Fluch der verbotenen Stadt. Manuel Lippert
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Während Rainer die Pizzen in handliche Stücke schnitt und auf Teller verteilte, deckte Tim den Tisch im Besprechungsraum mit Tellern und Servietten. Im nächsten Moment kamen auch schon die anderen Teilnehmer der ersten Besprechung zu dem Fall an. „Leute, heute ist euer Glückstag. Wir haben die beste Pizza der Stadt mitgebracht. Greift zu und lasst es euch schmecken!“, begrüßte Rainer sie mit überschwänglicher Euphorie.
Als Leiter der Mordkommission war Stefan Dittrich für die Besprechung verantwortlich. Er begrüßte neben der Staatsanwältin auch die Kollegen der Kriminaltechnik und einen Kollegen der Pressestelle der Polizeidirektion. Dann übergab er an Tim, der zunächst einen kurzen Überblick über den Ermittlungsstand und die Identität des Toten gab. „Liebe Kollegen, Sven Ziegler wird uns jetzt Einzelheiten zum Mordopfer Günther Ludwig und dessen Familie vorstellen“. Mit diesen Worten übergab Tim das Wort an Sven Ziegler. „Danke Tim. Bisher konnten wir folgende Informationen zu dem Mordopfer in Erfahrung bringen.“ Auf dem an der Wand montierten Flachbildschirm blendete er eine Präsentation ein. „Ich möchte ihnen zunächst einen Überblick über die Familie von Günther Ludwig geben. Die beiden Eltern sind bereits verstorben. Seine Schwester hieß Beate und war ein Jahr jünger. Sie nahm sich mit siebzehn das Leben. Das Haus von Günther Ludwig war auch sein Elternhaus. Nach dem Tod der Eltern hatte er das Haus geerbt. Anscheinend hat er nie woanders gewohnt, denn bei den Einwohnermeldebehörden existiert keine andere Meldeadresse.“ Tims Vermutungen zu dem Haus hatten sich somit bestätigt. Die weiteren Ausführungen von Sven Ziegler zur Familie deckten sich mit den Angaben der befragten Nachbarn. Auf die Ermittlungsakte der Volkspolizei der DDR hatten sie bisher keinen Zugriff bekommen, darum wollte sich Stefan Dittrich später persönlich kümmern. Laut Sven Ziegler arbeitete Günther Ludwig seit achtundzwanzig Jahren beim Bauamt der Gemeinde Zossen.
Die Kriminaltechnik berichtete kurz, dass die Spurensicherung am Tatort abgeschlossen sei, sie aber im Haus von Günther Ludwig noch andauere. Mit ersten Ergebnissen konnten Tim und Rainer erst am Nachmittag des kommenden Tages rechnen. Die Staatsanwältin bestätigte die Obduktion des Opfers für den morgigen Nachmittag. Tim und Rainer teilten der Gruppe noch mit, dass sie morgen Freunde und Kollegen von Günther Ludwig befragen würden. Sven Ziegler würde seine Hintergrundrecherche von Günther Ludwig inklusive seiner Bankkonten fortsetzen. Die Staatsanwältin tauschte sich noch kurz mit dem Leiter der Mordkommission und dem Kollegen der Pressestelle aus, um eine Pressemitteilung für morgen vorzubereiten. Abschließend ergriff Stefan Dittrich das Wort. Tim konnte das, was jetzt kommen sollten, bereits auswendig nachsprechen. „Ihr seid alle schon lange bei der Kriminalpolizei und habt sehr viel Erfahrungen was solche Fälle betrifft. Wir haben alle für die Aufklärung dieses Falles notwendigen Fähigkeiten hier im Raum versammelt.“ Bevor er weiterredete, blickte er nach und nach jedem Teilnehmer in die Augen. „Ich erwarte von jedem der Anwesenden, dass ab sofort mit Hochdruck ermittelt und eng zusammengearbeitet wird. Ihr wisst schließlich, dass die ersten achtundvierzig Stunden entscheidend für den Ermittlungserfolg sind.“ Tim schaute Rainer an, der grinste. Welcher Ermittler kannte die Regel mit den achtundvierzig Stunden denn nicht? Somit war die Besprechung mit den letzten Worten des Leiters der Mordkommission beendet.
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Mittlerweile war es schon halb acht. Sarah hatte Tim geschrieben, dass sie mit dem Abendessen auf ihn bis zwanzig Uhr warten würden. Er hatte sich darüber sehr gefreut, denn das gemeinsame Abendessen war so etwas wie ein Familienritual geworden. Eine gemeinsame Zeit um miteinander zu reden und die wenigen Stunden bewusst zusammen zu erleben. Tim dachte, dass sich so etwas für Paare ohne Kinder komisch anhören müsse, aber er wusste, wie schnell man aneinander vorbei lebte ohne zu wissen was der andere macht oder denkt.
Voller Vorfreude stieg Tim in sein Privatfahrzeug. Er würde bald zu Hause sein. Gleichzeitig plagte ihn jedoch das schlechte Gewissen. Denn mit dem Fahrrad war er in zwanzig Minuten zu Hause, mit dem Auto lediglich doppelt so schnell. Dafür war die Umweltbilanz des Autos deutlich schlechter als die des Fahrrads, wie seine Tochter ihm regelmäßig unter die Nase rieb. Er musste grinsen. Lea war mittlerweile zu einer jungen Frau herangewachsen. Mit ihren siebzehn Jahren war sie in Diskussionen mit ihren Eltern ihnen absolut ebenbürtig. Ihre Argumentationsketten waren beeindruckend. Wenn er Lea ansah, wurde ihm immer öfter deutlich, wie schnell die letzten siebzehn Jahre und damit auch sein Leben an ihm vorbeigezogen war. Sie hatten sie damals sehr jung bekommen, als Tim noch bei der Bundeswehr als Reserveoffizier in Hannover stationiert war. Zwei Jahre später begann er seine Ausbildung bei der Kriminalpolizei und sie zogen als Familie nach Brandenburg an der Havel. In letzter Zeit bemerkte Tim aber immer öfter Spannungen zwischen ihm und seiner Tochter. Wenn er ihr Zimmer betrat, verdeckte Lea ihr Smartphone und regte sich darüber auf, dass er nicht anklopfte. Lea wirkte oft launisch und antworte häufig gereizt, wenn er sie ansprach. Er schob es auf das Erwachsenwerden, mit dem zugehörigen Abkapseln von den Eltern. Aber er merkte auch, wie schwer es ihm fiel loszulassen und ihr mehr Freiraum zu geben. Tim wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis seine Tochter ihr eigenes Leben leben würde.
Um Beruf und Familienleben unter einen Hut zu bekommen, hatte Sarah vor drei Jahren die Idee, sich als - „neudeutsch“ - Cake Designerin selbstständig zu machen. Dabei entwarf sie nicht nur Torten für besondere Familienanlässe, sondern gab in kleinen Workshops Anregungen und Hilfestellungen für die Tortenkunst. Immer wenn diese Workshops zu Hause stattfanden, suchte Tim das Weite und verabredete sich mit Freunden. Der Lärm bei einer solch großen Frauengruppe war ohrenbetäubend. Den Teilnehmerinnen schien es mehr um die Geselligkeit an sich als das Tortenbacken zu gehen. Tim war stolz auf seine Frau, dass sie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hatte und so erfolgreich wurde.
Als Tim an ihrem zweistöckigen, weiß verputzten Haus vorfuhr, stand Sarahs schwarzer Kombi mit der auffälligen, rosafarbenen Aufschrift „SB Cakedesign“ an den Seitentüren vor der Garageneinfahrt. Tim schloss die Haustür auf und wurde schwanzwedelnd und jaulend von Lasse begrüßt. Tim rieb es Sarah und seiner Tochter fast täglich unter die Nase, dass der braune Labrador ihn deutlich herzlicher begrüßte als die beiden anderen Familienmitglieder. Als er das Haus betrat, saßen Sarah und Lea schon am Esstisch und hatten bereits mit dem Essen begonnen. „Hallo Papa. Dann essen wir also heute wirklich mal wieder zusammen!“ Lea schien heute gute Laune zu haben. Tim mochte ihre Ironie. „Ich bin auch froh mit euch essen zu können. Danke, dass ihr beide auf mich gewartet habt“, antwortete Tim. Lasse begleitete Tim zu seinem Sitzplatz, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Tim gab Sarah einen Kuss auf die Wange und setzte sich. Lea zog ihren Kopf weg, als Tim ihr auch einen Kuss geben wollte.
Während sie aßen, berichtete Lea ausgiebig von ihrem heutigen Schultag und ihrem Fußballtraining. Beim Abräumen hatten Tim und Sarah endlich Gelegenheit sich miteinander zu unterhalten. Lea war nach oben in ihr Zimmer gestürmt. „Lea hat heute ja auffällig gute Laune. Das freut mich für sie, aber auch für uns“, sagte Tim mit einem Zwinkern. Sarah nickte, „ich glaube, sie ist verliebt“, antwortete Sarah. „Fang jetzt nicht an dich aufzuregen! Sie ist siebzehn Jahre alt, da gehören Jungs nun mal zum Leben dazu.“ Sarah hatte seinen Gedanken erraten. Tim fiel es schwer, sich seine Lea mit einem Jungen vorzustellen. „Du hast absolut Recht, das gehört zum Leben dazu. Ich brauche nur etwas Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen“, antwortete Tim und nahm Sarah in den Arm. „Schatz, wir haben von unseren Nachbarn, den Meiers, für morgen Abend eine kurzfristige Einladung zu einer Gartenparty erhalten. Das Wetter ist gerade so schön und sie würden gerne mit der kompletten Nachbarschaft einen gemeinsamen Abend verbringen. Lass uns da auf jeden Fall zusammen hingehen.“, schlug Sarah vor. Dabei sah sie ihn liebevoll an. Tim merkte, wie es ihm den Hals zuschnürte. Seine Frau sah in diesem Moment mal wieder sehr hinreißend aus. Aber er wusste, dass er gleich ihre Enttäuschung und Wut wecken würde. „Das ist aber sehr kurzfristig, oder? Veranstaltet man denn Gartenpartys nicht am Wochenende, wenn auch alle Gäste kommen können? Und überhaupt: Wie wollen Meiers denn die Gartenparty so kurzfristig vorbereiten? Müssen die nicht auch arbeiten?“,