Merkt doch keiner, wenn ich schwänze. Annette Weber
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„Klar packen die das“, sagte der Vater.
„Sind doch keine kleinen Kinder mehr.“
Der Alltag mit der Verantwortung kam schneller, als allen lieb war. Nämlich genau an dem Tag, an dem der Vater wieder winkend mit seinem LKW davonfuhr. Irgendwie atmeten diesmal alle nicht so richtig auf. Er hatte ihnen bis jetzt viel Arbeit abgenommen.
„Ich mache euch mal einen Zettel“, sagte die Mutter am Sonntagabend. „Also, Stefan, du bringst Katharina vor der Schule in den Kindergarten und nach der Schule holst du sie wieder ab. Du Paul, musst einkaufen gehen. Felix, wenn du aus der Schule kommst, fängst du schon alleine mit deinen Hausaufgaben an.“
„Mach ich“, sagte Felix wichtig.
Er war froh, auch seinen Beitrag zum Familiensparprogramm leisten zu können. Paul grinste. „Aber die Glotze bleibt aus, Kleiner. Sonst setzt es was.“
Paul war jetzt ganz der Vater.
„Dann müsst ihr was kochen. Nicht so schwere Sachen. Pizza auftauen oder Linsensuppe aus der Dose. So richtig schön kochen wir dann am Sonntag, ja?“ Frau Seidt sah unglücklich von einem zum anderen. Stefan und Paul nickten. Würde schon irgendwie gut gehen. Im Grunde war es ja wirklich kein großes Ding.
Aber als es dann losging, war es doch schwerer, als sie gedacht hatten. Zum Beispiel, wenn man Katharina aus dem Kindergarten abholte.
Katharina war eine einzige Klüngelmaus. Bevor sie ihre Jacke angezogen hatte, musste sie noch ein Bild zu Ende malen, die Bauecke aufräumen und dem Teddy Tschüss sagen.
„Mensch, Kathi, ich hab nicht ewig Zeit“, schimpfte Stefan. „Wenn du jetzt nicht mitkommst, gehe ich alleine.“
„Geh doch!“, kreischte Katharina und lief noch einmal in den Garten zur Rutsche. Jetzt platzte Stefan echt der Kragen.
„Hör zu, Kleine, jetzt ist echt Schicht im Schacht. Wenn du jetzt nicht kommst, kleb ich dir eine!“
Katharina spürte, dass Stefans Geduld an einem seidenen Faden hing. Darum kam sie jetzt widerstandslos mit. Aber schon an der nächsten Ecke hatte sie ein Gänseblümchen im Gras gefunden. Und dann sah sie eine kleine Katze. Die musste sie auch noch streicheln.
Stefan war auf hundertachtzig, als er endlich mit ihr zu Hause ankam.
Paul stand schwitzend in der Küche und rührte in einem Topf herum.
„Endlich kommt ihr. Wird allmählich alles schwarz im Topf.“
„Nimm das doch mal vom Herd runter.“ Stefan zog den Topf auf eine andere Herdplatte und öffnete das Fenster, damit der Qualm abziehen konnte.
„Felix, deck schon mal den Tisch!“
„Geht nicht, ich mache Hausaufgaben!“
Das war zu viel des Guten. Stefan war klar, dass er jetzt hier die Eltern vertreten musste. Und zwar so streng wie möglich, sonst machte nachher jeder, was er wollte.
„Du deckst jetzt den Tisch, Kleiner. Und zwar zacki!“, sagte er und haute dabei mit der Faust auf den Tisch.
Sofort fing Felix an zu heulen.
„Jetzt hab ich einen Strich über das Blatt gemacht“, heulte er. „Herr Kaiser schimpft dann mit mir. Und dann muss ich alles noch mal machen.“
Stefan unterdrückte einen Fluch, ließ Felix links liegen und deckte selbst den Tisch.
Felix heulte immer lauter.
Katharina lief zu ihrem Bruder und drückte ihn. „Armer Felix“, sagte sie und sah Stefan böse an. „Das sage ich Mama.“
„Weiß ich, du Petze“, erwiderte Stefan böse. „Und vergiss nicht, ihr zu sagen, dass Felix nicht den Tisch deckt und du nach dem Kindergarten rumtrödelst. Dann wird Mama auch sauer.“
„Bäh“, machte Katharina und streckte ihm die Zunge raus.
Eine bessere Antwort fiel ihr nicht ein.
Als sie schließlich alle um den Tisch saßen und die etwas streng schmeckende Linsensuppe aßen, ging es allen schon besser. Trotzdem war Stefan todmüde, als die Mutter endlich nach Hause kam.
„Musst du denn nicht noch für die Schule lernen?“, fragte sie ihn.
Stefan dachte einen Augenblick nach. Dann schüttelte er den Kopf.
„Nur noch Vokabeln lernen“, sagte er. „Aber das mache ich morgen in der Straßenbahn.“
Als Stefan über den Schulhof ging, kam ihm sein Freund Said entgegen.
„Na endlich. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
„Keine Panik. Musste nur meine Schwester in den Kindergarten bringen. Die trödelt immer so schrecklich.“
„Das kenne ich.“ Said hatte drei kleine Schwestern.
Aber immerhin hatte er eine Mutter, die sich um die Kinder kümmerte. „Eine Mutter, die ihre Arbeit nicht auf ihre Söhne abwälzte“, dachte Stefan verbittert. Er wusste, dass es ungerecht war, so zu denken. Seine Mutter war bestimmt auch unglücklich. Sie arbeitete ja wirklich den ganzen Tag. Aber trotzdem. Sie hatte sich so viele Kinder an den Hals geladen. Jetzt musste sie auch damit fertig werden.
Es war eben alles nicht so einfach.
„Hör zu“, sagte Said. „Heute Nachmittag ist Fußball. Die von der Robert-Koch-Schule haben uns herausgefordert. Sie wollen Rache für das Spiel in der letzten Woche.“ „Die Idioten. Die haben doch eh keine Chance.“ Stefan grinste. Seit einem halben Jahr spielten die Jungs aus der Achten gegen die Schüler aus der Nachbarschule. Und bis jetzt hatten sie die meisten Spiele locker gewonnen. Das lag vor allem daran, dass Stefan vier Jahre lang im Fußballverein gespielt hatte. Er hatte tierisch viele Tricks drauf und ließ sich nicht so schnell was vormachen.
„Du bist also dabei!“ Said lachte und schlug ihm auf die Schulter.
Nun kamen auch Ahmet und Torben, Steffi und Claudio auf ihn zu.
„Hast du schon gehört?“
„Machst du wieder mit?“
„Heute um drei!“
Plötzlich fiel es Stefan wie Schuppen von den Augen. Er konnte ja nachmittags nicht mehr weg.
„Leute“, sagte er. „Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, ob ich das schaffe. Ich muss nämlich …“ Er biss sich auf die Lippen. Er brauchte seinen Kumpels ja nicht gerade mitzuteilen, dass er jetzt Babysitten musste. Aber Said hatte ihn schon durchschaut. „Musst