Der Bergpfarrer Extra 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Extra 2 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer Extra

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gibt’s denn, Hochwürden? Sie möchten doch net von ungefähr ein Stück mit mir gehen. Falls Sie wissen möchten, wie’s auf dem Hof läuft, dann kann ich nur sagen, wir vertragen uns. Die Annika und ich sind auf dem besten Weg, net nur Schwägerinnen zu werden, sondern auch beste Freundinnen.«

      »Das freut mich«, erklärte Sebastian. »Und das sag’ ich net nur so. Ich freu’ mich für dich, für den Thorsten und für die Annika. Wenn ihr das beibehaltet, ist euch eine glückliche Zukunft sicher. Doch das ist net der Grund, weshalb ich mit dir sprechen möcht’. Aber gehen wir doch weiter.«

      Sie setzten sich in Bewegung. Thorsten und Annika waren schon einige Schritte vor ihnen. Sie befanden sich jetzt auf einem Feldweg zwischen verschneiten Äckern, Feldern und Wiesen.

      »Was gibt’s denn, Hochwürden?«

      Sebastian überlegte, wie er beginnen sollte. Er wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. »Ich weiß net, ob du’s schon gehört hast, Nadine«, sagte er. »Bei der Raiffeisenbank wird ab Montag der Nachfolger vom Schraml-Hubert anfangen. Sicher ist dir bekannt, dass der Hubert in Rente gegangen ist.«

      »Ja, ja, ich hab’ davon gehört. Ist das für mich irgendwie bedeutsam?«

      »Möglicherweise.«

      Nadine schaute den Pfarrer von der Seite an. »Sie machen mich neugierig, Hochwürden.«

      »Kannst du dir net denken, wer die Nachfolge im Vorstand der Bank antritt?«

      Nadine machte noch zwei Schritte, und währenddem schien ihr eine Idee zu kommen. Sie hielt an, als wäre sie gegen ein unsichtbares Hindernis gelaufen. »Jetzt sagen S’ bloß …«, ächzte sie.

      Sebastian nickte.

      *

      Das Herz schlug Nadine bis zum Hals hinauf, in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. ›Christian!‹, schrie eine Stimme in ihr. ›Er kommt nach St. Johann zurück! Er – und seine Familie. Wir werden uns begegnen, und … und …‹ Sie wusste selbst nicht, was dann sein würde. Einer Ohnmacht nahe stammelte sie: »Ist – er – etwa – schon – da?«

      Sebastian wusste es nicht und sagte dies Nadine auch. Betroffen registrierte er, dass genau das eingetreten war, was er auf keinen Fall beabsichtigt hatte. Die alte Wunde, die die Trennung von Christian Albersdörfer damals bei Nadine hinterlassen hatte, war aufgebrochen.

      Nadine entrang sich ein Laut, der sich anhörte wie verzweifeltes Schluchzen.

      Sebastian verspürte ein grenzenloses Gefühl des Mitleids. Die Zweiunddreißigjährige war in all den Jahren scheinbar nicht darüber hinweggekommen. Es hatte sie verbittert und hart werden lassen. Er begann einiges zu verstehen. »Du hast es net gewusst?«, fragte er.

      »Nein«, würgte sie hervor. Ein tiefer Atemzug folgte. »Warum tut er mir das an?« Ihre Stimme war dünn wie ein Windhauch. Mit fahriger Geste strich sie sich über das Gesicht. »Er – er muss doch wissen, dass – dass …« Ihre Stimme brach.

      »Es tut mir leid, Nadine«, murmelte der Pfarrer. »Ich wollt’ dich darauf vorbereiten, nachdem mir Frau Tappert erzählt hat, dass ihr – der Christian und du – einmal ein Paar wart. Es ist schließlich einige Jahre her.«

      »Fast sieben Jahre, Hochwürden.« Nadines Schultern strafften sich, ihr Gesicht nahm einen entschiedenen Ausdruck an. »Es muss Ihnen net leid tun. Im Gegenteil. Ich bin froh, dass Sie’s mir gesagt haben. Wenn er hier Bankdirektor wird, wird er auch wieder hier wohnen, und ich werd’ ihm zwangsläufig irgendwann über den Weg laufen. Jetzt bin ich wenigstens drauf vorbereitet. Wir sollten weitergehen, Hochwürden. Die anderen haben schon angehalten und warten auf uns. Es war bei mir nur eine momentane Betroffenheit. Schreiben Sie’s meiner Überraschung zu.«

      »Ist wirklich alles in Ordnung, Nadine?«, fragte Sebastian besorgt.

      »Ja. Ich war damals selbst schuld, dass wir net zusammengekommen sind.« Nadines Stimme hatte an Festigkeit gewonnen. Sie sprach mit kühler Sachlichkeit. »Wär’ ich mit ihm nach München gegangen und seine Frau geworden, hätt’ ich meine Eltern im Stich gelassen. Sie wissen ja, die Mama war nimmer die Gesündeste, und der Papa hat auch nimmer so gekonnt, wie er gern’ gewollt hätt’. Allein hätt’ der Thorsten das alles net auffangen können. Der Christian hat in München sein Glück gefunden. Ich gönn’s ihm.« Nadine bewegte sich auf die kleine Gruppe zu, die angehalten hatte.

      Sebastian holte sie mit zwei langen Schritten ein. »Der Christian ist nur mit seiner kleinen Tochter gekommen«, sagte er. »Das Glück, das er deiner Meinung nach gefunden hat, endete mit einer Scheidung.«

      Erneut stockte Nadine im Schritt, ihr Gesicht zuckte zu Sebastian herum, verdutzt brach es über ihre Lippen: »Er ist geschieden? Wieso ist seine Tochter bei ihm? Normalerweise bleiben die Kinder doch bei der Mutter.«

      Sie gingen weiter.

      »Das kann ich dir auch net sagen«, musste Sebastian zugeben. »Aber es gibt sicherlich einen Grund dafür. Vielleicht hat er das Sorgerecht übertragen erhalten. Vielleicht hat er auch nur ein Umgangsrecht, und das nimmt er im Moment wahr.«

      »München hat ihm also kein Glück gebracht«, entrang es sich Nadine versonnen.

      Sebastian hatte den Eindruck, dass sie die Worte unbewusst ausgesprochen, dass sie lediglich laut gedacht hatte. »Ich werde ihn am Montag treffen, wenn er sich beim Bürgermeister vorstellt«, sagte er. »Dann wird er mir sicherlich erzählen, wie es um seine persönlichen Verhältnisse bestellt ist. – Es stimmt, Nadine. Irgendwann wirst du ihm begegnen. Wenn es so weit ist, solltest du dich net scheuen, auf ihn zuzugehen. Ihr habt euch gegenseitig nix vorzuwerfen.«

      »Es würd’ für mich net einfach sein, Hochwürden«, gestand Nadine. »Daher werd’ ich versuchen, ihm so gut es geht aus dem Weg zu gehen.«

      »Wenn es so weit kommt, Nadine, dann versuch’ dich so unbefangen wie möglich zu geben. Das ist mein Rat. Ihr werdet euch sicher des Öfteren über den Weg laufen, und es wär’ gut, wenn ihr euch dabei in die Augen schauen könnt’, ohne schlechtes Gewissen, ohne Verlegenheit und ohne Scheu. Das seid ihr euch selber schuldig, denn es gibt keinen Grund für ein anderes Verhalten.«

      »Ich werd’ Ihren Rat beherzigen, Hochwürden«, versprach Nadine, dann kamen sie bei den anderen an und setzten ihre Wanderung fort.

      Sebastian setzte sich wieder mit dem Bürgermeister und Severin an die Spitze, Nadine gesellte sich ihrem Bruder und Annika hinzu. Ihr Innerstes war aufgewühlt. Es gelang ihr nicht, den Aufruhr ihrer Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Die kühle Sachlichkeit und Entschlossenheit, die sie eben noch an den Tag gelegt hatte, zerbröckelten wie poröses Mauerwerk.

      Von all den Gedanken, die durch ihren Kopf wirbelten, blieb immer nur der eine übrig: ›Christian kommt nach St. Johann zurück. Und er ist wieder frei!‹

      Sie fuhr regelrecht zusammen, als Thorsten sagte: »Was war’s denn Wichtiges, was dir der Pfarrer zu sagen gehabt hat, Nadine?«

      »Eigentlich nix von Belang«, antwortete sie. »Nur, dass ab heut’ der Albersdörfer-Christian im Vorstand unserer Bank sitzt und dass er am Montag seinen Dienst hier in St. Johann antritt.«

      Nadine hatte sich Mühe gegeben, so emotionslos wie möglich zu klingen, doch es war ihr nicht so recht gelungen. In ihrer Stimme schwang etwas mit, das sehr wohl verriet, wie sehr sie die Mitteilung erschüttert hatte.

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