Strand Krimi Paket: Auch Mörder unter den Freunden - Thriller Sommer 2020. A. F. Morland
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Einer traf den Reifen hinten rechts.
Es war ohnehin schon ein Wunder gewesen, wie der LAKERS-Mann es geschafft hatte, den Ford trotz des zerschossenen Vorderreifens in der Spur zu halten.
Jetzt brach er hinten aus, schabte an einer Reihe parkender Fahrzeuge entlang und blieb schließlich an einem von ihnen hängen.
Die beiden verbleibenden Reifen drehten durch.
Die Metallfelge sprühte Funken wie ein Schweißgerät.
Der LAKERS-Mann öffnete die Tür, riss die Waffe empor und feuerte in meine Richtung. Ich duckte mich, sprang vom Wagen und rannte hinter ihm er.
Keine fünfzig Meter entfernt befand sich eine Subway-Station. Der LAKERS-Mann rannte die Stufen hinab, die in die Tiefe führten. Hinunter in die unterirdische Stadt aus Subway-Bahnhöfen, Schienentunnels und Abwasserkanälen, von denen nur noch ein Bruchteil in Gebrauch war. Zehn Stockwerke tief reichte dieser Maulwurfsbau, wie er von New Yorkern oft liebevoll genannt wurde, unter die Oberfläche.
Ich setzte dem flüchtigen LAKERS-Mann, den ich für den Mörder Ray Azzaros hielt, weiter nach. Ein Strom von Menschen kam mir entgegen, hielt mich auf und es nützte mir auch nichts, dass ich mit meiner FBI-Marke herumwedelte. Es waren einfach zu viele. Schon nach wenigen Augenblicken hatte ich den LAKERS-Mann aus den Augen verloren. Aber noch war ich nicht bereit aufzugeben.
Schließlich erreichte ich den Bahnsteig.
Ein Zug fuhr gerade weg.
Der Bahnsteig war voller Menschen. Eine Minute später stand ich fast allein dort. Milo sah ich die Treppe hinunter kommen, die SIG in der einen und die FBI-Card in der anderen Hand.
Er sah sich suchend um.
Von dem LAKERS-Mann war nirgends eine Spur zu finden.
Ich steckte meine Pistole weg und griff stattdessen zum Handy, um sicherzustellen, dass der gerade Richtung Central Park abgefahrene Zug bei der nächsten Station von Kollegen des New York Police Department unter die Lupe genommen wurde. Meine knappe Täterbeschreibung sollte dabei helfen: Der Killer war mindestens einsachtzig groß, männlich, Baseball-Cap mit der Aufschrift LAKERS und eine Sporttasche der Firma Nike.
„Danach könnte man nicht einmal ein Phantombild fabrizieren, Jesse“, tadelte mich Milo, der alles mitbekommen hatte. Auch er steckte jetzt die SIG zurück ins Holster und ließ die FBI-Marke in der Jackentasche verschwinden.
„Sehr witzig, Milo! Leider hat der Kerl auf meine Aufforderung seine Brille nicht abgenommen, damit ich ihn besser sehen kann!“
4
Wir kehrten zurück zum Tatort.
Nur eine Viertelstunde später war dort bereits der Teufel los. Rund um das Portal des Gerichtsgebäudes natürlich auch. Ein Wagen des Coroners war vorgefahren, um die Leiche von Ray Azzaro abholen.
Der gesamte Bereich vor dem Gerichtsgebäude und um das gegenüberliegende Brownstone-Gebäude war abgesperrt worden. Uniformierte Kollegen der City Police hatten das übernommen. Außerdem waren ein halbes Dutzend G-men am Tatort eingetroffen, darunter unsere Kollegen Leslie Morell und Jay Kronburg. Clive Caravaggio, der stellvertretende Chef des FBI Field Office New York traf zusammen mit seinem Kollegen Orry Medina etwas später ein. Wenn ein Bluthund dieser Größe des organisierten Verbrechens selbst das Opfer eines Mordanschlags wurde, war das ein Fall für das FBI. Schließlich lag nahe, dass dahinter eine Fehde unter organisierten Gangsterbanden steckte.
Kollegen der Scientific Research Division, dem in der Bronx ansässigen zentralen Erkennungsdienst, dessen Einrichtungen und von allen New Yorker Polizeieinheiten benutzt wurden, trafen ein. In besonderen Fällen hatten wir darüber hinaus die Möglichkeit, auch unsere eigenen erkennungsdienstlichen Mitarbeiter und Labors einzuschalten.
In diesem speziellen Fall reichten die Kapazitäten unserer SRD-Kollegen vollkommen aus. Captain Ross McAllister, der Chief des 42. Precinct des New York Police Department leitete den Einsatz unserer Kollegen von der City Police. McAllister war ein bärbeißiger, sommersprossiger Mann mit roten Haaren. Seine irischen Vorfahren waren nicht zu leugnen.
„Einem Widerling wie Ray Azzaro dürfte wohl kaum jemand eine Träne nachweinen", meinte er, als wir uns zusammen mit meinem Kollegen Clive Caravaggio in einem der leer stehenden Büroräume von Watson & Partners trafen.
„Trotzdem werden wir den Mord an ihm mit derselben Intensität verfolgen, wie jedes andere Verbrechen", erwiderte ich. „Auch, wenn jetzt der eine oder andere sagen wird, dass es mit Azzaro den Richtigen getroffen hat."
„Einen Mann, der um keinen Preis der Welt hätte freikommen dürfen!“, war McAllister überzeugt. „Ich glaube nicht, dass ihm in East Harlem viele Leute vermissen werden!“
Clive zuckte die Achseln. „Wer weiß, vielleicht hat sogar dieser James Gutierrez ihn auf dem Gewissen…“
„Sein eigener Boss?“, fragte Milo.
„Warum nicht?“, erwiderte Clive. „Azzaro war für Gutierrez der Mann fürs Grobe – und so ein Mann fürs Grobe weiß doch häufig über die dunkelsten Kellerlöcher Bescheid, die sein Auftraggeber zu verbergen hat…“
„Wenn wir erst einmal den Killer haben, bekommen wir auch den Boss, der hinter ihm steht!“, war ich überzeugt. Die Liste derer, die Azzaro den Tod gewünscht hatten, musste ziemlich lang sein. Dutzende von kleinen Bar- und Ladenbesitzer in East Harlem, denen Azzaro im Auftrag von Gutierrez auf die Füße getreten war. Natürlich auch die Konkurrenz im Geldwäschergeschäft, die Azzaro recht erfolgreich eingedämmt hatte. Nach unseren Ermittlungen war Azzaro es gewesen, der seinem Boss den Weg nach oben buchstäblich frei geboxt hatte. Oft genug mit Unterstützung von einschlägig bekannten Kriminellen oder Straßengangs. Azzaro war schlau genug gewesen, sich die Hände nur dann schmutzig zu machen, wenn er vollkommen sicher sein konnte, nicht erwischt zu werden.
Mein Handy schrillte.
Es war die Zentrale. Ich bekam Bescheid darüber, dass unser Zeichner Agent Prewitt auf dem Weg zum Tatort war, um mit mir und Milo ein Phantombild des Täters zu erstellen, das möglichst schnell an die Medien gegeben werden sollte.
Miles Pendros von der Scientific Research Division trat zu uns. Ich kannte Miles von anderen Einsätzen her, hatte ihn aber in seinem schneeweißen Ganzkörperschutzanzug mit Kapuze und Mundschutz nicht erkannt. Erst jetzt, da er sich beides zur Seite schob, sah ich, mit wem ich es zu tun hatte.
„Hi, Miles!“
„Hi, Jesse.“
Er begrüßte auch die anderen und meinte schließlich: „Diese Anzüge sind das pure Grauen. Angeblich sollen die atmungsaktiv sein.“
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, im Außendienst zu sein“, grinste Milo.
Aber das Tragen dieser Schutzanzüge hatte sich in der Spurensicherung bewährt. Gerade die Technik der DNA-Analyse und der Einsatz von Luminol, um normalerweise unsichtbare oder teilweise schon entfernte Spuren sichtbar zu machen, hatten das Geschäft der Spurensicherung in den letzten Jahren revolutioniert. Eine Schuppe, die aus dem Haar eines Beamten rieselte, konnte am Tatort zu einem