Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift
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In den weiblichen Erziehungsanstalten für geringere Stände werden die Kinder in jeder Arbeit, die sich für ihr Geschlecht und für ihre verschiedene Lage eignet, unterrichtet; die, welche in die Lehre gehen werden, entläßt man mit dem siebenten Jahre, die anderen im elften.
Die ärmeren Familien, deren Kinder sich in diesen Erziehungsanstalten befinden, müssen außer dem Kostgelde, das sehr unbedeutend ist, einen kleinen Teil ihrer monatlichen Einkünfte, der zur späteren Ausstattung bestimmt ist, dem Verwalter einhändigen. Deshalb sind auch die Ausgaben aller Eltern durch das Gesetz beschränkt. Die Liliputaner glauben nämlich, keine Handlung sei ungerechter als die Erzeugung von Kindern, wenn die Eltern die Last der Erziehung auf das Gemeinwohl abwälzen wollen. Leute von Stand geben Bürgschaft für eine bestimmte und ihren Verhältnissen angemessene Summe als Eigentum des Kindes, und das Kapital wird stets mit Sparsamkeit und der genauesten Gerechtigkeit verwaltet.
Die ärmeren Bauern und Tagelöhner behalten ihre Kinder zu Hause; da ihr einziges Geschäft im Pflügen und anderen Arbeiten des Landbaues besteht, so ist ihre Erziehung für den Staat von keiner großen Wichtigkeit.
Dem neugierigen Leser werde ich vielleicht Unterhaltung gewähren, wenn ich ihm einen Bericht von meinen häuslichen Angelegenheiten und von der Lebensart gebe, die ich während meines Aufenthalts von neun Monaten und dreizehn Tagen in diesem Lande führte. Da ich Anlagen zu mechanischen Arbeiten besitze und auch zugleich durch Not dazu gezwungen wurde, machte ich mir aus den größten Bäumen des Parks einen ziemlich bequemen Stuhl und einen Tisch. Zweihundert Näherinnen waren damit beschäftigt, mir Hemden sowie Bett- und Taschentücher zu verfertigen, und zwar von der rauhesten und stärksten Leinwand, die sie sich verschaffen konnten. Dennoch waren sie genötigt, diese in mehreren Lagen zu nähen, denn die dickste Leinwand war bedeutend feiner als Gaze. Die liliputanische Leinwand ist gewöhnlich drei Zoll breit, und drei Fuß bilden ein Stück.
Die Näherinnen nahmen mir das Maß, als ich auf dem Boden lag; die eine stand an meinem Halse, die andere an meinen Knien, beide hielten eine lange Schnur straff gespannt, während eine dritte mit einem Maßstab von einem Zoll die Länge des Strickes ausmaß, dann nahmen sie das Maß meines rechten Daumens und verlangten dann nichts weiter; denn durch eine mathematische Berechnung war erwiesen, das doppelte Maß des Daumens sei das der Faust, und dasselbe Verhältnis gelte zwischen Hals und Bauch; ferner nahmen sie auch durch den Vergleich ihrer Berechnung mit meinem alten Hemde, das ich als Muster auf dem Boden ausbreitete, mir selbst ganz genau das Maß. Dreihundert Schneider wurden in derselben Art beschäftigt. Diese verfuhren aber auf andere Art, als sie mir das Maß nahmen. Ich kniete nieder, und sie setzten eine Leiter vom Boden an meinen Hals. Einer stieg hinauf und ließ von meinem Halskragen eine mit Blei beschwerte Schnur auf den Boden hängen, die gerade der Länge meines Rockes entsprach; dann nahm ich selbst das Maß der Arme und meiner Breite. Als meine Kleider in meiner Wohnung verfertigt waren (denn das größte Haus der Liliputaner hätte sie nicht fassen können), glichen sie den aus Flicken zusammengesetzten Teppichen, welche die Damen in England verfertigen.
Dreihundert Köche bereiteten meine Nahrung in kleinen, bei meinem Hause erbauten und bequemen Hütten, wo sie mit ihren Familien wohnten. Jeder Koch lieferte mir zwei Gerichte. Zwanzig Bediente hob ich mit meiner Hand auf den Tisch; hundert andere standen auf dem Boden, einige mit Fleischgerichten, andere mit Fässern voll Wein und Likören. Alles dies wanden die Bedienten nach meinem Bedürfnis auf sehr sinnreiche Weise mit Stricken hinauf, wie wir in Europa die Wassereimer. Jedes Fleischgericht gab einen Mundvoll und ein Weinfaß einen guten Schluck. Das liliputanische Hammelfleisch ist nicht so gut wie das unsrige, allein ihr Rindfleisch ist ausgezeichnet. Ich habe einmal eine so große Rindskeule gegessen, daß ich sie nur in drei Bissen verzehren konnte. Meine Bedienten erschraken, als sie sahen, wie ich sie mit Knochen und allem, etwa wie man bei uns einen Lerchenflügel ißt, mit einem Male zerkaute. Gänse und Truthühner steckte ich auf einmal in den Mund, und ich muß gestehen, sie sind vorzüglicher als die unsrigen. Von ihrem kleinen Geflügel konnte ich zwanzig bis dreißig auf einmal mit meinem Messer aufspießen.
Seine Kaiserliche Majestät, die von meiner Art zu essen gehört hatte, erwies mir eines Tages mit Seiner Königlichen Gemahlin und den Kindern von Geblüt beider Geschlechter die hohe Gnade, daß Höchstdieselbe ihren Wunsch mir verkünden ließ, wie sie sich herablassend ausdrückte, mit mir zu Mittag zu speisen. Sie erschienen, und ich setzte sie in den Staatsstühlen mit ihren Garden auf den Tisch, und zwar mir gerade gegenüber. Flimnap, der Finanzminister, war auch mit seinem weisen Stabe gegenwärtig, und ich bemerkte, daß er mich oft mit einem verdrießlichen Gesicht ansah; ich stellte mich jedoch, als ob ich dies nicht bemerkte, sondern aß nun, um meinem teuren Vaterlande Ehre zu machen, zugleich auch um den Hof in Erstaunen zu versetzen, sogar noch mehr als gewöhnlich. Ich habe besondere Gründe zu der Vermutung, daß dieser Besuch Ihrer Majestät Flimnap Gelegenheit gab, mir bei seinem Herrn schlimme Dienste zu erweisen. Dieser Minister war stets mein Feind gewesen, obgleich er mir äußerlich mehr Gunstbezeigungen erwies, als bei seiner mürrischen Gemütsart sonst gewöhnlich war. Er machte dem Kaiser Vorstellungen über den schlimmen Zustand seiner Finanzen; er werde gezwungen sein, Geld mit bedeutendem Diskont aufzunehmen; Staatsschuldscheine würden nur zu neun Prozent unter dem Nominalwert zirkulieren können; ich habe Seine Majestät bereits anderthalb Millionen Sprugs gekostet (dieses ist die größte liliputanische Geldmünze, ungefähr von der Dicke einer Goldflitter), kurz, es sei anzuraten, daß Seine Majestät die erste passende Gelegenheit benutze, sich meiner zu entledigen.
Hier muß ich den Ruf einer ausgezeichneten Dame rechtfertigen, die meinetwegen viel Leid hat erdulden müssen. Der Finanzminister kam auf den Einfall, eifersüchtig zu werden, und zwar wegen der Bosheit giftiger Zungen, die ihm hinterbrachten, Ihre Gnaden leide an heftiger Liebe zu meiner geringfügigen Person. Bei Hofe zirkulierte ferner eine Klatscherei, sie sei allein in meine Wohnung gekommen. Dieses erklärte ich für eine schändliche, gänzlich unbegründete Lüge; Ihre Gnaden hatten nur die Güte, mir unschuldige Beweise der Freundschaft zu zeigen. Ich muß eingestehen, daß sie öfter in mein Haus kam, allein stets öffentlich und mit der Gesellschaft von drei anderen Damen in ihrer Kutsche, nämlich mit ihrer Schwester, ihrer Tochter und einer besonderen Freundin.
Dies Verfahren war auch ganz gewöhnlich bei anderen Damen des Hofes. Auch berufe ich mich auf alle meine Diener, die sämtlich bestätigen können, daß sie nie eine Kutsche vor meiner Tür sahen, ohne zugleich die Namen der Personen zu erfahren, die sich darin befanden.
Bei diesen Gelegenheiten pflegte ich mich sogleich zur Tür zu begeben, sobald mein Bedienter mich benachrichtigt hatte. Nach einer höflichen Begrüßung nahm ich darauf die Kutsche mit den zwei Pferden auf meine Hand (war nämlich die Kutsche sechsspännig vorgefahren, so wurden sechs Pferde vom Kutscher ausgespannt) und stellte diese auf den Tisch, den ich mit einem fünf Zoll hohen Rahmen umgeben hatte, um Unglücke zu verhüten. So standen oftmals vier Kutschen auf einmal mit ihren Pferden auf dem Tische. Ich saß auf meinem Stuhle und neigte mein Gesicht zu den Kutschen hin. Während ich mich mit meiner Gesellschaft unterhielt, pflegten die Kutscher die anderen Karossen auf meinem Tische umherzufahren. Manchen Nachmittag habe ich sehr angenehm in solchen Gesprächen zugebracht. Allein ich fordere den Finanzminister oder seine zwei Spione (ich will sie zu ihrer Schande nur nennen), Clustrill und Drunlo, zu dem Beweise auf, ob irgend jemand inkognito zu mir gekommen ist, mit Ausnahme des Sekretärs Redresal, der durch besonderen Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät abgesandt wurde, wie ich schon erzählt habe. Ich würde bei diesem Umstande nicht so lange verweilen, wäre der gute Ruf einer hohen Dame, von meinem eigenen abgesehen, nicht dadurch in Frage gestellt worden. Ferner hatte ich die Ehre, im Range höher als der Finanzminister zu stehen, denn ich war Nardac, und die Welt weiß, daß er nur ein Glumglum ist, ein Titel, der, um einen Grad niedriger, sich zu ersteren so verhält