilich wieder im besten Zug, in einem Atem zu drohen und zu fordern.«

      Allerdings war der Graf damals in seiner allerabweisendsten, vornehmsten Haltung, wie ein alter Riese aus Königsgeschlecht bei ihr eingetreten und hatte unter den weißen Augenbrauen hervor die Person fixiert, ohne sie eines Wortes zu würdigen, wie man sich etwa eine seltsame, aber widerliche Naturerscheinung besieht. Ohne eine Silbe zu äußern, hatte er sie all' ihre Redensarten hervorsprudeln lassen und dann erwidert: »Sie behaupten, die Frau meines ältesten Sohnes zu sein. Wenn Sie dafür vollgültige Beweise vorlegen können, so haben Sie das Recht auf Ihrer Seite. In dem Falle ist Ihr Knabe Lord Fauntleroy. Daß die Sache gründlich geprüft werden wird, dessen dürfen Sie sich versichert halten, und wenn Ihre Ansprüche als berechtigt anerkannt werden müssen, so soll für Sie gesorgt werden. Sehen will ich weder Sie noch den Knaben, solange ich lebe – nach meinem Tode wird das Besitztum unglücklicherweise ihm anheimfallen.«

      Damit drehte er ihr den Rücken und schritt stolz und gelassen hinaus, wie er hereingetreten war.

      Wenige Tage darauf wurde Mrs. Errol, die in ihrem kleinen Boudoir mit Schreiben beschäftigt war, ein Besuch gemeldet. Das Mädchen, welches die Anmeldung zu bestellen hatte, schien sehr aufgeregt zu sein, und die vor Verwunderung ganz runden Augen des jungen Dinges sahen mit ängstlicher Teilnahme auf ihre Herrin.

      »Der Graf selbst ist's, gnädige Frau,« sagte sie zum Tode erschrocken.

      Als Mrs. Errol ihr Wohnzimmer betrat, stand ein ungewöhnlich großer, imposanter alter Mann vor dem Kamine auf dem Tigerfell. Das scharfe, kühne Profil, der lange weiße Schnurrbart und ein Ausdruck von Eigenwillen fielen ihr zuerst in die Augen.

      »Mrs. Errol, soviel ich weiß?« sagte er.

      »Mrs. Errol,« bestätigte sie.

      »Ich bin Graf Dorincourt.«

      Er hielt einen Augenblick inne – unwillkürlich mußte er ihr in die Augen sehen. Diese Augen glichen so ganz und gar denen, die er täglich mit ihrem kindlich liebeerfüllten Blick auf sich gerichtet sah, daß es eine merkwürdige Empfindung in ihm hervorrief.

      »Der Junge sieht Ihnen sehr ähnlich,« sagte er plötzlich.

      »Das hat man mir häufig gesagt, Mylord,« erwiderte sie, »aber es macht mir größere Freude, wenn man ihn seinem Vater ähnlich findet.«

      Lady Lorridaile hatte recht gehabt, ihre Stimme klang wirklich besonders süß und lieblich, und ihr Benehmen war höchst natürlich und würdig, auch schien sein unerwartetes Erscheinen sie keineswegs aus der Fassung zu bringen.

      »Jawohl,« versetzte der Graf, »er sieht auch – meinem Sohne ähnlich.« Er zerrte heftig an den Enden des weißen Bartes. »Wissen Sie, weshalb ich hierher gekommen bin?«

      »Mr. Havisham ist bei mir gewesen und hat mir gesagt, daß Ansprüche geltend gemacht werden –«

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