Die Geheimnisse von Paris. Эжен Сю

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Die Geheimnisse von Paris - Эжен Сю Große verfilmte Geschichten

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dicker Portier auf, ein Mann von etwa fünfzig Jahren, mit schläfrigem, gutmütigem Gesicht, rotem Backenbarte und einer Glatze. In der Haube, die ich mir vorher aufgesetzt hatte, sah ich wie eine Frau aus der Nachbarschaft. Kaum hatte der Portier sich gezeigt, so fing ich an zu jammern, mir sei mein Papagei verflogen. Ich hätte ihn von der Rue Marboeuf, wo ich wohnte, von Garten zu Garten verfolgt. Jetzt wäre er hierher geflogen. Ich bat, mir Zutritt in den Garten zu gestatten, was mir auch erlaubt wurde.«

      Bakels Gesicht strahlte vor Freude, als er auf die Eule hinschaute, und rief mit Stolz: »Ja, das ist noch eine Frau! Das ist noch eine Frau!« – Rudolf fügte bei, um beim Räuber eine bessere Meinung von sich zu wecken: »Ja, es war ein recht, recht kluger Schachzug!« – Die Eule erzählte weiter: »Der Portier erlaubte mir also, in den Garten zu gehen. Ich guckte mich dort überall um, damit mir nichts entginge. An den Innenmauern sind überall Geländer, richtige Treppen. Links an der Ecke steht eine Fichte, die ganz gut als Leiter dienen kann. Im Erdgeschoß hat das Haus sechs Fenster und vier Kellerlöcher, aber ohne Kellerhälse. Obere Stockwerke gibt es nicht. Vor den Fenstern sind Läden. Die Eingangstür ist eine Glastür mit zwei Vorsetzern.« – »Stimmt alles genau«, bemerkte Rudolf. – »Links im Hofe«, fuhr die Einäugige fort, »sieht ein Ziehbrunnen. Hier ist die Mauer ohne Geländer. Das Brunnenseil ließe sich aber, falls der Rückzug zur Tür abgeschnitten würde, recht wohl als Ersatz für das fehlende Geländer brauchen.«

      »Du bist doch auch im Hause drin gewesen?« fragte Bakel mit Stolz. – »Allerdings«, versetzte die Einäugige, »da ich meinen Papagei nicht fand, stellte ich mich erschöpft und bat den Portier, mich ein paar Augenblicke auf der Schwelle ausruhen zu dürfen. Der Mann erlaubte es mir nicht bloß, sondern brachte mir als Labetrunk ein Glas Wein mit Wasser. Ueberall liegen Teppiche, so daß man weder Tritte noch eine eingedrückte Scheibe klirren hören würde. Rechts und links befinden sich Türen mit gewöhnlichen Schlössern, die kinderleicht aufgehen. Im Hintergrunde befindet sich eine Tür, stark und verschlossen. In dem Hause riecht es förmlich nach Geld. Ich hatte mein Stück Wachs in der Tasche. Um ein paar Augenblicke den Portier zu entfernen, klagte ich über starke Schwäche und bat den Mann, mir ein Stück Zucker zu geben. Er ging in die Nebenstube, und bald darauf hörte ich Silberzeug klirren. Vergiß nicht, Mann, daß in diesem Zimmer wahrscheinlich Silber über Silber liegt. Ich tat, als wenn mich ein starker Husten befiele, und näherte mich langsam der Tür, mit meinem Stück Wachs in der Hand, das ich nun auf das Schloß drückte. Da hast du den Abdruck davon, Männchen!« Die Eule gab dem Räuber das Stück Wachs ... »Das ist doch die Tür zu dem Gelde?« fragte die Eule. – Rudolf nickte. – »Aber es ist nicht alles Geld da«, fügte die Eule mit funkelndem Auge; »als ich ans Fenster hintrat, um noch einmal zu sehen, ob sich mein Papagei angefunden, sah ich in einem Zimmer links von der Tür auf einem Schreibsekretär etwa ein Dutzend Geldsäcke stehen.«

      »Wo ist der lahme Junge?« fragte Bakel mit einem Mal. – »Er steht noch immer Schmiere vor der Gartentür, zwei Schritte davon entfernt, in einem Loche. Er sieht im Finstern wie die Katzen. Ein anderer Zugang zum Hause ist nicht vorhanden. Kommen wir hin, so werden wir von ihm erfahren, ob vor uns jemand hineingegangen ist oder nicht.« – »Schön! Hast deine Sache gut gemacht«, sagte Bakel, dem häßlichen Weibe einen Kuß gebend.

      Kaum hatten die Worte den Weg über seine Lippen genommen, als er wie ein Tiger über Rudolf herstürzte, so unversehens, daß Rudolf den Angriff nicht zu parieren vermochte, ihn an der Kehle packte und in das hinter dem Tische gähnende Kellerloch stürzte. Die Eule schrie vor Entsetzen laut auf. Als das Geräusch von Rudolfs Sturz verhallt war, stieg Bakel, wohlbekannt in dem Hause, langsam in den Keller hinunter und lauschte. Zuerst war nichts zu hören; kurz darauf kreischte in der Kellertiefe eine verrostete Tür. Dann herrschte wieder völlige Stille, gepaart mit völliger Finsternis. Die Eule langte aus ihrem Beutel ein Streichholz und steckte ein Lichtchen an, dessen matter Schein sich in der düstern Stube verbreitete ... Da erschien des Räubers gräßlich entstelltes Gesicht wieder im Rahmen des Kellerhalses.

      Vor die Kellertür eine eiserne Stange schiebend, rief er: »Nun geschwind nach der Allee des Veuves! Geschwind! Denn in einer Stunde möchte es zu spät sein.«

      Fünftes Kapitel. Im tiefen Keller

      Rudolf war durch den Sturz in die Tiefe ohnmächtig geworden und bewegungslos an der Kellertreppe liegen geblieben. Der Räuber hatte ihn bis zum zweiten, noch tieferen Kellerloche geschleppt, hinter ihm die dicke, mit Eisen beschlagene Tür zugeschlagen und sich darauf wieder zu der Einäugigen begeben, um mit ihr über den Einbruch, vielleicht gar Mord, in der Allee des Veuves zu beraten.

      Eine Stunde war reichlich verstrichen, als Rudolf wieder langsam das Bewußtsein wiedergewann. Um ihn herum lagerte tiefe Finsternis. Als er die Arme ausstreckte, um sich einigermaßen zu orientieren, traf er auf Steine. Zu seinen Füßen griff er in etwas Kaltes, das nichts anderes war als eine Wasserpfütze. Nach allerhand Mühen glückte es ihm, sich auf die oberste Stufe hinauf zu arbeiten. Die Betäubung wich langsam von ihm, er versuchte, sich ein paarmal zu bewegen, dann lauschte er, hörte aber weiter nichts als ein fortwährendes gleichmäßiges Rauschen, dessen Ursache er alsbald erriet: es rührte von dem in den Keller eindringenden Wasser her. Die Seine hatte Hochwasserstand, und der Keller, worin er sich befand, lag auf Ueberflutungsterrain.

      Diese unmittelbare Lebensgefahr gab Rudolf all seine Stärke wieder. Blitzschnell war er die ganze Treppe hinauf gerutscht. Oben stieß er gegen eine Tür, gegen die er sich mit aller Wucht seines Körpers stemmte, aber sie rührte sich nicht in ihren Angeln. In dieser verzweifelten Situation wanderten seine Gedanken zu Murph ... »Ist er nicht scharf auf seiner Hut,« dachte er schaudernd, »dann fällt er diesem Unhold sicher gleich mir zum Opfer, und niemand anders als ich ist davon Ursache ... Armer Murph!« – In der Hoffnung, in dem Keller einen Gegenstand zu finden, der sich als Hebel benutzen lassen möchte, stieg er die Kellerstufen wieder hinunter. Auf der vorletzten Stufe stieß er mit dem Fuße an ein paar weiche Körper: Ratten! Sie waren vor dem Wasser aus ihren Löchern gewichen. Bis an die Kniee im Wasser stehend, suchte er in dem Keller überall herum, ohne daß es ihm gelang, etwas zu finden. Am Leben verzweifelnd, stieg er langsam die Treppe wieder hinauf. Er schrie aus Leibeskräften, in der Hoffnung, die Gäste oben möchten ihn hören; aber nichts, nichts, als das schwache, ununterbrochene Rauschen des ständig steigenden Wassers drang zu seinen Ohren. Nur fünf Stufen waren noch frei von Wasser. Richtete sich Rudolf an der Tür in die Höhe, stieß er mit der Stirn an die Decke. Wann ihn der Tod ereilte, ein langsamer, schrecklicher Tod, das ließ sich fast auf die Sekunde berechnen. Und immer höher hinauf flüchteten sich die Ratten, auf der Suche nach einem Ausgang, den sie gleich ihm nicht finden konnten. An seinen Kleidern kletterten sie in die Höhe. Wenn er sie von sich streifen wollte, bissen sie ihn in die Hände. Beim Sturz in den Keller war seine Bluse aufgerissen worden, an den nackten Stellen seiner Brust suchten die ekelhaften Tiere Zuflucht, und so oft er sie von sich schleuderte, ebenso oft kamen sie auch wieder an ihn heran.

      Immer und immer wieder schrie er nach Hilfe, aber niemand hörte ihn, und was ihn jetzt mit unsagbarem Entsetzen erfüllte, war die Gewißheit, daß er bald nicht mehr die Kraft haben würde, zu schreien, denn schon reichte ihm das Wasser bis an die Brust. Wie lange würde es noch dauern, dann hätte es eine Höhe gewonnen, daß es ihm bis an den Mund reichte!

      In diesem letzten Augenblicke, vor der Nähe eines gräßlichen Todes, gedachte er noch einmal all jener Umstände, die ihn bewogen hatten, sich auf ein erhabenes Unternehmen einzulassen, das seine beiden Leidenschaften: die Liebe zum Guten und den Haß gegen alles Schlechte, befriedigte, ihm aber auch Buße für die eigenen Vergehen sein sollte. Aber er fiel nicht darob in Verzweiflung, sondern ertrug sein grauses Geschick mit Demut und Unterwürfigkeit, wenn er sich auch, so lange noch der Lebensinstinkt in ihm arbeitete, sich mit aller Kraft seines Geistes gegen den Tod wehrte. Es wurde ihm zu mute, als drehe er sich um sich selbst: Schwindel befiel ihn und riß seine Gedanken in seine raschen, schrecklichen Wirbel hinein; das Wasser brauste ihm

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