Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 49

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

Скачать книгу

Schlag. Da kommt der Arzt, und Rosmarie schlägt wieder die Augen auf und flüstert:

      »Heute bin ich geflogen, weit – aber es ist schwer, das Fliegen – es macht müde – es bedrängt.«

      Rosmarie hat doch ein recht schwaches Herz. Man muß sie sehr schonen, sie ist viel zu schnell gewachsen, und es wird gut sein, wenn sie einen recht ruhigen Sommer auf dem Lande mit möglichst viel frischer Luft und möglichst wenig seelischen Erregungen, nicht zu viel Vergnügen oder Sport verbringt.

      Siebzehntes Kapitel.

       Der ruhige Sommer auf dem Lande

       Inhaltsverzeichnis

      Schon im Februar, als noch Schnee und Regen auf der Hochebene miteinander kämpfen, flattert auf dem Ecktürmchen von Schloß Brauneck die weißblaue Fahne. Finster liegt das Schloß mit seinen vier dicken Türmen unter den niedrigen jagenden Wolken. Die alten Tannen auf der Nordseite peitschen die Mauern mit ihren langen Armen. Rabenschwärme ziehen über den Park, und aus den Wäldern tönt das rauhe Bellen der Rehe. Ist das eine Jahreszeit, um in einem weitläufigen alten Bau zu wohnen, wo die Winde sich in den Galerien verfangen und nächtelang heulen und pochen und rasen, wo die Gänge finstere Rheumatismus-Gespenster entlassen, die sich auf den harmlos Dahinwandelnden stürzen? – Wo Kammerfrauen sich täglich über schlecht schließende Fenster, eisige Alkoven beklagen und bitteren Herzens sich erinnern, daß es in der großen Stadt Zentralheizungen, glänzende Läden, abendliche Theatervergnügen gibt? Der französischen Kammerfrau bemächtigt sich die Überzeugung, daß in dem Alkoven, in dem ihr Bett steht, quelqu'un s'est donné la mort, und verschwindet am achten Tag aus Brauneck. Auf der armen Fräulein Bergmann lastet die ganze Verantwortung, die Fürstin in den Stand zu setzen, in welchem sie sich der Welt zu zeigen wünscht. Schon beim zweiten Frühstück hat sie rote Augen, sie hat sehr nahe am Wasser gebaut, – aber dann kann sie sich erholen, denn das weitere ist Sache der Prinzessin, und ihren Augen sieht man nichts an. Das blaue Männlein muß sich freuen über Rosmarie, die nun so schön schweigen gelernt hat: sie kann es schier zu gut.

      »Rosmarie, habe Geduld, nur noch die kurze Zeit, mein Kind, du wirst sehen, wie viel erfreulicher und besser alles werden wird,« sagt ihr der Fürst, »wir verlangen Opfer von Mama, und die müssen wir ihr zu erleichtern suchen.«

      Es ist auch ein großes Opfer, das die Fürstin dem künftigen Erben von Schloß und Herrschaft Brauneck, Schweigen und Kirchhalden, und noch drei anderer nahrhafter und romantischer Schlösser und Güter bringen muß. Sie hat Berlin mitten in der Saison verlassen müssen, später wäre dem Fürsten eine Reise zu gefährlich erschienen, und der Erbe und zukünftige Herr von Brauneck wird nicht in der Fremde geboren, sondern in der Heimat. Und die lange Zeit soll die Fürstin liegen, der es am wohlsten auf dem Rücken ihres Pferdes, auf dem Kutschierbock und auf dem Schießstand ist. Arme Fürstin, wie eingekerkert und bewacht kommt sie sich vor bei aller Fürsorge, und wie nur je ein armer Gefangener seine Kerkermeister gehaßt hat, so haßt sie abwechselnd den Hofrat, den Fürsten, Rosmarie, – wer nur eben gerade an der Reihe ist.

      »Die Zeit wird vorübergehen,« sagt der Fürst, wenn er sein blasses Kind ansieht; sie hat ja nun freilich all das nicht, was der Berliner Arzt für sie verlangte. Aber wo zwischen Himmel und Erde kann er ihr denn das verschaffen – schöne Ruhe, kleine Freuden, möglichst wenig seelische Erregungen! – Der Frühling wird schon Besserung bringen, er kommt nur so zögernd, und auf einen Sonnentag gibt's zehn frostige Regentage. Rosmarie könnte irgendwohin mit Miß Granger geschickt werden, aber bei der Erwähnung des Planes kommt die Fürstin außer sich. Nein, sie kann Rosmarie nicht entbehren, die Bergmann liest schändlich vor, bei allen rührenden Stellen schnüffelt sie, und es rührt sie schon, wenn sie liest: der Jüngling erblickte seine Vaterstadt im Abendglanze. Rosmarie kann wenigstens anständig vorlesen, wenn sie will, und mit wem soll sich die Fürstin denn sonst den ganzen langen Tag unterhalten? Man schlägt die zweitjüngste Schwester der Fürstin vor, diese kommt auch, reist aber schon nach einer Woche wieder ab, sie muß plötzlich einen Zahnarzt konsultieren. Aber Fräulein Bergmann vertraut es dem Nähröschen an, daß sie ein Gespräch der beiden Damen angehört hat, wobei die jüngere Schwester zur älteren sagte: »Meinst du, du könntest mit mir Katze und Maus spielen wie mit deiner einfältigen Rosmarie!«

      Der Frühling kommt, und er ist unsäglich schön und herrlich, und Rosmarie kann ihn vom Fenster aus besehen. Es reicht gerade zu einem täglichen Gang in den Park und zu einer kurzen Fahrt ins Tal hinunter und wieder herauf. Die Fürstin kann nicht einmal in den Garten gebracht werden, es haben sich bei ihr allerhand beängstigende Symptome gezeigt, und so spielt sich ihr ganzes Leben in den Zimmern ab. Rosmarie hat die geschicktesten, sanftesten Hände, sie kann stundenlang vorlesen, sie kann in den Schlaf bringen durch leises Streichen über Stirn und Hände und kann wie ein Schemen hinausgleiten, wenn sie das erreicht hat. Rosmarie ist unentbehrlich geworden.

      Die Felder glühen schon im frühen Juli in goldener Pracht, an den Spalieren röten sich die Birnen und Äpfel, und die Rosen verglühen an einem Tage. Und zuweilen ziehen schwere Gewitter herauf, und nie hat man von so viel Blitzschlag und plötzlichen Bränden gehört.

      Heute ist wieder ein tiefblaugoldener Himmel, und am frühen Morgen ist es so still, daß sich selbst in des Fürsten Sommerstube kein Vorhang blähen will wie sonst fast immer auf der Bergeshöhe. Rosmarie sitzt auf ihres Vaters Lederdiwan, sie hat ihm eben den täglichen Rosenstrauß für seinen Schreibtisch gebracht. Der Fürst sieht sie an und seufzt. Sie verändert sich immer mehr, und es kommt ihm vor, als werde sie immer blasser.

      »Du bringst ein Opfer, Rosmarie, und du hast so gar kein Vergnügen gegenwärtig – so wenig hast du von deiner schönen Jugend. Und doch bin ich froh, daß du Mama so unentbehrlich bist.«

      Rosmarie lächelt ein wenig, ein Lächeln, das nur die Spitzen ihrer wunderschönen Zähne zeigt. Der Fürst wird unruhig, wenn er dies Lächeln sieht: es ist etwas darin, was ihm Gedanken macht. »Wir müssen etwas ganz Schönes für dich herausfinden, wenn nun der Sommer so hingeht. In Berlin bekommst du auch keine roten Backen. Weißt du, was ich denke? Wir suchen dir irgend einen schönen Ort an der Riviera heraus, ein Küstennest am blauen Meer, mieten dir und Miß Granger eine kleine Villa für den nächsten Winter. Da kannst du dann sehen, wie der Frühling eigentlich ist. Was meinst du? Wie geht es dir übrigens, keine Ohnmachten mehr?«

      »Ich danke, Papa, – Ohnmachten, – ja hie und da einmal, wenn es so heiß ist, aber du brauchst dich nicht zu sorgen, ich erschrecke Mama nicht damit, ich gehe schon vorher, ich fühle es ja immer kommen. Mama hat ja so angegriffene Nerven und fürchtet sich vor Gewittern, – ich habe Sorge, ob wir nicht heute eins bekommen, so heiß, wie es schon ist.«

      Sie erhebt sich und tritt zu ihrem Vater hin und legt ihm von hinten her ihre Arme um den Hals und küßt ihn auf die Wange und geht hinaus an ihr schweres Tagewerk. Sie denkt: Wie einsam ist der Mensch, wie sterneneinsam –, man liebt sich, man streckt die Hände nacheinander aus und kann sich doch nicht fassen, und jedes muß auf seinem Stern bleiben. –

      Die Fürstin liegt in ihrem großen Himmelbett, das mitten im Zimmer steht. Um sie herum ist ein wahres Toilettenlager aufgehäuft, Fräulein Bergmann, die Klara und Rosmaries neue Jungfer, die Lisa, jedes trägt einen Arm voll Toilettensachen und legt sie irgendwo ab, auf dem Diwan, auf Stühlen, auf Kästchen, – fluchtartig sieht es aus. Jedesmal, wenn etwas Neues zum Vorschein kommt, muß es der Fürstin ans Bett gereicht werden, sie riecht daran und befiehlt: »Dieses auch.« Und dann wird das Schneiderkunstwerk wieder weggelegt. Rosmarie steht eine ganze Weile unbeachtet in dem Wirrsal seidener Röcke und Umhänge, bis die Fürstin ihr ruft: »Ich bitte dich, Rosmarie, rühre dich auch ein wenig, ich will doch nicht ewig in diesem Durcheinander liegen.«

      »Guten

Скачать книгу