Berg. Ann Quin

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Berg - Ann Quin marix Literatur

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       Haarwasser ist natürlich angesagt, Aly, mein Lieber, bei dem ganzen Ausfall werden sie’s früher oder später brauchen. Ja, ich wage zu behaupten, auch bei kurzem Haar, da kannst du nichts falsch machen, oder?

      Eine echte Garantie, das einzige Haarwasser auf dem Markt, das seinen Preis wert ist und auch Ihren. Kaufen Sie Bergs Haarwasser und seien Sie ein Mann, Sie werden es nicht bereuen …

       Aber es gibt keine Alterszulage, Aly, und was ist zum Schluss mit der Rente, daran hast du nicht gedacht, wie?

      Aber mit einem Lächeln wie deinem, mein Lieber, könntest du ihnen Porno-Taschenbücher verkaufen und sie würden sie für Schneewittchen halten.

      Aber waren sich die meisten Menschen ihrer untergeordneten Stellung, Situation, Rolle im Leben nicht bewusst, machten sie sich nicht früher oder später eine negative Einstellung zu eigen, auf der anderen Seite des Grabes – zwei Fuß weit drin, eine Hand noch draußen? Dieses Mal bedeutet es einen Sprung, wenn ich die Idee weiterverfolge, wenn ich es noch sehr viel länger vor mir herschiebe, könnte es so leicht in sich einstürzen. Das bedeutet natürlich, höchste Zeit zu handeln.

      Als er sich dem Haus näherte, wirkte alles beinahe wie ohne konkrete Ausgestaltung; das Tanzlokal, die Kirche, die Häuser alle flach. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass jeder Muskel vorwärts strebte, das Blut in jedem Finger kribbelte; er war sich der grauen Haare bewusst, des Schmutzes zwischen den Zehen, der Warze an seinem Nabel, dem Muttermal unter dem linken Arm. Alles ist möglich – dass sich nach einer langen Trockenperiode eine Blüte öffnet, Regen aufnimmt.

      Im Flur oben hörte er Judith und den alten Herrn reden. Er schob sich näher an ihre Tür heran, spähte durchs Schlüsselloch. Er sah seinen Vater eine Flasche schwenken, hin und wieder nahm er große Schlucke daraus. Judith, halb nackt, rekelte sich auf der Couch. Er klopfte, trat einen Schritt zurück. Stille. Er spähte erneut, beide waren erstarrt, schauten zur Tür, dann einander an. Er klopfte noch einmal, und noch einmal. Noch immer keine Reaktion. Tritt die Tür ein, der Alte wäre mit zwei Stößen aus dem Fenster. Und Judith? Er hörte den Wellensittich zwitschern. Er pfiff, der Vogel verstummte, fast sah er seinen geneigten Kopf, die perlenartigen Augen zwischen den verrosteten Gitterstäben, die Gesichter erhoben, die Münder offen, die Blicke starr zur Tür gerichtet. Er betrat sein Zimmer, kniete sich aufs Bett. Jetzt hörte er leise ihre Stimmen; was sagten sie, diskutierten sie, planten sie? Wenn er doch nur ein Loch in die Trennwand machen könnte, gerade groß genug für sein Auge. Er fingerte am Holz herum, spürte, wie es nachgab. Er suchte sein Taschenmesser, fing dann an, damit zu schaben, hielt aber alleine aufgrund des Geräuschs inne, außerdem war das Holz viel zu massig, man würde einen Bohrer brauchen. Außerdem interessierte er sich gar nicht so sehr dafür, was zwischen ihnen vor sich ging. Das einzige, was ihn auffraß, würde schon bald vergangen sein. Er zündete eine Zigarette an, inhalierte langsam und lehnte sich zurück. Hinter dem Riss in der Zimmerdecke das berauschte Gesicht des alten Herrn, blau: eine Unterwasserpflanze rankte heraus, die Augen leuchteten, bereit, gepflückt zu werden; eine letzte Geste in Hinblick auf Erbansprüche und Gegenansprüche. Aber ich gehöre zu niemandem, daher sind Bindungen Betrug, Selbstverbannung, eine Absage an den eigenen Fortbestand, die Selbstüberhöhung; das Ego ist nur dazu da, Bedeutung zu verleihen.

      Wieder bewegte sich die Trennwand und einmal dachte er, sie würde ganz umkippen. Er vergrub seinen Kopf im Kissen, das nachhaltig nach Mottenkugeln stank, gemischt mit kaltem Tabak. Aber da waren Augen, die ihn umgaben, vom Meer, Schlangen, die ihre Körper in die Iris peitschten, sich das spektralfarbene Licht der Tanzlokalscheinwerfer zu eigen gemacht hatten. Wenn ich die Dinge nur dazu bringen könnte, sich vor der Majestät vollkommener Allmacht zu verneigen, einen Heiligenschein um alle Begierden zeichnen. Warum verschwindet Macht immer, sobald man mit ihr in Berührung kommt? Ist es wirklich nötig, Gefolgsleute zu haben, die Befehle ausführen, die Verantwortung weiter- und abzugeben, indem man sich selbst die eigentliche Tat untersagt? Taten! Auch jetzt noch zupfte er an der Haut, die das Geschwulst bedeckte, ich muss sie aufreißen, es sichtbar machen, warum noch zögern?

      Die beste Gelegenheit würde sein, wenn sein Vater eines Abends betrunken war. Ja, warte ab, bis dahin, in der Zwischenzeit solltest du dir vielleicht ein perfektes Alibi ausdenken, für das perfekte Verbrechen? Nein, nein, das wohl kaum, ein winziger Fehler am Rande, es ist so leicht, so was zu versauen, ein kleiner Fehler, irgendwas Übersehenes. Sich an nichts zu erinnern wurde bislang fast bis zur Perfektion ausgeübt. Überlege und überlege im Vorfeld noch einmal, überdenke jeden einzelnen Punkt, bis ins kleinste Detail, markiere alle Punkte.

      Er zeichnete ein geometrisches Diagramm an die abblätternde Wand hinter dem Bett. Auf jeden Fall brauchte es eine Strategie, Überlegung vor der Tat; hoffnungslos, irgendwas in der Hitze des Gefechts zu machen. Schlechte Laune fiel ihm in schuppigen Flocken auf den Kopf – Schnee auf einem gepflügten Feld – er schloss die Augen. Warum sollte ich letztlich scheitern, aufsteigen, nur um zu fallen? Spekulationen im Absurden setzen dem Projekt bestimmt schon an sich Grenzen? Geh furchtlos voran. Er kehrte dem Regen den Rücken, der ans Fenster spritzte, vergrub sein Gesicht im Kissen, wandte sich ab von dem verbrannten Geruch, der sich dieses Mal entschlossen hatte, über Nacht zu bleiben, auch für den Tag.

      Zwei Tage war der Alte jetzt weg. Berg lauschte Judiths Klappern hinter der Trennwand; ihren unzähligen Gängen an die Treppe, wenn das Telefon klingelte.

      War der Alte jetzt endgültig gegangen? Warum bin ich ihm nicht gefolgt, als sich die Gelegenheit bot? Als hätte mich die mentale Anstrengung, den richtigen Augenblick zu berechnen, körperlich mehr oder weniger gelähmt. Achtundvierzig Stunden und hier bin ich immer noch; eine Dose Bohnen ist noch da, eine Scheibe Speck, wahrscheinlich schon verdorben und kaum einen Schilling für den Gaszähler. Sollte ich Erkundigungen nach dem Alten anstellen, natürlich ohne zu viel Misstrauen oder Neugierde zu erregen? Die Vermieterin könnte zuerst angegangen werden. Das will ich hoffen, dass der wiederkommt, wissen Sie, Mr. Greb, die haben seit über drei Wochen keine Miete bezahlt, wenn Sie den alten Herrn also sehen, oder sie, sagen Sie, ich würde gerne mal ein Wörtchen mit ihnen reden. Hab’ mir ja viel gefallen lassen, wirklich, wo sie noch nicht mal verheiratet sind, geht mich ja nichts an, ich meine, solange sie das Zimmer anständig in Schuss halten, die Miete bezahlen. Trotzdem finde ich, dass sie sich zu sehr zur Schau stellt, kein Schamgefühl mehr heutzutage. Wenn ich Sie wäre, Mr. Greb, würde ich mich von der fernhalten, schwängern Sie die bloß nicht wegen einem Schilling oder so, wenn Sie einen wollen, dann kommen Sie runter, ich hab’ immer genug da. Wenn er weg ist, kann man’s ihm ja eigentlich nicht verdenken. Hören Sie auf meine Worte, es wird nicht lange dauern, bis die sich mit einem anderen armen Tunichtgut einlässt, die Sorte kenne ich.

      Berg grinste in den Spiegel, auf die Landschaft, die sich der inneren Planung anglich; er presste die Finger in die Furchen seiner Stirn, um die Nase herum, den Mund, dann wieder nach oben, zögerte an der bleichen Bestürzung zwischen den Falten unter seinen Augen. Ging es nicht ausschließlich darum, Judiths Gefühle zu bearbeiten, diese Emotionen, die noch nicht ganz in der Gussform getrocknet waren? Wer hätte gedacht, dass sich so etwas aus einer solchen Verbindung ergibt, auf die richtige Art überzeugt, würde er letztlich nicht reich belohnt werden?

      Sollte man einen Brief unter ihrer Tür durchschieben, oder lieber warten, bis sie sich auf der Treppe begegneten, auch wenn man sich in letzter Zeit nur flüchtig gesehen hatte – der Sache Zeit geben? Zeit? Sogar jetzt ging draußen jemand vorbei, war es Judith? Berg öffnete seine Tür ein kleines Stück, sah seinen Vater nebenan durchs Schlüsselloch spähen. Der Drecksack ist also zurück – nein, Moment mal, nein, verdammt, er wendet sich ab, aber warum? War er in der unwahrscheinlichen Hoffnung zurückgekommen, Judith wäre nicht da, um seine Habseligkeiten zu holen und für immer zu verschwinden? Schon schlug die Haustür zu.

      Berg konnte seinen Vater nicht auf der Straße sehen. Er ging weiter, bis er den Stadtrand erreichte. Das Meer ein Ungeheuer, das sich wie betäubt im Schlaf herumwälzte. Regen

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