Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte. George Eiselt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte - George Eiselt страница 2
Im Großen und Ganzen kann ich aber sagen, dass ich eine relativ ausgeglichene Kindheit erleben durfte, die nur ab und wann vom scherzhaft boshaften Treiben meiner Brüder getrübt wurde. Sie trieben nämlich des Öfteren ihren Schabernack mit mir, der mich teilweise seelisch sehr belastete. Ein Beispiel möchte ich an dieser Stelle kurz ansprechen.
Da ich als das jüngste Kind immer zuerst ins Bett musste und meine Eltern auch nicht immer anwesend waren, dachten sich meine Brüder, dass es doch lustig wäre, mich mal auf gruselige Art richtig zu erschrecken. Sie steckten sich jeder eine kleine Taschenlampe in den Mund, beugten sich in dem verdunkelten Zimmer über mich und gaben dabei laute gespenstige Töne von sich. Dass ich dadurch einen tüchtigen Schreck bekam, kann wohl jeder nachvollziehen. Das hatte bei mir teilweise solche tiefgründigen Nachwirkungen, dass ich immer mit schaurig ängstlichem Gemüt in den Keller ging, wenn ich den Auftrag bekam, etwas hochzuholen.
Im Allgemeinen aber war das Zusammenleben mit meinen Brüdern schon in Ordnung und ich konnte in vielerlei Hinsicht von ihnen profitieren. Zum Beispiel hatten wir Kinder in den fünfziger Jahren aus finanziellen Gründen noch kein eigenes Radio in unserem Zimmer. Mein ältester Bruder, der den Beruf des Elektrikers absolviert hatte, bastelte für uns Kinder einen sogenannten Behelfsradioempfänger auf der Basis eines Detektors. Er bestand aus einem streichholzschachtelgroßen Gehäuse, indem ein kleiner Siliziumkristallstein befestigt war, auf den wiederum eine Feder, so groß wie die in einem Kugelschreiber, drückte. Diese Feder war außen mit einem Drehgriff verbunden, so dass man damit auf dem Kristall herumkratzen konnte. Der Kristall war außerdem noch mit einer Spule mit einem kleinen Magneten verbunden, an dem ein langer Draht befestigt war, der als Antenne fungierte. Um die Antennenwirkung noch zu vergrößern, wurde der Draht zusätzlich noch an die Spiralfedern eines Bettes angeschlossen. An der Spule schließlich war noch ein kleiner Kopfhörer angeschlossen, den man ans Ohr drücken konnte. Wenn man jetzt mittels des Drehgriffes an dem Kristall herumkratzte, so ertönte bei bestimmten Stellungen Musik von irgendwelchen undefinierbaren Sendern, die natürlich qualitätsmäßig nicht das größte Klangerlebnis darstellte, aber für uns ein großartiges Erlebnis war.
Ein Ereignis in meiner Kindheit verdient im Zusammenhang mit meinen Brüdern noch besondere Erwähnung. Am Heilig Abend wurde bei uns immer vor der Bescherung erst in der Küche Abendbrot gegessen. In den ersten Jahren nach dem Krieg, wo noch keine speisemäßige Üppigkeit herrschte, kam an diesen Abenden regelmäßig ein Gericht auf den Tisch, was aus übereinander geschichteten und in Milch eingeweichten Weißbrotscheiben bestand, jede Schicht wurde außerdem mit Zucker und Mohnsamen bestreut. Es nannte sich Schlesische Mohn-Kließla. Diese Speise wurde dann auf die Teller verteilt und mit einem Löffel gegessen. In den späteren Jahren, wo es uns finanziell schon besser ging, gab es an Stelle der erstgenannten Speise prinzipiell pro Kopf zwei Knackwürste mit Kartoffelsalat. Solchermaßen gesättigt ging es dann zur Bescherung über den Korridor ins Wohnzimmer, wobei auf diesem Weg immer zusammen ein Weihnachtslied geträllert wurde. Im Wohnzimmer bestaunten wir zuerst den von unseren Eltern in totaler Abgeschiedenheit geschmückten Weihnachtsbaum und stürzten uns dann natürlich auf unsere Geschenke. Die fielen natürlich damals nicht so üppig aus, wie es heute üblich ist, aber wir erfreuten uns auch an kleineren Sachen. Als ich schon in die Schule ging und unsere finanzielle Situation schon besser war, bekam ich einmal einen Stabil-Baukasten ganz für mich allein, vorher waren es immer Geschenke, die für alle Verwendung hatten, wie z.B. Gesellschaftsspiele, sowie irgendwelche selbstgestrickten Sachen zum Anziehen. Nebenbei gesagt, sah unser Tannenbaum auch nicht so aus, wie man es heute so gewohnt ist. Wir hatten in der DDR immer nur Fichten als Weihnachtsbaum, die meistens schon beim Schmücken so viele Nadeln verloren, dass sie regelrecht gerupft aussahen. Als wir das erste Weihnachten in der BRD feierten, kauften wir uns eine Edeltanne für 35 DM, obwohl unser finanzieller Rahmen damals noch sehr eng gestrickt war. Aber wenn man die Photographien mit denen von früher vergleicht, fällt einem der Unterschied erst so richtig ins Auge. So einen Baum, wie wir ihn früher hatten, würden sich heute noch nicht einmal die Ärmsten von den Armen in die Wohnung stellen.
An dem für mich besonderem Weihnachtsabend jedoch traute ich kaum meinen Augen, denn unter dem Weihnachtsbaum war ein kreisförmiger Schienenstrang aufgebaut mit einer elektrischen Eisenbahn einschließlich einigen Anhängern. Diese Anlage hatte mein mittlerer Bruder mit Hilfe eines kleinen Zuschusses meiner Eltern gekauft, der zu dieser Zeit schon seine Ausbildung als Fernmeldebaumonteur absolviert hatte und sein eigenes Geld verdiente.
Diese kleine Eisenbahnanlage zog eine mehrere Monate dauernde Bastelzeit nach