Attentäter Null. Джек Марс
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„Was ich tun muss”, sagte er geradeheraus, „ist hier mit dir und Sara sein. Es ist Thanksgiving, verdammt noch mal...”
„Anscheinend haben das nicht alle mitgekriegt.” Sie tat dasselbe, was er für gewöhnlich tat. Sie versuchte, die Situation mit ein wenig Humor zu zerstreuen. „Ist schon OK. Sara und ich kümmern uns um das Essen. Komm einfach zurück, wann du kannst.”
Er nickte, war ihr dankbar für ihr Verständnis und wollte noch etwas sagen, doch letztendlich murmelte er nur „Danke” und ging in sein Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Es gab nicht mehr zu sagen - denn Maya wusste genauso gut wie er, dass sein Tag vermutlich in einem Flugzeug enden würde und nicht hier mit seinen Töchtern beim Abendessen.
KAPITEL SECHS
Sollte jemand über die Phrase „Mittleres Amerika” sinnieren, so glichen die Eindrücke, die dabei aufkämen, erschreckend Springfield in Kansas. Das Städtchen war von sanft abfallendem Farmland umgeben. Es war ein Ort, an dem es mehr Kühe als Einwohner gab, so winzig, dass man ihn mit einem einzigen Atemzug durchfahren konnte. Manche fänden ihn idyllisch. Manche nennten ihn charmant.
Samara fand ihn widerlich.
Es gab einundvierzig Gemeinden und Städte in den Vereinigten Staaten, die sich Springfield nannten, was dieses Städtchen nicht nur unscheinbar sondern geradezu einfallslos machte. Es gab um die achthundert Einwohner und die Hauptstraße bestand aus einer Post, einer Grillkneipe, einem Tante-Emma-Lädchen, einer Apotheke und einem Futtergeschäft.
Aus all diesen Gründen und noch mehr war sie perfekt.
Samara zog sich ihr hellrotes Haar zurück in einen Pferdeschwanz, entblößte dabei die kleine Tätowierung im Nacken, das einzelne, einfache Zeichen für ,Feuer’ - was Pinyin Huŏ ausgesprochen wurde. Das war auch der Nachname, den sie nach dem Überlaufen angenommen hatte.
Sie lehnte sich gegen den kommerziellen Kastenwagen und überprüfte ihre Fingernägel, wartete auf den richtigen Moment. Sie konnte von dort aus die Musik hören, Jugendliche, die schlecht spielten, während sie zum Takt einer rasselnden Wirbeltrommel marschierten. Bald kämen sie an ihrem Standort an.
Hinter ihr, im Frachtraum des Wagens, befanden sich vier Männer und die Waffe. Der Angriff auf Havanna war erstaunlich gut, sogar einfach, abgelaufen. Mit ein wenig Glück würden die kubanische und amerikanische Regierung annehmen, dass es sich um Tests hielt, doch ihre Waffe war schon reichlich getestet worden. Der Zweck des Attentats auf Havanna war weitaus mehr, es sollte Chaos erzeugen. Verwirrung sähen. Die Illusion einer rechtzeitigen Warnung schaffen, während die Mächtigen sich an den Köpfen kratzten und wunderten.
In der Nähe saß Mischa auf dem Bordstein hinter dem bunten Kastenwagen und zupfte gelangweilt an welkem Unkraut, dass sich seinen Weg durch die Risse im Asphalt gebahnt hatte. Das Mädchen war zwölf, normalerweise ernst, pflichtbewusst, leise und herrlich tödlich. Sie trug Jeans, weiße Turnschuhe und, fast komisch, einen blauen Kapuzenpulli, auf den das Wort BROOKLYN in weißen Buchstaben gedruckt war.
„Mischa.” Das Mädchen schaute auf, ihre grünen Augen waren dumpf und passiv. Samara streckte eine Faust aus und das Mädchen öffnete ihre Hand. „Es ist fast Zeit”, sagte ihr Samara auf russisch, als sie zwei Gegenstände in die kleine Handfläche legte - elektronische Ohrstöpsel, entworfen, um einer bestimmten Frequenz entgegenzuwirken.
Die Waffe an sich war unbeachtlich, sogar hässlich. Sähen sie die Waffe, so hätten die meisten keine Ahnung, was sie da anblickten, und dass solch ein Gerät überhaupt eine Waffe war - was nur zu ihrem Vorteil war. Die Frequenz wurde durch eine breite schwarze Scheibe ausgestoßen. Sie hatte einen Durchschnitt von einem Meter und war mehrere Zentimeter dick. Das erzeugte die ultra-tiefen Schallwellen in einem unidirektionalen Kegel. Der stärkste Effekt wurde in einem Bereich von etwa einhundert Metern gespürt, doch die schädlichen Auswirkungen der Waffe konnte man bis zu dreihundert Meter entfernt spüren.
Die schwere Scheibe war auf einen sich drehenden Apparat montiert, der sie nicht nur aufrecht wie eine Satellitenschüssel hielt, sondern durch den man sie auch in jegliche Richtung drehen konnte. Der Apparat war hingegen auf einen Stahlwagen mit vier dicken Reifen geschweißt, auf dem sich auch die Lithium-Ionen-Batterie befand, welche die Waffe mit Strom versorgte. Die Batterie allein wog schon dreißig Kilo. Alles zusammen, mit dem Stahlwagen, wog die Ultraschallwaffe fast hundertfünfzig Kilo, weshalb solche Waffen normalerweise auf Schiffen oder Jeeps angebracht waren.
Brächte sie jedoch ihre Waffe auf einem Fahrzeug an, so wäre sie dadurch wesentlich weniger mobil und viel auffälliger, weshalb die vier Männer im Kastenwagen notwendig waren. Jeder von ihnen war ein hoch-trainierter Kommando, aber in ihren Augen waren sie kaum mehr als glorifizierte Umzugshelfer. Wäre die Waffe leichter, einfacher bewegbar, dann hätten Samara und Mischa diesen Einsatz allein durchführen können, war sie sich sicher. Doch sie mussten das nehmen, was sie bekommen konnten und die Waffe war so kompakt wie möglich, wenn man ihre Leistungsfähigkeit bedachte.
Samara hatte sich wegen der Logistik ein paar Sorgen gemacht, doch bisher hatten sie keine Probleme damit gehabt. Sofort nach dem Attentat in Havanna hatten sie die Waffe über eine Rampe auf ein Boot gebracht, das sie nördlich nach Key West brachte. Auf dem kleinen Flugplatz wurde sie rasch auf ein Frachtflugzeug mittlerer Größe umgeladen, das sie nach Kansas City brachte. Alles war schon Wochen zuvor arrangiert, gekauft und bezahlt. Jetzt mussten sie nur noch den gründlichen Plan durchführen.
Samara schlenderte gelassen zur Ecke des Häuserblocks, während die Musik der Blaskapelle anschwoll. Jetzt konnte man sie sehen, wie sie auf sie zumarschierten. Der Kastenwagen war auf dem Bürgersteig vor dem Tante-Emma-Laden geparkt, zwei Autolängen von der Ecke entfernt, an der orangefarbene Verkehrskegel die Straße blockierten, um Platz für den Umzug zu schaffen.
Samara hatte gut recherchiert. Jedes Jahr organisierte das Gemeindecollege von Springfield einen Thanksgiving-Umzug, der von ihrer Blaskapelle angeführt wurde und einer umschweifigen Route folgte, die an einem örtlichen Park begann, sich durch das Städtchen wand und dann wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrte. Ganz vorne schritt ein junger Tambourmajor, der einen lächerlich hohen Hut trug und einen Taktstock herzlich in einer Faust schwang. Nach der Blaskapelle marschierte das erfolglose Footballteam des winzigen Colleges, das von seinem Cheerleading Team gefolgt wurde. Hinter ihnen fuhr ein Cabrio, in dem der Bürgermeister und seine Frau saßen und dahinter die örtliche Feuerwehr. Ganz am Ende befanden sich die Mitglieder der Fakultät und der Leichtathletikverein.
Es war alles so übelerregend amerikanisch.
„Mischa”, sagte Samara erneut. Das Mädchen nickte kurz und steckte sich die elektronischen Stöpsel in die Ohren. Sie stand vom Bürgersteig auf und nahm eine Position in der Nähe der Fahrerkabine des Wagens ein, lehnte sich gegen die Fahrertür, um den Bereich der Frequenz zu vermeiden.
Samara zog ein Funkgerät aus ihrem Gürtel. „Zwei Minuten”, sprach sie auf russisch hinein. „Schaltet sie ein.” Sie hatte dem Team selbst russisch beigebracht und darauf bestanden, dass sie nur diese Sprache in der Öffentlichkeit benutzten.
Ein alter Mann in einem Fleecepullover zog die Stirn in Falten, als er an ihr vorbeiging. Es war etwa so seltsam russisch in Springfield, Kansas zu hören, wie einen Shar-Pei-Hund dabei zu beobachten, kantonesisch zu sprechen. Samara schielte düster zu ihm hinüber und er beeilte sich, weiterzukommen, hielt erst inne, als er die Straßenecke erreichte, um den Umzug anzusehen.