Kornblumenjahre. Eva-Maria Bast

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kornblumenjahre - Eva-Maria Bast страница 10

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Kornblumenjahre - Eva-Maria Bast

Скачать книгу

Hochzeitskleid nähen wir aus alten Gardinen.«

      »Aber trägst du denn nicht das Hochzeitskleid deiner Mutter?«

      Lisbeth schüttelte den Kopf. »Es ist irgendwie im Krieg verloren gegangen. Ich hätte es gern getragen.«

      Sie nickte dem jungen Mann zu, der ein paar Meter abseits stand und der, obwohl er diskret zur Seite blickte, doch sehr genau wahrnahm, was die beiden jungen Damen taten und ob man ihn benötigte. Mit zwei Schritten war er bei ihnen.

      »Wir können los, Franzl«, sagte Lisbeth hoheitsvoll und zog Marlene mit sich fort.

      Der Bursche folgte mit den Koffern in einigen Metern Abstand.

      Marlene war beeindruckt. »Ihr habt noch einen Burschen?«, staunte sie. »Wir mussten unseren schon lang entlassen. Wir haben nur noch zwei Dienstmädchen in Konstanz.«

      Lisbeth zuckte die Achseln. »Vater meint immer, der Junge würde auf der Straße landen, wenn er nicht bei uns bliebe. Er ist uns so dankbar.«

      Aber Marlene hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Die Großstadt mit ihrem Charme hatte sie vollständig in ihren Bann gezogen. Staunend betrachtete sie die hohen Häuserfassaden, die breiten Straßen und die Automobile, die lärmend vorbeirasten. München kam Marlene vor wie ein riesiger Schlund – was einerseits furchtbar aufregend, andererseits aber auch ziemlich erschreckend war. Mit einem Mal fand sie es gar nicht mehr so erstrebenswert, erwachsen zu werden und alleine durch die Welt zu reisen. Marlene sehnte sich nach nichts mehr als nach der Sicherheit des heimischen Haushalts.

      Lisbeth, die trotz ihrer Tendenz zur Oberflächlichkeit bemerkte, wie unwohl sich die Freundin fühlte, umfasste ihren Arm fester. »Es ist etwas beängstigend am Anfang, nicht?«, fragte sie. »Was glaubst du, wie es mir ging? Du weißt ja immerhin, dass du bald zurückkehren kannst. Als ich hier ankam, wusste ich, dass ich bleiben muss.«

      »Ja«, sagte Marlene schuldbewusst. »Das ist natürlich ein viel härterer Einstieg.«

      »Aber soll ich dir mal was sagen?«, lachte Lisbeth. »Man gewöhnt sich daran. Ich habe die Stadt richtig liebgewonnen. Und das nicht nur, weil ich den Mann meines Lebens hier gefunden habe.«

      Ein Automobil fuhr dicht neben Marlene durch eine Pfütze und spritzte ihren Rocksaum nass. Sie schrie erschrocken auf und sprang zur Seite – aber es war zu spät. Der Rocksaum war voll braunem Wasser.

      »Oh nein«, jammerte Marlene.

      »Nicht schlimm«, versicherte Lisbeth. »Das kriegen wir wieder raus. Und ich verspreche dir: Auch du wirst München lieben.«

      Marlene konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Freundin recht behalten sollte. Aber in diesen ersten Minuten nach ihrer Ankunft konnte sie auch noch nicht ahnen, wem sie in München begegnen würde, in welch dunkle Welten sie Einblick bekäme – und dass sie die unglaublichen Ereignisse vom 8. und 9. November hautnah miterleben sollte. An diesem Januartag wusste Marlene Gerstett aus Konstanz ja nicht einmal, dass es einen Mann gab, der Adolf Hitler hieß.

      12. Kapitel

      Überlingen, Bodensee, 23. Januar 1923

      Raphael riss verzweifelt die Haustür auf und sah sich gehetzt in der Dunkelheit um. Er konnte nichts erkennen. »Hilfe!«, brüllte er aus Leibeskräften. »Hilfe, meine Mutter ist getötet worden!«

      Nichts regte sich in der finsteren Nacht, und die Gestalten, die sich hinter Büschen verbargen, gaben sich Mühe, nicht gehört zu werden. Sie hielten erschrocken den Atem an. Was schrie der Junge da? Sophie tot? Das hatten sie nicht gewollt, sie hatten sie doch nur warnen wollen!

      Raphael raste durch den Garten und die Straße hinunter. Sein Ziel war das Haus von Doktor Schilling. Wenn jemand seine Mutter noch retten konnte, dann er.

      Der Junge war jetzt erstaunlich klar im Kopf und wusste, was er zu tun hatte. Getrieben wurde er von der Angst, dass es zu lange gedauert haben könnte, bis er sich von seinem Schreck erholt hatte, und dass er nun schuld wäre, wenn seine Mutter es nicht schaffte.

      Nachdem der Stein sie getroffen hatte, hatte er zunächst geschrien wie am Spieß und sich dann verzweifelt weinend über sie geworfen. »Mutter!«, hatte er immer wieder gerufen. »Mutter!«

      Er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, bis er auf die Idee gekommen war, Hilfe zu holen. Denn er hatte Angst gehabt, sie alleine zu lassen. Andererseits erleichterte ihn der Gedanke, die drohende Stille des Hauses zu verlassen. Die lastende Verantwortung einem anderen zu übergeben.

      Als Raphael verschwunden war, kamen die zusammengekauerten Gestalten vor dem Haus zusammen und tuschelten aufgeregt. »Dass der Stein sie getroffen hat«, jammerte Elsa Kleinschmitt, »war ja nun wirklich nicht abzusehen. Was muss sie denn genau da stehen, wo er hinfliegt!«

      »Ob der Junge recht hat, und seine Mutter wirklich tot ist?«, fragte Dorothea Haberstett ängstlich.

      »Unsinn, wahrscheinlich ist sie nur ohnmächtig«, mischte sich Trudchen, die Frau des Bäckers, ein.

      »Aber was sollen wir denn nun tun?«, fragte Dorothea verzweifelt. »Wenn sie wirklich stirbt, dann haben Sie sie umgebracht.« Sie blickte Elsa Kleinschmitt vorwurfsvoll an.

      »Ich?«, fragte die empört. »Nun erlauben Sie mal, wir waren alle daran beteiligt.«

      »Aber Sie haben den Stein geschmissen«, beharrte Dorothea.

      »Ja«, stimmte Trudchen zu. »Außerdem sind Sie ja erst auf die Idee gekommen, wir sollten Sophie einen Denkzettel verpassen. Ohne Sie hätten wir das Ganze doch nicht einmal angefangen.«

      »So«, schnaubte Elsa, »feige seid ihr auch noch. Jetzt mir die ganze Schuld in die Schuhe schieben! Aber als ich euch erzählt habe, dass Raphaels Vater Franzose ist, da kannte eure Empörung keine Grenzen. Ihr wart es, die …«

      »Woher wissen Sie das denn überhaupt so genau?«, fragte Dorothea Haberstett. »Ich glaube kaum, dass Sophie ausgerechnet Sie ins Vertrauen gezogen hat.«

      »Ich weiß es aus absolut sicherer Quelle. Sozusagen aus erster Hand. Ich …«

      »Was ist denn hier los?«, rief eine tiefe Stimme von der Gartentür her. »Wer ist da?«

      Die drei Frauen zuckten zusammen.

      »Der Schuldirektor«, flüsterte Dorothea Haberstett entsetzt, »er ist zurück.«

      »Schnell weg!«, zischte Elsa Kleinschmitt. »Er darf uns nicht erkennen. Durch das hintere Gartentor!«

      Sie rafften ihre Röcke und rannten, so schnell sie konnten, davon.

      »Dort hinten!«, rief Sebastian. Johanna und er waren zeitgleich mit dem alten Schuldirektor in Überlingen angekommen. Sie hatten sich an der Einfahrt getroffen. Sebastian deutete in die Dunkelheit. »Dort hinten bewegt sich etwas!« Er rannte los. Friedrich Seiler folgte ihm.

      »Ich sehe nach, ob drinnen alles in Ordnung ist«, rief Johanna ihnen nach. Im Haus brannten alle Lichter und die Eingangstür stand sperrangelweit offen.

      Johanna wurde immer mulmiger zumute und eine kalte Angst packte sie. War jemand eingebrochen? Was, wenn noch einer der Einbrecher im Haus war? Und was – ihr stockte der Atem – was

Скачать книгу