Mami Bestseller 4 – Familienroman. Gisela Reutling
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Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. Paolo Monta
Mit dem Briefbogen in der Hand, ließ Regine sich auf einen Stuhl fallen. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Allmählich begriff sie, was diese knappen, sachlich abgefassten Sätze für sie bedeuteten. Warum gerade ich, fragte sie sich, warum soll ich ein Traumhaus erben und plötzlich reich sein. Wer war ich denn für Roberto Valli. Ein Mädchen aus Deutschland, seine Sekretärin. Sie konnte noch keine Freude darüber empfinden, eher war es Beklommenheit, was ihr den Atem stocken ließ. Ein solches Glück fiel einem doch nicht in den Schoß. Sie fühlte sich wie hinausgeschleudert aus ihrem bis dahin in so ruhigen Bahnen verlaufenem Leben.
Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte in ihrer totalen Verwirrung, als es klingelte. Erst jetzt fiel es ihr wieder ein, dass Martin ja heute kommen wollte.
Regine sprang auf und öffnete ihm die Tür.
»Ich bin völlig durcheinander«, empfing sie ihn.
»Wieso, was ist denn los?«, wunderte er sich. Aufgeregt zog sie ihn herein. »Ich habe geerbt!«, stieß sie hervor und nahm das Briefblatt vom Tisch und gab es ihm.
»Italienisch! Das kann ich doch nicht lesen. So ein kluges Kind wie du bin ich nicht.«
Regine übersetzte ihm den Inhalt, dann sah sie ihn an. Mit halb offenem Mund erwiderte Martin ihren Blick.
»Menschenskind, das ist ja’n Ding«, brachte er endlich über die Lippen. »Valli – dessen Bild haben wir doch neulich erst im Fernsehen gesehen. Jetzt erinnere ich mich. Der muss doch ne Menge mit seinen Büchern verdient haben. Und von dem Haus hast du mir früher mal regelrecht vorgeschwärmt. Den beerbst du? Ich werd verrückt.«
»Ich kann’s auch noch nicht fassen«, sagte Regine und strich das Haar an ihrer Schläfe zurück.
Martin fasste sich schneller. Mit einer übermütigen Bewegung riss er sie an sich. »Regine, jetzt werden wir reiche Leute! Jetzt kann ich mich selbstständig machen. Oder du verkaufst das Haus, und wir leben erst mal eine Weile in Saus und Braus. Wie wäre das denn, hm?«
Sie machte sich von ihm los. Ihr Blick ging an ihm vorbei. Sie sah das Haus vor sich, in seiner ganzen Schönheit. »Ich weiß nicht, ob ich es verkaufen würde«, sprach sie vor sich hin.
»Na hör mal! Was sollen wir mit einem Haus da unten? Das wäre doch nur ein Klotz am Bein. Na ja«, unterbrach er sich und wiegte überlegend den Kopf, »man könnte es unter Umständen auch zu einem horrenden Preis vermieten, wenn es wirklich so große Klasse ist. Solche Objekte sind gefragt.« Er lachte erregt. »Lass mich nur machen, Regine. Wozu bin ich im Immobiliengeschäft tätig.«
»Ich war glücklich dort«, murmelte sie, als seien seine Worte an ihrem Ohr vorbeigegangen.
»Wie du das sagst …« Sein Lachen verschwand. Ein Verdacht keimte in seinen Augen auf. »Sag mal, hast du vielleicht was mit dem Alten gehabt?«, fragte er brüsk.
Regine fuhr herum. Ihre Augen sprühten. »Wie kannst du es wagen, so etwas auszusprechen, oder auch nur zu denken. Roberto Valli war fast fünfundvierzig Jahre älter als ich, er hätte mein Großvater sein können!«, hielt sie ihm aufgebracht entgegen.
»Soll alles schon vorgekommen sein«, behauptete er mit einem schiefen Lächeln.
Regine schwieg verletzt. Sie presste die Lippen zusammen und wandte sich ab. Es kam ihr vor, als habe er etwas beschmutzt, was ihr sehr viel bedeutet hatte. Martin hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
»Komm, Mädchen, sei nicht gleich beleidigt«, sagte er in versöhnlichem Ton. »Ich hab’s ja nicht so gemeint. Du kennst mich doch. Ich bin manchmal ein bisschen derb und schnodderig.«
Ja, in der Tat, das war er. Es hatte sie schon manchmal irritiert. Aber sie wollte jetzt keinen Streit mit ihm. »Martin«, begann sie und sah ihn mit einem großen Blick an, »ich weiß ja selber nicht, wie ich dazu komme. Wir empfanden eine große Zuneigung füreinander – irgendwie – ich kann es schlecht erklären.«
»Ist ja auch egal«, fiel Martin ihr ins Wort. »Halten wir uns an die Tatsachen. Da gibt es jetzt eine Menge zu bereden …! Aber erst könnte ich einen Schnaps brauchen. Hast du einen da?«
»Ja. Und dann mache ich uns etwas zu essen. Du wirst hungrig sein.«
»Oder wir gehen essen«, schlug er vergnügt vor, »so ganz groß. Wir könnten doch eigentlich leichtsinnig sein, als Vorschuss auf den Segen hin, der da auf uns zukommen wird.«
Regine wehrte ab. Dazu war sie nicht aufgelegt, und überhaupt, es ging ihr alles viel zu schnell, wie Martin dieser ganzen Angelegenheit gegenüberstand. Noch hatte sie das Erbe nicht angetreten. Es standen noch viele Fragen dahinter.
»Du wirst also morgen, spätestens übermorgen nach Rom fahren«, sagte Martin wenig später, während er im Zimmer auf und ab schritt. »Du kannst in der Firma ja gleich sagen, dass mit dir nicht mehr zu rechnen ist. Als vermögende Frau hast du es nicht mehr nötig, in drei Sprachen Briefe zu tippen. Wenn du zurückkommst, reden wir über alles, und dann werde ich die Geschäfte in die Hand nehmen.« Selbstbewusst reckte er sich auf.
Regine sagte nichts drauf. Sie sah mit gesenkten Lidern vor sich hin. Endlich fiel Martin ihr Schweigen auf.
»Du freust dich ja gar nicht!«, bemerkte er. »Du müsstest doch eigentlich jubeln. Was ist denn los mit dir?«
»Ich weiß nicht – ich kann noch nicht richtig daran glauben …«
»Aber du hast es doch schwarz auf weiß!«, rief er aus. »Da kann doch gar nichts mehr passieren.«
»Valli hat eine Tochter«, sagte Regine mit einem verlorenen Blick. Martin stutzte.
»Eine Tochter?«, fragte er verdutzt. »Wieso, davon hast du mir noch gar nichts erzählt. Ich denke, er war allein.«
»Das war er auch. Seine Frau soll ihn verlassen haben, und mit der Tochter hat er sich wohl nicht verstanden. Er soll sie aus dem Haus gewiesen haben. Aber das alles weiß ich nicht von ihm, sondern von dem Gärtner. Roberto Valli sprach nie über persönliche Dinge, und man durfte auch nicht daran rühren.«
»Muss ja ein seltsamer Vogel gewesen sein«, meinte Martin abschätzig. Aber sein Unbehagen verflüchtigte sich schnell. »Dann wird er die Tochter enterbt haben«, vereinfachte er die Dinge, »oder sie kriegt die Hälfte des Vermögens. Die andere Hälfte, die für dich, wird ja wohl hoffentlich auch noch beträchtlich sein. Und auf alle Fälle hast du das Haus. Warte ab, daraus werde ich das größtmögliche Kapital schlagen, Regine.« Er rieb sich die Hände. »Darauf werden wir jetzt ein Glas Sekt trinken. Ich habe gesehen, du hast eine Flasche im Kühlschrank.« Pfeifend ging er zur Küche und ließ den Korken knallen. Regine stand auf und nahm zwei Gläser heraus. Sie verstand es auch nicht, warum sie nicht glücklicher war. Aber sie lächelte mit bebenden Lippen, als sie sich zuprosteten.
»Auf eine wunderbare Zukunft!«, sagte Martin strahlend.
»Ja«, sagte Regine und trank.
*
Dr. Paolo Monta empfing Regine mit ausgesuchter Höflichkeit. Er war ein mittelgroßer, unauffälliger Mann um die fünfzig, mit