Flüstern der Natur. Fritjof Capra
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Die Mutter
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Das Lebendige und das Leblose
Im Jahre 1899 bemerkte Bose die seltsame Tatsache, dass sein Metalldetektor zum Empfang von Radio-Wellen weniger empfindlich wurde, wenn er ständig gebraucht wurde, nach einer Ruhepause jedoch wieder normal arbeitete. Dies führte ihn zum Schluss, dass Metalle – wie unvorstellbar es auch sei – möglicherweise eine Erholungsphase durchmachen, wie sie auch bei ermüdeten Tieren und Menschen stattfindet. Weitere Arbeiten begannen Bose dann zu überzeugen, dass die Grenzlinie zwischen den sogenannten „leblosen“ Metallen und „lebendigen“ Organismen in der Tat dünn war. Bose machte dann spontan den Schritt vom Bereich der Physik zu dem der Physiologie und unternahm eine vergleichende Studie der Kurven molekularer Reaktion bei anorganischer Substanz und bei lebendigem Tiergewebe.
Zu seiner großen Überraschung zeigten die Kurven, die von leicht erwärmtem Magneteisenoxyd erzeugt wurden, eine auffällige Ähnlichkeit mit jenen von Muskeln. Bei beiden verminderte sich als Folge starker Inanspruchnahme Reaktions- und Regenerationsvermögen, doch konnte die anschließende Ermüdung durch sanfte Massage oder durch ein Bad in warmem Wasser beseitigt werden. Andere Metallkomponenten reagierten in tierähnlicher Weise. Wenn eine mit Säure geätzte Metalloberfläche poliert wurde, um alle Spuren des Ätzens zu beseitigen, so zeigte sich an der mit Säure behandelten Stelle eine Reaktion, die nicht an den unbehandelten herbeigeführt werden konnte. Bose schrieb den betroffenen Sektionen eine Art bleibende Erinnerung der Behandlung zu. Bei Kalium entdeckte er, dass das Vermögen zur Regeneration fast völlig verloren ging, wenn es mit verschiedenen Fremdsubstanzen behandelt wurde; dies schien parallel zu den Reaktionen von Muskelgewebe auf Giftstoffe zu laufen.
Bose hielt im Jahre 1900 bei der Pariser Ausstellung einen Vortrag vor dem Internationalen Physiker-Kongress. In diesem Vortrag, der den Titel „De la Généralité des Phénomènes Moléculaires Produits par l‘Electricité sur la Matière Inorganique et sur la Matière Vivante“ trug, betonte Bose die „fundamentale Einheit in der scheinbaren Vielfalt der Natur“ und schloss mit der Bemerkung, dass es schwierig sei, „eine Linie zu ziehen und zu sagen, dass hier das physische Phänomen endet und dort das physiologische beginnt“. Der Kongress war „bouleversé von Boses weltbewegendem Hinweis, dass die Kluft zwischen dem Belebten und Leblosen vielleicht nicht so weit und unüberbrückbar sei, wie allgemein angenommen; der Sekretär des Kongresses brachte seine „Verblüffung“ zum Ausdruck...
Bald darauf kam Bose die Idee, dass er, wenn die auffällige Kontinuität zwischen solchen Extremen wie Metallen und dem Tierleben real wäre, auch in der Lage sein sollte, ähnliche Effekte in gewöhnlichen Gemüsepflanzen zu erzielen, von denen man allgemein annahm, dass sie unempfänglich seien, da man glaubte, dass sie kein Nervensystem hätten. Bose pflückte einige Roßkastanienblätter in einem Garten bei seinem Laboratorium und fand, dass sie auf verschiedene „Reize“ ganz ähnlich reagierten wie seine Metalle und Muskeln. Ganz aufgeregt von den Resultaten ging er zu seinem Gemüsehändler und kaufte einen Sack mit Karotten und Steckrüben, die von allen Gemüsesorten die „unempfänglichsten“ zu sein schienen, und er entdeckte, dass sie hochsensitiv waren. Wenn Bose Pflanzen chlorophormierte, fand er, dass sie ebenso effektiv anästhetisiert waren wie Tiere, und dass sie wie die Tiere zum Leben kamen, wenn die betäubenden Dämpfe fortgeblasen wurden. Als Bose Chloroform benutzte, um eine große Pinie zu beruhigen, konnte er sie ohne den gewöhnlich tödlichen Schock solcher Operationen entwurzeln und umpflanzen.
Als Sir Michael Foster, Sekretär der Royal Society, eines Morgens in Boses Laboratorium kam, um sich persönlich einen Einblick zu verschaffen, was dort geschah, und Bose ihm einige seiner Aufzeichnungen zeigte, sagte der alte Mann scherzend:
„Also, Bose, was ist denn neu an dieser Kurve? Wir kennen sie schon seit mindestens einem halben Jahrhundert!“
„Aber was glauben Sie, stellt sie dar?“ fragte Bose ruhig.
„Natürlich die Muskelreaktion!“ antwortete Foster mürrisch.
Bose schaute den Professor tief aus seinen fesselnden braunen Augen an und sagte mit fester Stimme: „Verzeihen Sie, aber es ist die Reaktion von Blech!“
Foster war wie entgeistert. „Wie bitte?“ rief er, und sprang von seinem Stuhl auf, „Blech? Sagten Sie Blech?“
Als Bose ihm seine Resultate zeigte, war Foster ebenso begeistert wie erstaunt. Auf der Stelle lud er Bose ein, an einem der kommenden Freitagabende der Royal Institution über seine Entdeckungen zu berichten, und er bot ihm an, sein Papier persönlich an die Royal Society weiterzuleiten, damit es Priorität erhielte. Beim Treffen am Abend des 10. Mai 1901 bot Bose alle Resultate auf, die er im Verlauf von vier Jahren erarbeitet hatte, und demonstrierte jedes von ihnen mit einer umfangreichen Reihe von Experimenten, bevor er mit einem kurzen Vortrag abschloss:
Ich habe Ihnen heute Abend autographische Aufzeichnungen der Geschichte von Stress und Anspannung im Lebendigen und Leblosen gezeigt! Sie sind in der Tat so ähnlich, dass man das eine nicht vom anderen unterscheiden kann. Wie können wir bei diesen Phänomenen eine Scheidelinie ziehen und sagen, hier hört das Physische auf und dort beginnt das Physiologische? Solche absoluten Barrieren existieren nicht.
Als ich das stille Zeugnis dieser selbstgefertigten Aufzeichnungen fand und in ihnen eine Phase einer durchdringenden Einheit erkannte, die in sich alle Dinge birgt – das Stäubchen, das im Lichtrieseln zittert, das reiche Leben auf unserer Erde und die strahlenden Sonnen, die über uns scheinen –, da verstand ich zum ersten Mal ein wenig jene Botschaft, die meine Vorfahren vor drei Jahrtausenden an den Ufern des Ganges verkündeten: „Jene, die in all der sich wandelnden Vielfalt dieses Universums nur das Eine sehen, jenen gehört die Ewige Wahrheit – niemandem sonst, niemandem sonst!“
Peter Tompkins und Christopher Bird
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Liebe in Steinen
„Du sagst, Liebe ist überall. Ihre Regung existiert in Pflanzen, vielleicht sogar in Steinen selbst... Wenn Liebe in einem Stein ist, wie kann man es sehen?“
Vielleicht werden verschiedene Elemente, die den Stein konstituieren, durch den Funken der Liebe koordiniert. Als die Göttliche Liebe in die Materie herabstieg, war diese Materie sicher ganz unbewusst, sie hatte absolut keine Form; man kann sogar sagen, dass Formen im allgemeinen das Resultat der Bemühung der Liebe sind, Bewusstsein in die Materie zu bringen. Wenn einer von euch... in das Unbewusste hinabginge, was man das reine Unbewusste nennt, so würdet ihr erkennen, was es ist. Ein Stein wird euch im Vergleich dazu als erstaunlich bewusster Gegenstand erscheinen. Ihr sprecht herablassend von einem Stein, weil ihr gerade nur ein bisschen mehr Bewusstsein habt als er, aber der Unterschied zwischen dem Bewusstsein des Steins und dem totalen Unbewussten ist vielleicht größer, als der zwischen dem Stein und euch. Und das Herauskommen aus dem Unbewussten ist ausschließlich auf das Opfer des Göttlichen zurückzuführen, auf diese Herabkunft der göttlichen Liebe in das Unbewusste. Als ich sagte „vielleicht im Stein“, hätte ich demzufolge das „vielleicht“ auslassen können – ich kann feststellen, dass sie sogar im Stein existiert. Es gäbe nichts, weder Stein noch Metall noch irgendeine. Anordnung von Atomen ohne diese Gegenwart von göttlicher Liebe.
Die Mutter
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„Du sagst, dass vielleicht Steine auch Liebe fühlen?“
Das ist möglich.
„Kann man es wissen?“
Man