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Inhalt ist gleichsam der Zustand selbst. Er gerät nur in Begeisterung, wenn er die Begeisterung singt. Sie ist für ihn Subjekt und Objekt zugleich, formlos, weil höchste Fülle, konturlos, weil aus dem Ewigen stammend und ins Ewige zurückfließend: selbst bei Shelley, dem ihm verwandtesten lyrischen Geist, erscheint die Begeisterung noch eher irdisch gebunden. Ihm identifiziert sie sich noch mit sozialen Idealen, mit dem Glauben an Menschenfreiheit, an eine Entwicklung der Welt. Hölderlins Begeisterung aber geht wie Rauch in den Himmel ganz ins Ephemere, sie schildert sich, indem sie sich genießt, und sie genießt sich durch Schilderung. Darum stellt Hölderlin unaufhörlich diesen einen eigenen Zustand dar, sein Gedicht ist ein unablässiger Hymnus auf die Produktivität, eine erschütternde Klage über die Sterilität, denn – »die Götter sterben, wenn die Begeisterung stirbt«. Dichtung bleibt für ihn unlösbar an Begeisterung gebunden, so wie sich Begeisterung nicht anders erlösen kann als im Gesang: darum ist sie die Erlösung des einzelnen wie der ganzen Menschheit. »O Regen vom Himmel, o Begeisterung! Du wirst den Frühling der Völker uns wiederbringen«, schwärmt schon sein Hyperion, und sein Empedokles enthüllt nichts anderes als den unerhörten Kontrast zwischen göttlichem (also produktivem) und irdischem (also wertlosem) Gefühl. Seine ganz eigene Art der Inspiration ist deutlich abzulesen aus jenem tragischen Gedicht. Der Urzustand aller Produktivität ist das dämmernde, glücklose, leidlose Gefühl der inneren Schau, des sinnenden Traumes:

       Der Unbedürftge wandelt In seiner eignen Welt; in leiser Götterruhe geht Er unter seinen Blumen, und es scheun Die Lüfte sich, den Glücklichen zu stören.

      Er fühlt nicht die Umwelt: nur aus ihm quillt die geheime Kraft des Auftriebs:

       Ihm schweigt die Welt, und aus sich selber wächst In steigendem Vergnügen die Begeistrung Ihm auf, bis aus der Nacht des schöpferischen Entzückens, wie ein Funke, der Gedanke springt.

      Nicht also aus Erlebnis, aus einer Idee, aus einem Willen entzündet sich in Hölderlin der dichterische Trieb – »aus sich selber wächst« die Begeisterung. Sie entzündet sich nicht an der Reibfläche eines bestimmten Objektes: »unverhofft« »göttlich« flammt sie auf, die unbegreifliche Sekunde, da

       unvergeßlich Der unverhoffte Genius über uns, Der schöpferische, göttlich kam, daß stumm Der Sinn uns ward und wie vom Strahl gerührt das Gebein erbebte.

      Inspiration ist Zündung von oben, Entflammung durch den Blitz. Und nun schildert Hölderlin den eigenen herrlichen Zustand des Aufloderns, die Wegzehrung alles irdischen Erinnerns in den ekstatischen Flammen:

       Hier fühlt er wie ein Gott In seinen Elementen sich, und seine Lust Ist himmlischer Gesang.

      Die Zerstücktheit des Individuums ist aufgehoben, der »Himmel des Menschen« erreicht die Einheit des Gefühls (»Eines zu sein mit Allem, das ist das Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen«, sagt sein Hyperion). Phaethon, die symbolische Gestalt seines Lebens, hat mit dem feurigen Wagen die Sterne erreicht, schon umrauscht ihn die sphärische Musik: in diesen produktiv ekstatischen Sekunden erreicht Hölderlin den Höhepunkt seiner Existenz.

      Aber in dieses Seligkeitsempfinden mengt sich vorbedeutend schon das Ahnen des Sturzes, das ewige Untergangsgefühl. Er weiß, daß solcher Aufenthalt im Feurigen, dieser Blick in Gottes Geheimnis, dies Tafeln an der Unsterblichen Tisch, Sterblichen nur flüchtig gestattet ist. Schicksalswissend spricht er sein Schicksal aus:

       Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch. Traum von ihnen ist drauf das Leben.

      Notwendigerweise muß – Phaethons Ende! – der rauschenden Fahrt im Sonnenwagen der Sturz in die Tiefe folgen.

       Denn es scheint, Als liebten unser ungeduldiges Gebet die Götter nicht.

      Und nun zeigt der Genius, der helle und selige, Hölderlin sein anderes Gesicht, die finstere Dunkelheit des Dämons. Hölderlin stürzt aus der Dichtung in das Leben immer zerschmettert zurück, er stürzt wie Phaethon nicht auf die Erde, in seine Heimat bloß, sondern tiefer noch hinab in ein unendliches Meer von Schwermut. Goethe, Schiller, sie alle kommen aus der Dichtung wie von einer Reise, aus einem andern Lande, ermüdet manchmal, aber doch gesammelten Sinns und heiler Seele: Hölderlin schmettert aus dem dichterischen Zustand wie aus einem Himmel hinab und bleibt verwundet, zerschlagen, ein geheimnisvoll Ausgestoßener in der Sachwelt zurück. Sein Erwachen aus dem Enthusiasmus ist immer eine Art Seelentod, der Zurückgestürzte empfindet das reale Leben sofort wieder als dumpf und gemein, »die Götter sterben, wenn die Begeisterung stirbt. Pan ist tot, wenn Psyche stirbt«. Das wache Leben ist nicht lebenswert, außerhalb der Ekstase alles schal und seelenlos.

      Hier also – kontrapunktisch der beispiellosen Exaltationskraft des Hölderlinschen Organismus gegenübergestellt – wurzelt jene ganz eigentümliche Melancholie Hölderlins, die nicht eigentlich Schwermut war oder eine pathologische Düsternis des Geistes. Auch sie strömt und nährt sich wie die Ekstase einzig aus sich selbst; auch sie hat wenig Zustrom vom Erlebnis (man überschätze die Diotima-Episode nicht!). Seine Schwermut ist nichts anderes als sein Reaktionszustand auf die Ekstase und notwendigerweise unproduktiv, fühlt er sich dort, aufschwingend, Unendlichem verwandt, so wird ihm im unproduktiven Zustand seine ungeheure Fremdheit zum Leben bewußt. Und so möchte ich seine Schwermut nennen: ein namenloses Fremdheitsgefühl, die Trauer eines verlorenen Engels um seine Himmel, ein kindlich klagendes Heimweh nach der unsichtbaren Heimat. Niemals versucht Hölderlin diese Schwermütigkeit über sich hinaus wie Leopardi, wie Schopenhauer, wie Byron zu einem Weltpessimismus zu dehnen (»Der Menschenfeindschaft bin ich feind«), nie wagt seine Frommheit irgendeinen Teil des heiligen Alls als sinnlos zu verneinen: nur sich fühlt er fremd im realen, im praktischen Leben. Er hat keine andere wahre Sprache zu den Menschen als den Gesang: im einfachen Wort, in der Konversation kann er nichts von seinem Wesen verständlich machen; nur von oben herab wie Engelflug kann der Geist ihn überkommen. Ohne die Ekstase aber irrt er, ein »Blindgeschlagener«, durch die entgötterte Welt. »Pan ist für ihn tot, wenn Psyche stirbt«, das Leben ein grauer Haufen Schlacke ohne die Feuerflamme des »blühenden Geistes«. Seine Trauer aber ist machtlos wider die Welt, seine Schwermut ohne Musik: Dichter des Morgenrots, bleibt er stumm in der Dämmerung.

      Der ihn am nächsten kannte und ihn oft in den Tagen des verdunkelten Geistes gesehen, Waiblinger, hat ihn Phaethon genannt in einem Roman. Phaethon – so bildeten die Griechen den schönen Jüngling, der auf dem feurigen Wagen des Gesangs zu den Göttern sich schwingt. Sie lassen ihn nah heran, ein Streif von Licht klingt sein tönender Flug durch die Himmel – dann stürzen sie ihn mitleidlos ins Dunkle hinab. Die Götter strafen, die sich erkühnen, ihnen zu sehr zu nahen: sie zerschmettern ihren Leib, blenden ihren Blick und werfen die Kühnen in den Abgrund des Schicksals. Aber sie lieben die Verwegenen zugleich, die ihnen entgegenbrennen, und setzen ihren Namen dann, heiliger Ehrfurcht zum Beispiel, als reine Bildgestalt unter ihre ewigen Sterne.

      Ausfahrt in die Welt

       Inhaltsverzeichnis

       Oft schläft, wie edles Samenkorn Das Herz der Sterblichen in toter Schale, Bis ihre Zeit gekommen ist.

      Wie in ein feindliches Land tritt Hölderlin aus der Schule in das Leben. Noch im rollenden Postwagen schreibt er – symbolisch genug! – jenen Hymnus »Das Schicksal«, an die »Mutter der Heroen, die eherne Notwendigkeit«. In der Stunde der Ausfahrt ist der magisch Ahnungsvolle schon gerüstet für den Untergang.

      In Wahrheit ist alles für ihn auf das beste bereitet. Kein Geringerer als Schiller hat ihn, da der Vikariatskandidat den mütterlichen Wunsch, Pfarrer zu werden, unbedingt verweigert, als Hauslehrer bei Charlotte von

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