Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross
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Es lebe die Erziehungsfähigkeit!
Am Sonntag nach der Rückkehr fing ein harmonisches, ruhiges Leben für uns beide an. Attila wollte in den nächsten Tagen mit der Arbeit etwas langsamer treten, wir schliefen aus und gingen einkaufen. Ansonsten kümmerten wir uns um das neue Haus im Residencial Ambra, welches wir für den Umzug herrichten wollten, und packten Kartons. Ich stellte meinen neuen Roman fertig und schickte meiner Freundin Meike und Attilas Mitarbeiter und Freund Michl je ein Exemplar zum Probelesen. Man kann sagen, es ging uns für einige Tage lang richtig prima.
An Silvester waren wir bei unserem kolumbianischen Freund Juan eingeladen. Dort ging es gewohnt kolumbianisch-temperamentvoll zu. Wir lernten die Zubereitung von Natilla, einer Süßspeise vom Blech, und weiteren Köstlichkeiten. In Kolumbien werden diese Speisen an Silvester traditionell auf der Straße gegessen, lange Tische säumen dann die Straßen. Dazwischen tanzen fröhliche Leute ausgelassen Salsa.
Ja, es gibt zweifelsfrei Völker, die das Leben viel mehr zu genießen wissen als der Durchschnittsdeutsche. Prompt bekamen wir ein Video zu sehen, das einen Querschnitt durch die vielfältigen Landschaften von Juans alter Heimat zeigte; auch den Schauplatz, an dem das Land dereinst wegen einer Blumenvase einen Krieg führte. Die »Florero-Affäre« quasi.
Kurz bevor wir einen grausamen Übersättigungstod starben, legte Claudia eine neue CD ein; es folgte ein weiterer kolumbianischer Brauch, der einmal mehr zeigte, wie emotional dieses Volk lebte. Ein mit weinerlicher Stimme in Spanisch vorgetragenes Lied über einen Mann, der es nicht schaffte, rechtzeitig zu Weihnachten und Silvester bei seiner Familie zu sein. Das Lied war mit infernalischem Glockengeläut im Hintergrund untermalt. Dieses musste dann in voller Lautstärke abgespielt werden, was immer die Boxen der Stereoanlage hergaben. In Kolumbien heulen dabei alle wie Schlosshunde und rennen mit Glocken durch die Gegend, erzählte Juan mit einem Augenzwinkern. Eine endlose Viertelstunde lang, bis Mitternacht.
Dann wurde, wie überall auf der Welt, auf das neue Jahr angestoßen und Feuerwerk gezündet, auch wenn dies in weiten Teilen Spaniens mittlerweile verboten war, weil es wohl übertrieben wurde. Gleichwohl hielten speziell die chinesischen Pyrotechniker ein breites Angebot bereit. Man nahm es hier nicht so genau mit derartigen Vorschriften. Bei jedem Knall flüchtete Claudia, die offenbar einen Heidenrespekt vor Feuerwerkskörpern hatte, erschrocken in Richtung des Hauseingangs.
Dann war natürlich wieder Salsa-Tanzen angesagt. Juan räumte die Wohnzimmereinrichtung beiseite – und schon schwangen er und Claudia strahlend das Tanzbein. Dieses Mal weigerte sich Attila, er sah lieber zu. Auch Manuela, die 13-jährige Tochter Claudias, enthielt sich vornehm. Teenager tanzten eben überall auf der Welt lieber etwas anderes. Nicht einmal ich begab mich auf die Tanzfläche, wenn auch nur, weil meine beschädigten Knochen ansonsten wieder wochenlang Ärger gemacht hätten. Aber das Sitzenbleiben war gar nicht so einfach, das muss ich zugeben.
Juan hatte vorher noch über seine gebrochene Schulter geklagt, die bei jeder Bewegung schmerzte. Er war ein paar Wochen zuvor in der Badewanne ausgerutscht und gestürzt. Doch beim Salsa merkte man davon gar nichts mehr. Ich wünschte ihm, dass die Quittung für die viele Bewegung nicht am nächsten Tag käme – so wie neulich bei mir.
Gut gelaunt verabschiedeten wir uns in den frühen Morgenstunden. Juan bescherte das neue Jahr wenig später noch ein merkwürdiges Erlebnis: ein betrunkener Autofahrer krachte mit überhöhter Geschwindigkeit in sein Haus, nachdem er den Zaun niedergefahren und quer durch die Plantage gepflügt hatte. Außer Sachschäden passierte aber zum Glück nichts.
Das neue Jahr 2011 durften wir noch genau vier Tage lang in Frieden genießen. Dann schwappte eine neue Welle des Wahnsinns aus Deutschland herüber … ausgelöst von wem? Raten Sie mal!
Genau! Diese Frau hatte wieder einmal alle Register gezogen, derer sie habhaft werden konnte. Hatten wir es nicht schon längst gewusst? Kaum wähnte sie sich wegen des Gutachtens auf der sicheren Seite, setzte sie wieder alle verfügbaren Hebel in Bewegung, um Attila zu schaden. Musste sich wieder unbedingt seiner negativen Aufmerksamkeit versichern. Das gelang ihr in exzellenter Weise.
Innerhalb von nur zwei Tagen trafen die vorläufig letzten beiden Prophezeiungen ein, die wir schon vor längerer Zeit zum Besten gegeben hatten, auch beim Anwalt. Es ist so verdammt schwierig, sehenden Auges durch die Gegend zu laufen, wenn die meisten anderen blind für Offensichtliches sind. Egal ob es sich um Gutachter, Richter, Sozialpädagogen oder Angehörige handelt. Diese waren erfahrungsgemäß entweder zu den erforderlichen Denk-Konstrukts nicht fähig oder brachten den Mut nicht auf, die unausweichliche Progression der Vorgänge zu durchbrechen. Der Mensch hat eben vor nichts mehr Angst, als sich auf Unbekanntes einzulassen, oder sich Unausweichlichem zu stellen. Traurig, aber wahr!
Am 5. Januar beschlossen Attila und ich, uns nach der Arbeit im neuen Haus mit einem Abendessen beim Chinesen zu belohnen; Attila hatte so richtig Lust auf knusprige Ente bekommen und die schmeckte mir von jeher auch sehr gut. Wir duschten also und ersetzten die Arbeitsklamotten durch salonfähige Kleidung. Während Attila unter der Dusche weilte, klingelte sein Handy; wir glaubten beide, es handele sich um Attilas Kunden Fritz, der wieder einmal im richtigen Moment ein Problem mit seinem Programm hatte. Aber nein, das wäre ja noch harmlos gewesen! Das Display zeigte Uschis Nummer, und das konnte nur eines bedeuten: Magenschmerzen.
Ich saß fertig angezogen an meinem Schreibtisch und checkte noch meine Mails, während Attila Uschi genervt zurückrief. Die ließ sofort lautstark einen aufgeregten Wortschwall auf Attila einprasseln, so dass mir sofort klar war, dass sie wieder mit einem der Kinder nicht klarkam. Natürlich musste sie ihre Erziehungsunfähigkeit genau an jenem Menschen auslassen, dem sie mit jahrelangen Bemühungen das Sorgerecht weggenommen hatte. Sobald sie nicht weiterwusste, dann war Attila allemal gut genug, für sie die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Dieses Mal ging es um Solveig. Mein Adrenalinspiegel erreichte schwindelnde Höhen, als ich gegen meinen Willen, aufgrund der Lautstärke dieses Telefonates, mitbekam, worum es sich diesmal handelte.
Die liebe Solveig war vor einigen Tagen mit der Polizei nach Hause gebracht worden, weil sie bei einem Ladendiebstahl in einem Bekleidungsgeschäft erwischt worden war. Außerdem habe sie Uschi geschlagen und getreten, Uschi käme körperlich gegen sie nicht mehr an. Solveig verlasse das Haus, wann immer es ihr passe, und sie, Uschi, könne nichts dagegen machen. Die Polizei habe ihr auch gesagt, dass 13-jährige bis 22.00 Uhr draußen sein dürften. Darüber hinaus schwänze Solveig dauernd die Schule, spiele häufig krank und täusche Magenschmerzen vor, die Noten seien entsprechend. Aktuell sei sie gegen Uschis Willen um 19.30 Uhr aus dem Haus gegangen, habe sich nicht aufhalten lassen.
Jetzt hege Uschi Angst, dass sie abhauen werde oder sich mit ihren dubiosen Freunden treffe, denn sie befinde sich in einem schlechten Bekanntenkreis. Ihr kleiner Bruder Marco habe schon geäußert, er wolle bitte ins Nervenkrankenhaus eingeliefert werden, um seine Ruhe zu haben.
Nun gut, mich erstaunte das Ganze nicht im Geringsten! Wer Band 1 und 2 von »Scheidung kann tödlich sein« gelesen hat, dem wird wohl bekannt sein, dass ich den Verdacht eines solchen Werdeganges bei Attilas ältester Tochter längst kommen habe sehen. Einfach weil er vollkommen logisch war. Grenzenlose Erziehung mit viel zu viel Luxus, eine hilflose, erziehungsunfähige Mutter und ein zu weicher, duldsamer Vater, der sie total verzogen hatte. Die ganze Familie hatte jahrelang weit über ihre Verhältnisse gelebt.