Der Tod auf dem Nil. Agatha Christie

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Der Tod auf dem Nil - Agatha Christie

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      Agatha Christie

      Der Tod auf dem Nil

      Ein Fall für Poirot

      Aus dem Englischen von Pieke Biermann

      Atlantik

      Für meine alte Freundin Sybil Bennett,

      die auch gern weltenbummelt.

      Erstes Kapitel

      I

      »Linnet Ridgeway!«

      »Tatsächlich, das ist sie!« Mr Burnaby, Wirt des Three Crowns, verpasste seinem Gesprächspartner einen Rippenstoß.

      Beide Männer starrten nach draußen, mit runden Kuhaugen und halboffenen Mündern. Ein scharlachroter großer Rolls-Royce hielt eben vor dem Postamt.

      Eine sehr junge Frau sprang heraus, ein Mädchen ohne Hut, in einem Kleid, das ganz schlicht aussah (aber nur aussah). Ein Mädchen mit goldenen Haaren und einem offenen, sehr selbstbewussten Gesicht. Ein Mädchen mit einer bildhübschen Figur. Ein Mädchen, wie man es in Malton-under-Wode nur selten sah.

      Mit eiligen, herrischen Schritten verschwand sie im Postamt.

      »Das ist sie?«, sagte Mr Burnaby noch einmal, und leise und ehrfurchtsvoll fuhr er fort: »Millionen hat die … Wird etliche Tausender in den Umbau stecken. Soll dann hier Schwimmbecken geben und italienische Gärten und einen Ballsaal, und das halbe Haus wird abgerissen und wieder aufgebaut …«

      »Die bringt Geld in die Stadt«, sagte sein Freund. Er war hager und sah heruntergekommen aus. Und er klang nach Neid und Missgunst.

      Mr Burnaby war derselben Ansicht. »Tja, ist ’n dolles Ding für Malton-under-Wode. ’n ganz dolles Ding.« Es schien ihm zu behagen. »Wird uns alle hier wachrütteln.«

      »Ganz was anderes als Sir George«, sagte der andere.

      »Tja, den haben die Pferde geschafft.« Mr Burnaby klang mild. »Hat ja nie Glück gehabt.«

      »Was hat der eigentlich gekriegt fürs Haus?«

      »Satte sechzigtausend, hab ich gehört.«

      Der Hagere stieß einen Pfiff aus.

      »Und sie soll noch mal sechzigtausend los sein, bis sie alles fertig hat!«, berichtete Mr Burnaby triumphierend weiter.

      »Eine Schande!«, fand der Hagere. »Wo hat die denn das ganze Geld her

      »Amerika, hab ich gehört. Die Mutter war wohl die einzige Tochter von so ’nem Millionen-Krösus. Wie im Kino, was?«

      Das Mädchen kam aus dem Postamt und stieg wieder ins Auto.

      Der Hagere starrte ihr brummelnd nach, als sie davonbrauste. »Ich find das ja ganz verkehrt – dass sie so aussieht. Geld und so ’n Aussehen – das ist zu viel! Wenn eine so reich ist wie die, dann darf die doch nicht auch noch gut aussehen. Und die sieht gut aus … Alles hat die! Find ich ungerecht …«

      II

      Aus der Gesellschaftskolumne des Daily Blague:

      Zu den Abendgästen im Chez Ma Tante gehörte auch die bildschöne Linnet Ridgeway. Ich erspähte sie beim Souper am Tisch mit Lady Joanna Southwood, Lord Windlesham und Mr Toby Bryce. Miss Ridgeway ist, wie allseits bekannt, die Tochter von Melhuish Ridgeway aus seiner Ehe mit Anna Hartz und damit Erbin des immensen Vermögens ihres Großvaters Leopold Hartz. Die liebreizende Linnet ist derzeit Thema Nummer eins der feinen Gesellschaft, Gerüchte wollen sogar von einer baldigst bevorstehenden Verlobung wissen. Und tatsächlich sah Lord Windlesham sehr épris aus!

      III

      Lady Joanna Southwood saß in Linnet Ridgeways Schlafgemach in Wode Hall. »Liebes, ich glaube, das alles wird einfach himmlisch

      Vom Fenster aus hatte man einen Blick auf die Gärten und hinaus ins weite Land mit den blauen Umrissen der Wälder.

      »Es ist schon ziemlich vollkommen, nicht wahr?« Linnet lehnte auf der Fensterbank. Ihr Gesichtsausdruck verriet Ungeduld, Lebenslust und Tatendrang.

      Neben ihr wirkte Joanna Southwood – eine große, schlanke junge Dame von siebenundzwanzig Jahren mit einem gescheiten schmalen Gesicht und keck gezupften Augenbrauen – irgendwie blässlich. »Und was du alles geschafft hast in der Zeit! Hattest du viele Architekten und so?«

      »Drei.«

      »Wie sind denn Architekten eigentlich? Ich habe, glaube ich, noch nie einen kennengelernt.«

      »Ach, ganz in Ordnung. Allerdings fand ich sie manchmal ein bisschen unpraktisch.«

      »Nun, das hast du bestimmt schnell geradegebogen! Du bist doch das allerpraktischste Geschöpf!« Joanna nahm eine Perlenkette auf dem Toilettentisch in die Hand. »Die sind sicher echt, nicht, Linnet?«

      »Selbstverständlich.«

      »Ich weiß, dass so etwas für dich selbstverständlich ist, Liebes, aber bei den meisten Leuten wäre es das nicht. Dicke Zuchtperlen oder gleich Woolworth! Liebling, die sind wirklich unglaublich, so exquisit ebenmäßig. Die müssen märchenhaft viel Geld wert sein!«

      »Ein bisschen ordinär, findest du?«

      »Nein, überhaupt nicht – einfach die reine Schönheit. Was kosten die denn?«

      »Rund fünfzigtausend.«

      »Eine hübsche Stange Geld! Hast du gar keine Angst, dass sie gestohlen werden?«

      »Nein, ich trage sie überall – außerdem sind sie ja versichert.«

      »Darf ich sie mal ummachen, bis zum Abendessen, ja, Liebling? Ich würde eine Gänsehaut bekommen.«

      Linnet lachte. »Selbstverständlich, wenn du möchtest.«

      »Ach, Linnet, ich beneide dich wirklich. Du hast einfach alles. Du bist gerade zwanzig und schon dein eigener Herr, du siehst blendend aus und strotzt vor Gesundheit. Verstand hast du obendrein. Wann wirst du eigentlich einundzwanzig?«

      »Im nächsten Juni. Ich werde ein großes Fest in London geben, wenn ich volljährig bin.«

      »Und dann Lord Windlesham heiraten? Diese scheußlichen Klatschreporter sind ja alle schon ganz närrisch deshalb. Und er ist dir wirklich beängstigend ergeben.«

      Linnet zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich will eigentlich überhaupt noch niemanden heiraten.«

      »Liebling, du hast ja so recht! Hinterher ist doch alles irgendwie anders, nicht?«

      Das Telefon klingelte, und Linnet nahm ab. »Ja?«

      Die Stimme des Butlers meldete: »Miss de Bellefort ist am anderen Ende. Darf ich durchstellen?«

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