Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann

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nicht ganz richtig angewandt gesehen zu haben. Die Prima Ballerina führte eben, indem der Chor der Figuranten seitwärts gruppiert war, ein schönes Solo aus; eben als sie im Hintergrunde in einer herrlichen Stellung verweilte, und die Zuschauer nicht genug jauchzen und jubeln konnten, ließ der Maschinist plötzlich einen Mittelvorhang vorfallen, der sie mit einem Male den Augen des Publikums entzog. Aber unglücklicherweise war es eine Stube mit einer großen Tür in der Mitte; ehe man sich’s versah, kam daher die entschlossene Tänzerin gar anmutig durch die Tür hereingehüpft und setzte ihr Solo fort, worauf denn der Mittelvorhang zum Trost der Figuranten wieder aufging. Lernen Sie hieraus, daß der Mittelvorhang keine Tür haben, übrigens aber mit der stehenden Dekoration grell abstechen muß. In einer felsichten Einöde tut ein Straßenprospekt, in einem Tempel ein finsterer Wald sehr gute Dienste. Sehr nützlich ist es auch, vorzüglich in Monologen oder kunstvollen Arien, wenn eine Soffitte herunterzufallen oder eine Kulisse in das Theater zu stürzen droht oder wirklich stürzt; denn außerdem, daß die Aufmerksamkeit der Zuschauer ganz von der Situation des Gedichts abgezogen wird, so erregt auch die Prima Donna oder der Primo Huomo, der vielleicht eben auf dem Theater war und hart beschädigt zu werden Gefahr lief, die größere, regere Teilnahme des Publikums, und wenn beide nachher noch so falsch singen, so heißt es: »Die arme Frau, der arme Mensch, das kommt von der ausgestandenen Angst«, und man applaudiert gewaltig! Man kann auch zur Erreichung dieses Zwecks, nämlich den Zuschauer von den Personen des Gedichts ab und auf die Persönlichkeit der Schauspieler zu lenken, mit Nutzen ganze auf dem Theater stehende Gerüste einstürzen lassen. So erinnere ich mich, daß einmal in der »Camilla« der praktikable Gang und die Treppe zur unterirdischen Gruft in dem Augenblicke, als eben alle zu Camillas Rettung herbeieilenden Personen darauf befindlich waren, einstürzte. – Das war ein Rufen – ein Schreien – ein Beklagen im Publikum, und als nun endlich vom Theater herab verkündigt wurde, es habe niemand bedeutenden Schaden genommen und man werde fortspielen, mit welcher Teilnahme wurde nun der Schluß der Oper gehört, die aber, wie es auch sein sollte, nicht mehr den Personen des Stücks, sondern den in Angst und Schrecken gesetzten Schauspielern galt. Dagegen ist es unrecht, die Schauspieler hinter den Kulissen in Gefahr zu setzen, denn alle Wirkung fällt ja von selbst weg, wenn es nicht vor den Augen des Publikums geschieht. Die Häuser, aus deren Fenstern geguckt, die Balkons, von denen herab diskutiert werden soll, müssen daher so niedrig als möglich gemacht werden, damit es keiner hohen Leiter oder keines hohen Gerüstes zum Hinaufsteigen bedarf. Gewöhnlich kommt der, der erst oben durch das Fenster gesprochen, dann unten zur Tür heraus, und um Ihnen meine Bereitwilligkeit zu zeigen, wie gern ich mit allen meinen gesammelten Kenntnissen zu Ihrem Besten herausrücke, setze ich Ihnen die Dimensionen eines solchen praktikablen Hauses mit Fenster und Tür her, wie ich sie von den Theatern in *** entnommen. Höhe der Tür 5 Fuß, Zwischenraum bis zum Fenster ½ F., Höhe des Fensters 3 F., bis zum Dache ¼ F., Dach ½ F. Macht zusammen 9¼ F. Wir hatten einen etwas großen Schauspieler, der durfte, wenn er den Bartholo im »Barbier von Sevilien« spielte, nur auf eine Fußbank steigen, um aus dem Fenster zu gucken, und als einmal zufällig unten die Tür aufging, sah man die langen roten Beine und war nur besorgt, wie er es machen würde, um durch die Tür zu kommen. Sollte es nicht nützlich sein, den Schauspielern die praktikabeln Häuser, Türme, Burgvesten anzumessen? – Es ist sehr unrecht, durch einen plötzlichen Donner, durch einen Schuß oder durch ein anderes plötzliches Getöse die Zuschauer zu erschrecken. Ich erinnere mich noch recht gut Ihres verdammten Donners, mein Herr Maschinist, der dumpf und furchtbar wie in tiefen Gebirgen rollte, aber was soll das? – wissen Sie denn nicht, daß ein in einen Rahmen gespanntes Kalbfell, auf dem man mit beiden Fäusten herumtrommelt, einen gar anmutigen Donner gibt? Statt die sogenannte Kanonenmaschine anzuwenden oder wirklich zu schießen, wirft man stark die Garderobentür zu, darüber wird niemand zu sehr erschrecken. Aber um den Zuschauer auch vor dem mindesten Schreck zu bewahren, welches zu den höchsten, heiligsten Mitteln des Maschinisten gehört, ist folgendes Mittel ganz untrüglich. Fällt nämlich ein Schuß oder entsteht ein Donner, so heißt es auf dem Theater gewöhnlich: »Was hör ich! – welch Geräusch – welch Getöse!« – Nun muß der Maschinist allemal erst diese Worte abwarten und dann schießen oder donnern lassen. – Außerdem, daß das Publikum durch jene Worte gehörig gewarnt worden, hat es auch die Bequemlichkeit, daß die Theaterarbeiter ruhig zusehen können und keines besondern Zeichens zur nötigen Operation bedürfen, sondern ihnen der Ausruf des Schauspielers oder Sängers zum Zeichen dient und sie dann noch zu rechter Zeit die Garderobentür zuwerfen oder mit den Fäusten das Kalbfell bearbeiten können. Der Donner gibt allemal dem Arbeiter, der als Jupiter fulgurans mit der Blechtrompete in Bereitschaft steht, das Zeichen zum Blitzen; dieser muß, da auf dem Schnürboden doch leicht sich etwas entzünden kann, unten in der Kulisse so weit vorstehen, daß das Publikum hübsch die Flamme und womöglich auch die Trompete sieht, um nicht in unnötigem Zweifel zu bleiben, wie ums Himmelswillen denn nur das Ding mit dem Blitz gemacht wird. Was ich oben vom Schuß gesagt, gilt auch von Trompetenstößen, eintretender Musik usw. Ich habe schon von Ihrem luftigen, duftigen Flugwerk gesprochen, mein Herr Maschinist! – Ist es denn nun wohl recht, so viel Nachdenken, so viel Kunst anzuwenden, um dem Trug so den Schein der Wahrheit zu geben, daß der Zuschauer unwillkürlich an die himmlische Erscheinung, die im Nimbus glänzender Wolken herabschwebt, glaubt? – Aber selbst Maschinisten, die von richtigeren Grundsätzen ausgehen sollen, fallen in einen anderen Fehler. Sie lassen zwar gehörig Stricke sehen, aber so schwach, daß das Publikum in tausend Angst gerät, die Gottheit, der Genius etc. werden herabstürzen und Arm und Beine brechen. – Der Wolkenwagen oder die Wolke muß daher in vier recht dicken, schwarz angestrichenen Stricken hängen und ruckweise im langsamsten Tempo heraufgezogen oder herabgelassen werden; denn so wird der Zuschauer, der die Sicherheitsanstalten auch vom entferntesten Platze deutlich sieht und ihre Haltbarkeit gehörig beurteilen kann, über die himmlische Fahrt ganz beruhigt. – Sie haben sich auf Ihre wellenschlagende, schäumende Meere, auf Ihre Seen mit den optischen Widerscheinen recht was eingebildet, und Sie glaubten gewiß einen Triumph Ihrer Kunst zu feiern, als es Ihnen gelang, über die Brücke des Sees wandelnde Personen ebenso vorübergehend abzuspiegeln? – Wahr ist es, das Letzte hat Ihnen einige Bewunderung verschafft; indessen war doch, wie ich schon bewiesen, Ihre Tendenz grundfalsch! – Ein Meer, ein See – ein Fluß, kurz jedes Wasser wird am besten auf folgende Art dargestellt. Man nimmt zwei Bretter, so lang, als das Theater breit ist, läßt sie an der obersten Seite auszacken, mit kleinen Wellchen blau und weiß bemalen und hängt sie, eins hinter dem andern, in Schnüren so auf, daß ihre untere Seite noch etwas den Boden berührt. Diese Bretter werden nun hin und her bewegt, und das knarrende Geräusch, welches sie, den Boden streifend, verursachen, bedeutet das Plätschern der Wellen. – Was soll ich von Ihren schauerlichen heimlichen Mondgegenden sagen, Herr Dekorateur, da jeden Prospekt ein geschickter Maschinist in eine Mondgegend umwandelt. Es wird nämlich in ein viereckiges Brett ein rundes Loch geschnitten, mit Papier verklebt und in den hinter demselben befindlichen, rot angestrichenen Kasten ein Licht gesetzt. Diese Vorrichtung wird an zwei starken, schwarz angestrichenen Schnüren herabgelassen, und siehe da, es ist Mondschein! – Wäre es nicht auch ganz dem vorgesetzten Zweck gemäß, wenn bei zu großer Rührung im Publikum der Maschinist diesen oder jenen der größten Übeltäter unwillkürlich versinken ließe und ihm so jeden Ton, der den Zuschauer noch in höhere Extravaganz setzen könnte, mit einem Male abschnitte? – Rücksichts der Versenkungen will ich aber sonst bemerken, daß der Schauspieler nur in jenem äußersten Fall, wenn es nämlich darauf ankommt, das Publikum zu retten, in Gefahr zu setzen ist. Sonst muß man ihn auf alle nur mögliche Art schonen und erst dann die Versenkung gehen lassen, wenn er sich in gehöriger Stellung und Balance befindet. Da dieses aber nun niemand wissen kann als der Schauspieler selbst, so ist es unrecht, das Zeichen vom Souffleur mit der Souterrains-Glocke geben zu lassen, vielmehr mag der Schauspieler, sollen ihn unterirdische Mächte verschlingen oder soll er als Geist verschwinden, selbst durch drei oder vier harte Fußstöße auf den Boden das Zeichen geben und dann langsam und sicher in die Arme der unten passenden Theaterarbeiter sinken. – Ich hoffe, Sie haben mich nun ganz verstanden und werden, da jede Vorstellung tausendmal Gelegenheit gibt, den Kampf mit dem Dichter und Musiker zu bestehen, ganz nach der richtigen Tendenz und nach den von mir angeführten Beispielen handeln.

      Ihnen, mein Herr Dekorateur, rate ich noch im Vorbeigehen, die Kulissen nicht als ein notwendiges Übel, sondern als Hauptsache und jede, soviel möglich, als ein für sich bestehendes Ganze

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