Mami 1981 – Familienroman. Leni Behrendt
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»Freilich. Doch bei mir geht das noch einen Schritt weiter. Ich denke da an eine Arbeitsgemeinschaft, die uns beiden persönliche Vorteile bringt.«
Es war völlig klar, wie Anita Stahnke das meinte, doch Nico stellte sich dumm. »Ich glaube nicht, daß wir den Jungen vermitteln können. Er ist zu schüchtern. Was wir brauchen, sind Kinder mit Selbstbewußtsein, unerschrocken und belastbar. Ich will Sie nicht kränken, aber ich habe den Eindruck, daß Ihr Neffe diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Das sage ich Ihnen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Sie haben ja selbst gesehen, wie groß das Angebot an niedlichen Knirpsen ist.« Nicos Stimme klang freundlich, aber bestimmt.
Trotzdem ließ sich Anita nicht abschrecken. »Sie werden nicht leugnen können, daß Jakob einer der niedlichsten war«, meinte sie, unbeeindruckt von Nicos ablehnender Haltung.
»Wenn wir ihn vermitteln können, rufen wir Sie an.« Nico streckte der aufdringlichen Anita Stahnke die Hand hin, um sich zu verabschieden.
»Wir sollten uns auf jeden Fall wiedersehen. Deshalb wollte ich Sie auf ein Glas Wein einladen. Sozusagen als Wiedergutmachung für die verdorbene Hose.« Anita zog alle Register ihrer Verführungskunst. »Bei dieser Gelegenheit können Sie Jakob unauffällig beobachten, und Sie werden feststellen, daß er ganz anders ist, als er sich heute gab.«
»Das habe ich gleich bemerkt«, mischte sich jetzt Shanice ein, die vorbeigekommen war und den Namen ihres kleinen Favoriten hörte. Sie blieb stehen und betrachtete Anita Stahnke nachdenklich.
Man brauchte nur geringe Menschenkenntnis, um festzustellen, daß diese Tante in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgte. Wie hatte Jakobs Vater das Kind dieser Frau anvertrauen können? Lag ihm so wenig daran, wie sein kleiner Junge aufwuchs?
Shanice hatte schon zuvor den Entschluß gefaßt, sich um Jakob zu kümmern. Nachdem sie seine Betreuerin kennengelernt hatte, hielt sie ihren Vorsatz für noch viel wichtiger. »Wenn es Ihnen recht ist, komme ich gleich morgen vorbei, denn es ist sehr nützlich, wenn wir möglichst viel über die Eigenheiten unserer kleinen Kandidaten wissen.«
Anita schluckte verblüfft. Es war ihr überhaupt nicht recht, denn sie war daran interessiert, eine Beziehung zu Nico Berdon aufzubauen. Seine Geschäftspartnerin interessierte sie nicht. Andererseits erkannte sie, daß sie über diese Frau vielleicht doch noch ans Ziel ihrer Wünsche kam. Deshalb verzog sie den grell geschminkten Mund zu einem säuerlichen Lächeln. »Sie werden sehen, die Mühe lohnt sich in jeder Beziehung.«
Diese Aussage war an Nico gerichtet, doch er entfernte sich bereits, froh darüber, der aufdringlichen Dame entkommen zu sein.
*
Als Shanice wenig später ins obere Stockwerk des Einfamilienhauses kam, war Nico bereits umgezogen. Die Räume hier oben waren der privaten Nutzung vorbehalten und mit schönen alten Möbeln aus dem Bestand von Nicos Eltern ausgestattet, während im Erdgeschoß der nüchterne Bürostil vorherrschte.
Um Kosten einzusparen, bat Nico seine Partnerin immer wieder, ihre eigene Wohnung in der Innenstadt aufzugeben, doch dazu konnte sich Shanice nicht entschließen.
»Ist sie endlich weg?« Nico ging auf Shanice zu und zog sie zärtlich an sich. »Glaubt diese geile Tante doch tatsächlich, ich würde auf sie abfahren.« Nico schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich bin froh, daß du zufällig vorbeikamst, sonst hätte die Tussi noch länger auf mich eingeredet.«
Shanice reagierte auf die Anspielung nur halbherzig, denn ihre Gedanken beschäftigen sich mit dem kleinen Jakob, dessen Schicksal ihr nicht gleichgültig war. »Du hast da eine Eroberung gemacht und müßtest eigentlich stolz darauf sein«, antwortete sie zerstreut.
»Ich bin aber nicht an irgendwelchen Flirts interessiert. Ich habe doch dich.« Nico drückte Shanice kräftig und sah ihr dabei in die Augen.
Sie wich seinem Blick nicht aus, doch ihr Herz schlug ruhig.
»Wir beide ergänzen uns so fabelhaft, daß ich gar nicht daran denke, diese harmonische Beziehung für irgendwelche Abenteuer aufs Spiel zu setzen. Ich mag dich, Shanice.« Nico sagte das immer wieder, und es entsprach auch seinen Empfindungen. Er mochte Shanices liebevolles Wesen, ihren Fleiß und ihr untrügliches Gespür für lohnende Geschäfte.
Shanice lehnte sich in Nicos Armen zurück und schaute ihm forschend ins Gesicht. »Ich weiß, du bist dagegen, aber ich werde mich trotzdem um den kleinen Jakob kümmern.«
»Warum? Der Junge ist doch uninteressant.«
»Nicht für mich. Er ist gehemmt und eingeschüchtert, aber welches Kind, das die Mutter verloren hat, wäre das nicht?«
»Es ist vergebliche Liebesmüh, laß dir das sagen«, warnte Nico, leicht verärgert. »Dem Jungen fehlt der Pep, das habe ich schon in den ersten zwei Minuten erkannt. Auch durch noch so gutes Zureden läßt sich das nicht ändern.«
»Du beurteilst jedes Kind nur nach seiner Tauglichkeit fürs Showbusineß. Es gibt aber noch andere Kriterien.«
»Das ist unser Job, Shanice. Wie kannst du das vergessen? Für jeden kleinen Schreihals, den wir vermitteln, kassieren wir eine schöne Stange Geld. Das ist es doch, was zählt. In ein paar Jahren haben wir genug, um uns in der Karibik zur Ruhe zu setzen. Wir kaufen uns ein großes Haus mit Pool und eigenem Strand und…«
»Noch ist das ein weiter Weg«, unterbrach Shanice ihren Partner, der schwärmerisch in die Ferne schaute, als wäre dort schon sein kleines Paradies zu sehen.
»Je mehr Schnullerwichte aus unserer Agentur größere Aufträge bekommen, desto rascher sind wir am Ziel. Wir dürfen uns deshalb nicht verzetteln. Wir können uns auch keine Mißgriffe erlauben, weil sonst das Vertrauen in unser Unternehmen schwindet. Aber das weißt du doch alles selbst.«
»Du vergißt, daß es auch noch Dinge außerhalb unseres Jobs gibt. Wenn ich mich um Jakob kümmere, dann nur aus menschlichen Gründen und ohne Hintergedanken.«
»Ein teures Hobby«, kritisierte Nico mißvergnügt. Seine Arme rutschten ab, er ließ Shanice los. »Außerdem erwartet die Tante, daß du ihren Neffen vermarktest. Nur, wenn das klappt, läßt sie dich in seine Nähe.«
»Ich weiß«, gab Shanice bekümmert zu.
»Dann laß die Finger davon. Die Sache bringt uns nur Ärger ein. Ich warne dich, mein Schatz. Und jetzt mach dich schön, wir gehen zum Italiener. Bei neapolitanischen Canneloni und einem Vino rosso kommst du auf andere Gedanken.« Gönnerhaft klopfte Nico seiner Partnerin auf die Schultern.
Er sollte sich täuschen. Weder das ausgezeichnete Essen, noch der gute Wein konnten Shanice von ihren Gedanken an Jakob ablenken. Das Schicksal des Kindes beschäftigte sie so stark, daß sie auf Nicos Fragen nur einsilbige Antworten gab. Immerzu sah sie das kleine, erschrockene Gesichtchen mit den traurigen Augen vor sich. Jakob war so hübsch, wenn er lachte, doch er schien wenig Gelegenheit dazu zu haben.
»Einen Roller wünscht er sich«, murmelte Shanice gedankenverloren.
Nico setzte das Rotweinglas ab und schaute seine Partnerin aufmerksam an.
»Wer bitte?« fragte er aggressiv, obwohl er genau wußte, wer gemeint war.
»Der kleine Jakob. Ich vermute, daß ihm die Tante den Wunsch nicht erfüllt, und sein Vater ist für ihn nicht erreichbar.«