Sophienlust Bestseller 5 – Familienroman. Marisa Frank
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»Laß mich!« Andreas griff nach dem Taschentuch. »Michael wieder lieb«, kommandierte er. »Da!« Er reichte dem Bruder das Taschentuch, und als dieser nicht danach griff, hielt er es ihm direkt unter die Nase. Michael schneuzte sich tief.
»So ist es gut«, lobte Andreas. »Komm!« Er legte seinem Bruder den Arm um die Schultern. Andreas sprach in ernstem, mahnendem Ton. Es war offensichtlich, daß er die Mutter nachmachte.
»Ich werde verrückt!« Henrik schlug die Hände zusammen. »Die sehen ja ganz gleich aus. Die kann ich nie auseinanderhalten. Wer ist Michael und wer ist Andreas?«
»Michael weint immer«, meinte Heidi. Sie sah Denise an. »Tut ihm etwas weh? Soll ich ihm Schokolade geben?«
»Lade.« Begehrend streckte Andreas seine Hände aus.
Heidi lachte. »Eigentlich wollte ich deinem Bruder Schokolade geben, aber du bekommst natürlich auch welche. Ich hole sie dir.« Heidi lief zur Treppe hin, die hinauf in den ersten Stock führte. Dort befanden sich die kleinen Schlafzimmer der Kinder, mit je zwei Betten.
»Heidi, bleib hier«, rief Henrik. »Mutti spendiert sicher eine Schokolade! Nicht wahr, Mutti, oder muß ich Magda darum bitten?«
»Das ist Erpressung. Wenn ich jetzt nein sage, dann läufst du in die Küche, und Magda gibt dir eine Schokolade.«
»Ganz sicher, besonders, wenn sie die beiden Kleinen sieht.« Henrik grinste. »Mensch, Mutter, ich finde es spitze, daß du sie mitgebracht hast. Woher hast du sie denn?«
»Das ist eine traurige Geschichte.« Denise wurde ernst. »Lauf lieber ins Büro. In der Schreibtischschublade liegt eine Tafel Schokolade.«
Henrik jedoch rührte sich nicht. »Mutti, erzähl schon! Du weißt, ich mag Geschichten.«
»Nicht jetzt«, wehrte Denise ab.
Henriks Unterlippe schob sich nach vorne. »Ich darf nie etwas erfahren. Nick würdest du es sofort erzählen. Mutti, das ist unfair. Einmal möchte ich etwas zuerst hören.«
Denise verstand ihren Sohn. Er war eifersüchtig auf seinen älteren Bruder Nick. Dominik von Wellentin-Schoenecker war der eigentliche Erbe von Sophienlust. Denise verwaltete das Kinderheim für ihn bis zu seiner Großjährigkeit.
»Nick darf alles«, maulte Henrik da auch schon weiter.
»Wenn ich ins Bett muß, geht er noch mit Pünktchen spazieren. Er weiß alles, jeder sagt ihm alles.«
»Henrik.« Heidi zupfte den Jungen am Ärmel. »Du kannst doch mit Tante Isi später streiten. Jetzt mußt du die Schokolade holen. Michael weint noch immer.«
»Ich möchte wissen, warum er weint«, erklärte Henrik, dann trollte er sich aber doch ins Büro. Er mußte dazu nur die Halle des Kinderheims durchqueren. Sie war der Mittelpunkt. Von hier führten Türen zu allen im Erdgeschoß liegenden Zimmern. Wenig später kam er mit der Schokolade zurück. Er brach sie auseinander. »Die eine Hälfte ist für Andreas.«
»Ich will Michael die Schokolade geben«, bat Heidi. »Schnell! Er soll nicht länger weinen.«
Michael hörte jedoch nicht auf. Als Heidi ihm die Schokolade hinhielt, schüttelte er den Kopf.
»Ich«, sagte Andreas, und ehe Heidi sich versah, hatte er ihr die Schokoladenhälfte, die für seinen Bruder bestimmt war, aus der Hand genommen. »Ich esse sie. Lade ist gut.«
»Und was ist mit Michael?« Vorwurfsvoll sah Heidi den Kleinen an. Er hatte beide Schokoladenhälften hinter seinem Rücken verborgen.
»Michael mag nicht.« Andreas schielte zu seinem Bruder hinüber.
»Wir müssen Michael aber trösten. Er sieht so traurig aus. Da, er weint schon wieder.«
Andreas schnitt eine Grimasse. Er ging zu Denise, hielt ihr die Schokoladenhälften hin. »Halten für Andreas. Bitte«, setzte er hinzu. »Ich muß schimpfen. Schimpfen mit Michael.«
Denise nahm ihm die Schokolade ab. Sie war genauso neugierig wie Heidi und Henrik, was Andreas nun tun würde. Dieser zögerte nicht. Er stemmte die Hände in die Seiten und nahm vor seinem Bruder Aufstellung. »Aufhören, lieb sein! Sofort!«
»Nicht.« Heidi lief zu Andreas. »Vielleicht tut ihm etwas weh. Kann er nicht sprechen?«
»Doch!« Andreas machte ein grimmiges Gesicht. »Los!«
»Mami, ich will zu Mami.« Michael schluchzte laut.
Auch Henrik hatte Mitleid mit dem Kleinen. Er eilte ebenfalls heran und zog Michael in seine Arme. »Nicht, du mußt nicht weinen. Natürlich darfst du zu deiner Mami. Onkel Henrik wird dafür sorgen. Ich verspreche es dir.« Über den Kopf des Kleinen sah er seine Mutter vorwurfsvoll an.
»Henrik!« Denises Stimme klang mahnend. In seiner Hilfsbereitschaft schoß ihr Sohn gern über das Ziel hinaus.
»Aber, Mutter! Die beiden sind doch noch so klein. Sie brauchen ihre Mami.«
»Zu Mami gehen«, forderte nun auch Andreas. Er packte Henriks Hand. Die Schokolade schien er vergessen zu haben. »Mami wecken. Mami schlafen.«
»Deine Mami schläft, ja, dann ist alles kein Problem. Dann müssen wir nur so lange warten, bis sie aufgewacht ist. Wißt ihr was, bis dahin spiele ich mit euch.« Henrik war Feuer und Flamme. Zu seiner Mutter schaute er nicht mehr hin. Er mußte jedoch eingestehen, daß Michael nicht so leicht zu beruhigen war.
»Mami, will zu Mami. Bitte, bitte.« Er schniefte, dann legte er mit einer treuherzigen Geste seine Händchen gegeneinander.
»Gut, wir werden nicht warten, bis deine Mami aufgewacht ist.« Henrik warf sich in die Brust. Hoheitsvoll stiefelte er auf seine Mutter zu. »Mutti, du mußt etwas tun.«
»Henrik, ich kann nichts tun«, sagte Denise ernst.
»Man muß ihre Mutter wecken. Wo schläft sie denn? Ich verstehe überhaupt nicht, wie man unterwegs schlafen kann.« Temperamentvoll blitzten Henriks Augen.
»Langsam, mein Junge.« Denise legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wenn ich etwas tun könnte, dann hätte ich es getan.«
»Du kannst nicht?« Henriks Gesicht wurde lang.
»Nein, ich kann nicht.« Denise sah ihrem Sohn in die Augen, dann suchte ihr Blick die Zwillinge. Michael weinte schon wieder leise vor sich hin. Sie unterdrückte einen Seufzer, dann sagte sie: »Hol Schwester Regine, dann gib Magda Bescheid. Sie soll für die Zwillinge eine Kleinigkeit zum Essen richten. Ich weiß nicht, wann sie das letzte Mal etwas bekommen haben. Sicher sind sie auch müde«, fuhr sie fort. »Der Tag war für sie sehr anstrengend.«
»Sie bleiben also bei uns.« Henrik war zufrieden. »Magda soll etwas Besonderes für die beiden machen. Vielleicht Grießbrei mit sehr viel Schokolade.«
Unwillkürlich lächelte Denise. Grießbrei hatte ihr Jüngster einst für sein Leben gern gegessen.
»Soll ich die beiden nicht