Es war ein reiches Leben. Arthur Ernest Wilder-Smith
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Nun, was macht man in solchen Fällen? Die Kirche war eine staatliche Einrichtung. Der Staat setzte die Bischöfe ein, sammelte für die Kirche den Zehnten ein und war eins mit der Staatskirche. Wenn die Staatskirche Bankrott geht, muss der Staat dafür aufkommen. Das Geld, das die Kirche als Zehnten nicht eintreiben konnte, musste also von Vater Staat aufgetrieben werden. Vater Staat fühlte sich direkt betroffen, hatte aber Angst, die bedrängten Farmer unnötig zugunsten einer toten Kirche zu verärgern. Was konnte er tun? Ganz einfach! Man musste die Kirche sicherer finanzieren. So wurde schnell ein neues Gesetz verfasst und mit Blitzgeschwindigkeit durchs Parlament geschleust, um die Frage des Zehnten für alle Zeiten zu regeln. Der Zehnte wurde zu einer Staatssteuer für die Staatskirche gemacht und diese Steuer wurde mit polizeilicher Staatsmacht – wie die Einkommenssteuer – bar eingetrieben. Die Landbesitzer, die es so wollten, konnten ihren Zehnten mit einer Kapitalabfindung ein für alle Male abzahlen. Wer diese Regelung nicht anerkennen wollte, der leistete der Staatsmacht Widerstand und wurde als Steuerverweigerer für schuldig erklärt. So gewann der Staat diese Auseinandersetzung, indem sich die Kirche mit der Staatsmacht identifizierte. Und die Staatskirche verlor für immer in England die Berechtigung, zu behaupten: „Mein Reich nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Diese Handlungsweise in einem finanziell bedrängten Lande blieb natürlich nicht ohne Konsequenzen bei uns. Schon bevor wir ins Internat kamen, hatten wir beschlossen, dass diese Kirche zum größten Teil ein Humbug ist und dass kein Mensch, der denkt, religiös sein kann. Wir verwechselten Christsein mit Religiosität – oder Frommsein und Staatsmacht mit moralischer Autorität. So bildeten wir uns ein, dass wir Atheisten seien, denn diese Kirche war für uns eine Heuchelei und nur ein Deckmantel für Unrecht. Es ist eine besondere Güte Gottes, dass wir später Christen wurden, trotz all dieser negativen Erfahrungen.
Im Internat entschied ich mich, weil ich mich dort in der Schule gut entwickelte, in Oxford oder Cambridge zu studieren. Aber damals stand Oxford direkt unter dem Einfluss der Kirche. Die meisten Stipendien stammten aus kirchlich gebundenen Quellen. Es war deshalb vorteilhaft für mich, wenn ich mich kirchlich konfirmieren ließ. Ich war als Säugling in der anglikanischen Kirche getauft worden, sodass ich konfirmiert werden konnte. Ich ließ mich im Internat konfirmieren! Der arme Pfarrer, der uns konfirmierte, war etwas schwerhörig, aber ein Gentleman in jeder Hinsicht. Wir erzählten ihm während des Unterrichts unpassende Witze, die er erst zu spät erkannte, um uns rechtzeitig unterbrechen zu können. Ich lernte aber nichts vom Christsein. Als ich von dem Bischof von Taunton konfirmiert wurde, konnte ich nicht einmal die Zehn Gebote aufsagen. So beging ich den Frevel, zum ersten Mal in Taunton als Atheist das Abendmahl zu feiern, und zwar um akademischer Vorteile willen. Ich stand vollkommen im Unglauben – und wurde ohne ernsthafte Prüfung konfirmiert. Welche Verantwortungslosigkeit seitens einer Kirche, die eine offene Bibel besitzt und doch nicht benutzt!
5. Der Herr Pfarrer bekommt eine höhere Berufung
Um diesen Abschnitt über Kirche und Zehnten abzuschließen, müssen wir noch eine kleine Begebenheit, die mit der Kirche zu tun hat, beschreiben. Wir hatten im Pfarrhaus in Cholsey einen sehr lieben, milden Pfarrer. Er war kränklich, er litt an einer Art Darmkrebs.
Er predigte einmal die Woche etwa zehn Minuten (selten länger) und gehörte der „Middle Church“ (zwischen den Evangelikalen und Anglokatholiken) an. Sein Kirchenbesuch war äußerst schwach – zehn bis 15 Menschen an einem Sonntag –, denn seine Predigten waren langweilig und irrelevant. Er führte fast keine Hausbesuche durch. Da die meisten Bewohner seiner Pfarrei auf dem Land arbeiteten und die Kirche mit ihrer Politik der Zwangseintreibung des Zehnten sehr unpopulär war, wurde die Situation des armen Pfarrers im Dorf sehr bedenklich.
Eines Tages meldete sich der Pfarrer überraschend zum ersten Besuch bei uns. Der Grund dieses Besuches war nicht seelsorgerlich – das geschah wohl nie und wäre auch bei uns unerwünscht gewesen. Nein, er wollte sich bei uns verabschieden! Wir luden ihn um 17.00 Uhr zum Teetrinken. Der arme kranke Mann tauchte pünktlich bei uns auf und wurde von meiner Mutter willkommen geheißen. Die Lage war geladen, denn auch mein Vater gesellte sich dazu, um den Pfarrer zu verabschieden.
Nach einiger Zeit fragte mein Vater, wo der Pfarrer hingehen wollte. Der Pfarrer antwortete überfromm er habe eine höhere Berufung erhalten. Mein Vater wollte wissen, wo diese Berufung läge. Aber der Pfarrer wollte nicht mit der Sprache herausrücken. Mein Vater ließ nicht locker, bis der Pfarrer die neue Ortschaft, wo er tätig sein würde, beim Namen nannte. Die Ortschaft lag nicht weit von uns. Vater, als Mitglied des Gemeinderats, war gut orientiert und wusste, dass die neue Pfarrei doppelt so hoch dotiert war wie die Pfarrei unserer Ortschaft. Es entstand in der Familie eine peinliche Stille, denn der Ort war wegen der reichen Pfarrei allgemein bekannt. Schließlich bemerkte mein Vater sehr laut und deutlich, er nehme an, der Herr habe den Pfarrer sicher dorthin berufen. Da würde er, der Herr, diese Berufung sicherlich reichlich segnen. Aber, sagte mein Vater sarkastisch, er vermute, der Herr hätte lange und laut rufen müssen, wenn die Dotierung dort nicht doppelt so hoch gewesen wäre wie in Cholsey.
Daraufhin stand der Pfarrer auf und verabschiedete sich höflich. Er tat mir wirklich leid, denn er war ein lieber, aber leidender Mann, der sich in einer äußerst peinlichen Situation befand.
Als konfirmiertes Mitglied der anglikanischen Kirche mit guten schulischen Noten stand mir die Universität Oxford offen. Damals mussten die Eltern die Studien ihrer Kinder finanzieren, was eine starke Familienzugehörigkeit förderte. Man wusste, dass die Eltern finanziell Opfer auf sich nahmen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu sichern. Viele Studenten waren ihren Eltern dafür von Herzen dankbar. Noch dazu nutzten sie jede Sekunde des Semesters, um vom Geld der Eltern im Studium zu profitieren.
Kapitel VI
DER ERNST DES LEBENS BEGINNT
1. Erste Prüfungen im Internat
Weil die finanzielle Lage im Lande so drückend und das Internat so enorm teuer war, entschied ich mich, mein „School Certificate“ (bei uns heißt das mittlere Reife) schneller als vorschriftsmäßig zu absolvieren.
1930 fing ich meine Ausbildung im Internat an und sollte meine mittlere Reife im Sommer 1933 absolvieren. Ende 1931 entschied ich mich jedoch, meine mittlere Reife bereits im Dezember 1932 zu probieren. Und der Direktor der Schule meinte, wenn ich das Examen im Dezember 1932 nicht bestünde, ständen mir nur noch zwei Trimester Zeit zur Verfügung, um mich auf den Sommer 1933 vorzubereiten. Deshalb bestand er darauf, dass ich mich tagsüber auf das Examen Sommer 1933 mit den normalen Klassen vorbereitete, abends aber durfte ich privat und mit anderen älteren Schülern für das im Dezember 1932 stattfindende Examen studieren. Weil jene Schüler im Sommer 1932 durchs Examen gefallen waren, mussten sie es im Dezember wiederholen und arbeiteten dafür. So hatte ich zwei Curricula zur gleichen Zeit durchzuackern.
Dezember 1932 rückte heran. Ich war wirklich schlecht vorbereitet, denn die Lehrer waren über Experimente dieser Art (zwei Curricula auf einmal, einmal mit und einmal ohne Lehrer) kaum begeistert. Letzten Endes, wenn es mir gelänge, würden die Lehrer als überflüssig gelten, da ich mich ohne Lehrer vorbereitete!
Die letzten Monate hatte ich wirklich Tag und Nacht an beiden Curricula (sie waren jedes Jahr verschieden: einmal Milton, einmal Shakespeare, einmal Coleridge, einmal Molière, einmal Goethe und die deutschen Philosophen) geschuftet. Kurz vor dem Examen wurde ich krank und in die Klinik der Schule eingeliefert. Dort hatte ich endlich etwas Ruhe, für Dezember zu arbeiten, wie ich wollte! Ich ließ das Curriculum für 1933 ganz fallen und konzentrierte mich ausschließlich auf das Examen von Dezember 1932. Direkt vom Bett stand ich auf und begab mich (allerdings sehr wacklig) in den Prüfungssaal.
Als Deutsch drankam, wurde ich – wie üblich – schriftlich und mündlich geprüft und war so schwach und heiser, dass ich bei der mündlichen Prüfung nur flüstern konnte.
2. Die große Überraschung und ihre Folgen