Langeooger Dampfer. Peter Gerdes

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Langeooger Dampfer - Peter Gerdes

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Wenn man Lüppo reizte, kannte der keine Verwandten. Und Freunde auch nicht.

      »Könnte ja auch ein Unfall gewesen sein«, stocherte er trotzdem weiter.

      »Nein.« Der Inselpolizist verschränkte die kräftigen Unterarme. Deren Muskelspiel wirkte bedrohlich.

      »Und … wie … ist es passiert?« Marian setzte seine Worte behutsam und zögernd. Wie Schritte in einem Minenfeld.

      »Erstickt«, sagte Lüppo Buss, unterbrach sich dann aber selbst, runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf. »Offiziell sage ich nichts dazu. Schon gar keine Details. Täterwissen, du verstehst? Bei diesem Stand der Ermittlungen …«

      Du bist gut, dachte Marian. Stand der Ermittlungen! Wohl mehr Stand als Ermittlung. Lüppo konnte froh sein, dass es hier keinen Treibsand gab.

      »Apropos«, hakte der Journalist nach, »wer ermittelt denn? Leitest du selbst, oder schicken sie dir wieder einen?«

      Die Miene des Inselpolizisten versteinerte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die Muskeln seiner kräftigen Unterarme traten hervor wie Taue. Er schwieg, aber eine Antwort war auch gar nicht nötig. Natürlich bekam Lüppo Buss wieder einen vor die Nase gesetzt, einen Höherrangigen vom Festland, wie immer, wenn es um mehr ging als Diebstahl, Sachbeschädigung oder leichte Körperverletzung. Marian wusste, wie sehr Lüppo unter diesen ständigen Zurücksetzungen litt. Aber den Mut, einen Fall einfach an sich zu reißen und seine Vorgesetzten mit schnellen Ergebnissen vor vollendete Tatsachen zu stellen, hatte er auch nicht.

      Noch schien dieser Außerinsulanische aber nicht vor Ort zu sein. Zu dem weißgekleideten Team, das aus den Kriminaltechnikern und der Ärztin bestand, gehörte er jedenfalls nicht.

      Marian musterte die Strandszenerie. Was für eine riesige Baustelle! Die gewaltigen Rohrleitungen und die mächtigen Maschinen passten so gar nicht zum Image einer autofreien, erholsamen und familienfreundlichen »Insel fürs Leben«, wie Langeoog offiziell beworben wurde. Aber was sollte man machen? Die Herbst- und Winterstürme hatten der Insel stark zugesetzt, Strand und Dünen beschädigt und die wertvolle unterirdische Süßwasserlinse bedroht, von der die Wasserversorgung der Bevölkerung mitsamt den Massen geldbringender Touristen abhing. Da mussten Gegenmaßnahmen ergriffen werden, und das ging nur bei zuverlässig ruhigem Wetter. Also jetzt.

      Dem Mörder schien das gut zupassgekommen zu sein, überlegte Marian. In diesem frisch aufgeschütteten, weichen Sand war eine Kuhle schnell gebuddelt. Vermutlich war der Täter davon ausgegangen, dass dieses Inselgrab mit weiteren Sandschichten überspült und dauerhaft versiegelt werden würde. Dann wäre es frühestens nach den nächsten schweren Winterstürmen entdeckt worden.

      »Wer hat den Toten überhaupt gefunden?«, fragte Marian.

      Wenn Oberkommissar Buss darauf hätte antworten wollen, dann wären ihm die Worte buchstäblich von den Lippen gerissen worden, denn wie aus dem Nichts dröhnte plötzlich ein Hubschrauber im Tiefflug über sie hinweg. Vermutlich wieder der von vorhin, dachte Marian, aber erkennen konnte er das nicht. Ehe er seinen Notizblock hochgerissen hatte, bekam er schon eine Ladung Sand in die Augen. Lüppo Buss verbarg sein Gesicht hinter seiner Dienstmütze.

      »Diese Geier!«, schrie der Inselpolizist, als er sich wieder verständlich machen konnte. »Wundert mich, dass sie so lange gebraucht haben, um den Tatort ausfindig zu machen. Gibt doch Millionen von Amateurspitzeln, die für die arbeiten! Jetzt wissen sie jedenfalls, wo wir sind. Dauert nicht mehr lange, und sie fallen über uns her. Aber meine beiden Zeugen, die werfe ich denen nicht zum Fraß vor.« Lüppo Buss schnaubte Marian so wütend an, als könnte der etwas für seine Kollegen von der Sensationspresse: »Dir auch nicht! Schlag dir das aus dem Kopf.«

      Ungerecht, dachte Marian. Er hasste Ungerechtigkeit. Hatte er sich nicht in all den Jahren seines Inselexils um Fairness bemüht, Anstand und Fairness gegenüber allem und jedem, die Polizei eingeschlossen? Und so wurde ihm das gedankt. Zack, hinein in denselben Topf wie die Schlagzeilenschmiede von der Blutzeitung. War das etwa fair? Nein, war es nicht!

      Aber er hielt lieber den Mund. Beschwerden nützten gar nichts, das wusste er aus bitterer Erfahrung. Nicht, wenn Lüppo so aufgebracht war wie jetzt. Da hieß es warten. Launen kamen und gingen, vor allem bei einem aufbrausenden Charakter wie dem des Oberkommissars, und in einer Stunde oder so sah alles schon wieder anders aus.

      Außerdem, dachte Marian, habe ich noch andere Quellen.

      Eine Frage stellte er trotzdem: »Schon Tätervermutungen? Hatte Robin Seefeld Feinde?«

      Wider Erwarten polterte der Inselpolizist nicht, sondern grinste Marian breit an. »Ein umweltschützender Grüner im tourismusintensiven Inselparadies? Mitten im höchst umstrittenen Nationalpark? Was sollte der wohl für Feinde haben? Wo denkst du hin! So einer wird hier doch auf Händen getragen.«

      Sarkasmus, dachte Marian, muss Lüppo noch üben. Das hat er noch nicht richtig drauf. Vor allem sollte er die Hände still halten, wenn er von Händen redet. Und nicht so tun, als wollte er gerade jemanden erwürgen.

      Er grüßte und wandte sich ab. Nicht mehr lange, und die Meute der Sensationsschreiber, Leichenknipser und Katastrophenfilmer würde den Sand zertrampeln. Ganz zu schweigen von den vielen gaffenden Handyschwingern, die sämtliche Netzwerke mit Voyeurs-Futter vollferkeln würden. Dann wollte er lieber woanders sein.

      Nämlich an seinem Arbeitsplatz.

      4.

      »Kiek, dor is all weer so’n ollen Damper«, krächzte Klaas Reershemius mit angewidertem Gesichtsausdruck.

      »Damper?« Harm Bengen reckte den dürren, faltigen Hals und ließ seinen Kopf ein paar Zentimeter höher als sonst wackeln. »Kannst du von hier aus doch gar nicht sehen!« Er rückte seine flaschenbodendicken Brillengläser zurecht: »Oder meinst du den Rauch?«

      »Klar mein’ ich den Rauch«, zickte Reershemius zurück, das spitze Kinn kampflustig vorgestreckt. »Oder vielmehr den Dampf. Heißt doch nicht umsonst Dampfer.«

      »So’n Dampfer produziert ja nun beides«, mischte sich Bodo Schmidt ein. »Der Rauch kommt vom Feuer, und der Dampf – na ja, der irgendwie auch.«

      »Sehen kann ich aber immer noch nix. Weder noch.« Harm Bengen zog seinen Hals zurück in den Kragen, was irgendwie an ein U-Boot-Periskop und an eine Schildkröte zugleich erinnerte. »Der Hafen ist von hier aus ja viel zu weit weg.«

      »Himmel hilf!« Reershemius schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn; es klatschte nicht, es raschelte. »Ich rede doch nicht von Dampfschiffen, ich meine diese Heinis, die neuerdings egalweg an ihren Apparaten nuckeln! Guck, da ist schon wieder so einer! Na, seht ihr den Dampf jetzt?«

      Die Langeooger Inselbahn hatte gerade eine neue Ladung Feriengäste ausgespuckt; der erste Schwung von ihnen hatte sich auf den Weg ins Dorf gemacht, mit Rucksäcken beladen und quietschende Rollkoffer im Schlepp, die sie als Handgepäck deklariert und eigenhändig auf die Fähre und in den Zug gewuchtet hatten. Die übrigen Passagiere sorgten an der Gepäckausgabe für das übliche Chaos, aus dem ärgerliche Kommentare und wütende Schreie herausstachen. Ungehaltene Ordnungsrufe über die Bahnsteiglautsprecher verhallten unbeachtet. Diejenigen Touristen, die sich ihre Koffer erkämpft hatten, zogen in einem unregelmäßig plätschernden Strom an der Sitzbank der drei Rentner vorüber.

      Kaum einer der Neuankömmlinge hatte eine Hand frei und überschüssiges Lungenvolumen für eine Zigarette. Nur ganz vereinzelt stiegen Rauchwölkchen auf. Und hier und da eine weit dichtere

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