Dr. Daniel Classic 41 – Arztroman. Marie Francoise
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Es war ein typischer Montagmorgen in der Praxis von Dr. Robert Daniel. Die Patientinnen gaben sich buchstäblich die Türklinke in die Hand, und die junge Empfangsdame Gabi Meindl war schier am Verzweifeln, weil die Hälfte der hereinströmenden Damen ohne Termin gekommen war, aber jede Patientin hatte angeblich etwas ganz Dringendes mit dem Herrn Doktor zu besprechen, so daß Gabi sie auch nicht einfach wieder wegschicken konnte.
Während das Wartezimmer bereits aus allen Nähten zu platzen drohte, kam dann noch ein alarmierender Anruf aus der Steinhausener Waldsee-Klinik, deren Direktor Dr. Daniel zusätzlich auch noch war.
»Bei der Geburt von Frau Heidenraths Baby gibt es Probleme«, erklärte die Stationsschwester der Gynäkologie hastig. »Bitte, Fräulein Meindl, schicken Sie sofort den Herrn Doktor hierher.«
»Wie stellen Sie sich das denn vor?« fragte Gabi verzweifelt. »In der Praxis herrscht gerade die reinste Invasion!«
»Und hier liegt möglicherweise eine Patientin im Sterben!« entgegnete Schwester Bianca heftiger, als es normalerweise ihre Art war. »Frau Dr. Reintaler ist im OP. Ich brauche Dr. Daniel im Kreißsaal, und das so schnell wie möglich!«
Gabi seufzte tief auf. »In Ordnung. Er wird in ein paar Minuten drüben sein.« Sie legte den Hörer auf, hob aber sofort wieder ab und drückte auf den Knopf, der eine direkte Verbindung zum Sprechzimmer herstellte, dann wartete sie, bis Dr. Daniel drüben abnahm. »Herr Doktor, die Waldsee-Klinik braucht Sie dringend. Bei einer Frau Heidenrath gibt es Probleme.«
»Das war zu erwarten«, meinte Dr. Daniel. »Ich fahre sofort hin-über.«
Gabi nickte ergeben. Sie wußte genau, was das für sie und ihre Kollegin, die Sprechstundenhilfe Sarina von Gehrau, bedeutete. Sie hatten jetzt nämlich die undankbare Aufgabe, alle Patientinnen auf den Nachmittag zu vertrösten oder sie warten zu lassen, bis Dr. Daniel wieder zurückkam. Das konnte in diesem Fall allerdings eine ganze Weile dauern.
»Ich weiß nicht, bis wann ich wieder hier sein kann«, erklärte Dr. Daniel auch schon, dann verließ er im Laufschritt die Praxis, stieg in sein Auto und fuhr den kurzen Weg zur Waldsee-Klinik. Hier wurde er auch schon dringend erwartet.
»Eine plötzliche Wehenschwäche«, erklärte die Hebamme Anna Lüder, die inzwischen regelmäßig in der Klinik aushalf. »Ich habe ihr zwar…«
In diesem Augenblick erklang aus dem Kreißsaal ein gellender Schrei.
»Ich schätze, die Wehen sind wieder da«, meinte Dr. Daniel und eilte in den nur schwach erleuchteten Raum. In der Waldsee-Klinik wurde die sanfte Geburt nach Fréderick Leboyer praktiziert – das bedeutete, daß die Babys hier in einen warmen, etwas abgedunkelten Raum hineingeboren wurden. Doch jetzt brauchte Dr. Daniel unbedingt Licht, und Schwester Bianca richtete sofort eine an der Decke installierte Operationslampe auf das Bett.
»Herr Doktor…«, stöhnte Gunilla Heidenrath, während ihr ganzer Körper unter dem heftigen Wehenschmerz, der urplötzlich wieder eingesetzt hatte, erbebte.
»Ganz ruhig, Frau Heidenrath«, versuchte Dr. Daniel sie zu besänftigen. »Wir schaffen das schon.«
Dabei war er sich dessen im Moment gar nicht so sicher. Ähnlich einer Sturzgeburt, wurde das Baby durch die nicht nachlassenden Wehen aus dem Geburtskanal gedrückt. Es ging so schnell, daß Dr. Daniel gar nicht mehr helfend eingreifen konnte. Und durch das nachströmende Blut war er im Moment daran gehindert zu erkennen, ob diese viel zu rasche Geburt bei der Mutter zu irgendwelchen Verletzungen geführt hatte.
Völlig erschöpft lag Gunilla auf dem breiten Bett. Die Hebamme hatte ihr das Baby auf den Bauch gelegt, wie es hier üblich war, und mit einem flauschigen Tuch zugedeckt, doch Gunilla war im Moment zu schwach, um das winzige Wesen auch nur zu berühren.
»Ist es… vorbei?« stammelte sie.
»Ich fürchte, noch nicht ganz«, entgegnete Dr. Daniel, dann ging er daran, das Baby abzunabeln. Auch das war normalerweise nicht üblich, denn man ließ Mutter und Kind etwas Zeit, miteinander zu schmusen, bevor man die Abnabelung vornahm, doch in diesem Fall galten andere Voraussetzungen.
»Schwester Bianca, nehmen Sie das Kind einen Augenblick an sich«, bat Dr. Daniel, während er darauf wartete, daß die Plazenta ausgestoßen wurde.
Währenddessen lag Gunilla noch immer völlig regungslos auf ihrem Bett.
»Ist es… endlich ein Junge?«
Die Frage kam schwach und kaum hörbar, trotzdem hatte Schwester Bianca sie verstanden und kontrollierte nun sehr vorsichtig das Geschlecht des Babys, das sie im Arm hielt.
»Nein, Frau Heidenrath, es ist ein kleines Mädchen«, antwortete sie.
Gunilla schluchzte leise auf. »O Gott… ich habe so gehofft… Helmut wird…« Der Rest des Satzes war nur noch ein unverständliches Gemurmel.
Inzwischen hatte Dr. Daniel die Plazenta auf ihre Vollständigkeit untersucht.
»Es hört nicht auf zu bluten«, flüsterte ihm Anna Lüder zu.
Dr. Daniel nickte. »Das Problem hatten wir schon bei der letzten Entbindung – allerdings nicht ganz so schlimm wie diesmal.« Er wandte sich der Schwester zu. »Bianca, ich brauche dringend eine Ampulle Ergometrin. Schnell.«
Die Hebamme nahm das Baby an sich, während Bianca das Medikament in einer Spritze aufzog und sie Dr. Daniel reichte. Er injizierte die Lösung rasch und geschickt, während Gunilla Heidenrath langsam in eine tiefe Bewußtlosigkeit hineindämmerte.
»Herr Doktor, die Frau stirbt uns weg«, erklärte Bianca mit bebender Stimme, doch Dr. Daniel schüttelte den Kopf.
»Der Blutverlust ist zwar sehr hoch, aber zumindest im Moment habe ich noch alles unter Kontrolle.« Er zögerte einen kurzen Augenblick. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als eine Bluttransfusion vorzunehmen. Das Medikament wird zwar rasch wirken und die Blutung zum Stillstand bringen, aber ich fürchte, der Blutverlust ist zu hoch, als daß der Körper ihn allein ausgleichen könnte.«
Im Laufschritt verließ die Krankenschwester den Kreißsaal und kehrte wenig später mit einer Blutkonserve und einer Flasche Kochsalzlösung zurück. Währenddessen hatte Dr. Daniel schon den Zugang gelegt und brauchte nun bloß noch die Infusion anzuschließen.
»Ich glaube, wir haben’s geschafft«, meinte Dr. Daniel, als er sah, daß die Unterleibsblutungen zum Stillstand gekommen waren. Auch bei der Bluttransfusion schien es keine Komplikationen zu geben. »Trotzdem werden wir Frau Heidenrath auf die Intensivstation legen müssen. Im Augenblick kann ich ein nochmaliges Nachbluten nicht ausschließen, und solange die Transfusion läuft, müssen regelmäßig Puls, Blutdruck und Temperatur kontrolliert werden.« Dann wandte er sich der Hebamme zu. »Wie geht’s dem Kind?«
»Auf jeden Fall besser als der Mutter«, meinte Anna Lüder, dann warf sie der noch immer bewußtlosen Gunilla einen kurzen Blick zu. »Sie hätte nach dem vierten Kind schon sterilisiert gehört.«
Dr. Daniel seufzte. »Das ist leider ein Kapitel für sich, Frau Lüder. Ich nehme ja an, daß Sie Herrn Heidenrath kennen.«
»Und ob! Ich kann allerdings nicht sagen, daß ich darüber sehr erfreut bin. Dieser Mann ist ein rücksichtsloser Egoist, der sich den Teufel um seine arme Frau schert. Irgendwann wird er sie damit noch umbringen.«
Dr. Daniel gab der aufgebrachten Hebamme ein Zeichen, nicht mehr weiterzusprechen, weil er bemerkte, daß Gunilla