Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane. A. F. Morland

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane - A. F. Morland страница 4

Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane - A. F. Morland

Скачать книгу

aber er wäre mir jetzt nicht mehr eingefallen.

      "Na, los!", sagte die Mutter und drückte auch schon auf die Klingel.

      "Klopfen Sie lieber", riet ich ihr. Die gute Frau hatte wohl vergessen, dass wir gegenwärtig keinen Strom hatten und Jürgen Lammers schon aus diesem Grund nichts von der Klingelei hören konnte.

      "Häh?", meinte sie, und so klopfte ich selber, anstatt darauf zu warten, dass sie es begriff.

      Ich erwartete, dass er jetzt jeden Moment aufmachte, wahrscheinlich in seinem speckigen Jogging-Anzug, der den Bierbauch besonders gut zur Geltung brachte. Ich erwartete, in seine böse blitzenden Augen zu blicken, die in dem grobschlächtigen Gesicht mit der dicken Nase, den dunklen Augenbrauen und den knorrigen Wangen einen überaus passenden Platz hatten.

      Aber nichts dergleichen geschah.

      Jürgen Lammers machte nicht auf, und ich klopfte noch einmal, diesmal schon deutlich ungeduldiger.

      Und dabei gab die Tür plötzlich nach. Offenbar war sie nur angelehnt gewesen.

      "Wenn die Tür offen ist, wird er ja wohl zu Hause sein", meinte die Tochter.

      Ich nickte, öffnete dabei die Tür vollends und trat zögernd ein.

      Die beiden Frauen folgten mir, und dann staunten wir alle drei erst einmal über das außergewöhnliche Chaos, das sich uns bot.

      Mein erster spontaner Gedanke war, hier hat jemand das Unterste zuoberst gekehrt! Aber dann schalt ich mich einen Narren. Dies ist kein Roman!, sagte ich mir. Dies ist die Wirklichkeit.

      Und in Wirklichkeit war die Ursache für eine chaotische Wohnung meistens die, dass der Inhaber nicht aufgeräumt hatte. Ich kannte das aus eigener, leidvoller Erfahrung.

      Hinter mir hörte ich die Mutter aufatmen, während wir alle den Blick zu Boden gerichtet hatten, verzweifelt auf der Suche nach freien Stellen, auf die man die Füße setzen konnte. Die Kleidung, die man an sich an der Garderobe vermutet hätte, bedeckte den Fußboden des kleinen Flures. Die Schubladen der Kommode waren herausgerissen und ausgeleert.

      Als wir schließlich ins Wohnzimmer kamen, sah es dort ebenso schlimm aus.

      "Das ist nicht normal!", meinte die Mutter. "Hier ist etwas passiert. Vielleicht ein Einbruch ..."

      Die pickelige Tochter verzog das Gesicht zu einer Grimasse. "Einbruch? Mama!", meinte sie dann spöttisch. Sie zuckte mit den Schultern und machte eine ziemlich herablassende Geste. "Die Tür war unversehrt! Wie soll der Dieb gekommen sein? Durch das Fenster vielleicht? Warum nicht. Mit einer Bergsteigerausrüstung an der Fassade hoch bis in den fünften Stock! Dann durch das Fenster und alles durchwühlen und schließlich auf demselben Weg wieder hinaus − natürlich nicht, ohne das Fenster zuvor von innen wieder sorgfältig zu schließen! Und selbstverständlich hat der Einbrecher dann noch absichtlich einen Kurzschluss verursacht, um uns alle zu ärgern!"

      Sie kam sich sehr scharfsinnig vor, aber ihrer Mutter war das Ganze eher peinlich. Das war nicht zu übersehen.

      Ich achtete nicht weiter auf das Gerede der beiden, sondern sah mich stattdessen lieber ein bisschen um.

      Zwei Minuten später hörte ich plötzlich einen markerschütternden Schrei − einen Schrei, der selbst für die darin ansonsten recht geübte pickelige Tochter erstaunlich war.

      Sie war ins Bad gegangen und hatte dort offenbar etwas entdeckt − oder war vielleicht auch einfach nur ausgerutscht. Ich traute ihr das Letztere zu. Besonders geschickt war sie nämlich nicht.

      Jedenfalls beeilte ich mich, nach ihr zu sehen.

      Die Mutter schnaufte hinter mir her.

      Die Tatsache, dass kein zweiter Schrei folgte, legte ich für mich so aus, dass sie sich nichts Ernstes angetan hatte.

      Einen Augenblick später sah ich sie mit offenem Mund und starr vor Schreck auf die Badewanne blicken.

      In der bis über den Rand gefüllten Wanne lag ein Mann, den wir alle immerhin gut genug kannten, um ihn identifizieren zu können. Es war Jürgen Lammers, und bezeichnenderweise trug er auch jetzt seinen geschmacklosen Jogging-Anzug, der den runden Bierbauch stramm umspannte.

      Seine Augen waren so giftig, wie sie es immer schon gewesen waren, aber diesmal hatten sie wahrlich Grund dazu, so zu schauen.

      Lammers war nämlich mausetot.

      Und dann sah ich auch die Ursache für den Kurzschluss.

      Es war tatsächlich der Föhn, wie wir alle vermutet hatten. Jürgen Lammers musste ziemlich schlecht beraten gewesen sein, als er den defekten Apparat mit in die Wanne genommen hatte ...

      "Mein Gott!", stieß die dicke Mutter hervor und schlug dann die Hände vor ihren offenen Mund. Sie schüttelte anschließend stumm den Kopf.

      "Wir werden die Polizei rufen müssen", murmelte ich.

      In meinen Romanen gibt es alle paar Seiten eine Leiche, aber dies war die Wirklichkeit. Und die ist dann doch ein bisschen anders.

      "Mein Gott, wie furchtbar!", seufzte die dicke Mutter noch einmal aus tiefster Seele.

      "Rühren Sie nichts an!", meinte ich.

      "Wieso?"

      "Damit keine Spuren verloren gehen!"

      "Es ist doch Selbstmord, oder?"

      "Das weiß ich nicht. Aber ich denke, die Polizei wird das herausbekommen − vorausgesetzt, wir lassen ihr die Chance dazu und bringen nicht alles durcheinander."

      Irgendwie klang das seltsam angesichts der zerwühlten Wohnung. Was sollte da noch durcheinander zu bringen sein? Eine Fehlleistung von mir, ganz klar. Und eine Sekunde, nachdem dieser Schwachsinn über meine Lippen gegangen war, wurde es mir auch bewusst.

      Aber wer wägt in einer solchen Situation schon so genau seine Worte ab? Nicht einmal ein Autor. Und ein Autor von Western-Romanen tut es sowieso nie.

      Ich verließ also das Bad und suchte im Wohnzimmer nach dem Telefon, das sich zunächst einfach nicht auftreiben lassen wollte.

      Die beiden Frauen harrten indessen in andächtiger Stille bei Lammers Leiche aus.

      Schließlich fand ich das Telefon unter dem Sofa, aber die Schnur war herausgerissen.

      Ich fluchte innerlich. Hier hatte jemand wirklich ganze Arbeit geleistet!

      Mein Blick glitt über das Durcheinander, das auf mich jetzt wie ein völlig überladenes Stillleben wirkte.

      Nein, je länger ich die Sache betrachtete, desto unwahrscheinlicher schien es mir, dass Lammers für dieses Chaos selbst verantwortlich war.

      Hier hatte entweder einer gezielt etwas gesucht − und war dann vom Besitzer dieser Räuberhöhle überrascht worden. Oder jemand hatte einen Einbruch vorzutäuschen versucht, um die Polizei bei der Suche nach dem Mörder auf die falsche Spur zu locken.

      Und um Mord handelte es sich

Скачать книгу