Ran an die guten Vorsätze. Cornelia Matthias

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Ran an die guten Vorsätze - Cornelia Matthias

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Hirnareale immer noch mitreden, wenn es um bestimmte Entscheidungen geht. Dieser Punkt wird uns später erneut beschäftigen.

      Es gäbe noch eine Vielzahl „technischer“ Vergleiche, die alle zugunsten des Gehirns ausfallen würden, inklusive der begrenzten Lebensdauer von Computern. Denn bei unserem Wunderorgan ist es umgekehrt, je mehr neue Aufgaben wir ihm, ganz bewusst, immer wieder stellen, es harte Nüsse knacken lassen, desto besser funktioniert es. Vorausgesetzt, wir bleiben von Krankheiten oder Unfällen verschont, gibt es auch kein Verfallsdatum. Langzeitstudien haben gezeigt, dass alte Menschen dieselben Aufgaben lösen können wie junge, nur langsamer, aber dafür weniger oberflächlich. Also füttern Sie Ihr Gehirn mit allem, was Sie wissen oder erlernen möchten, es ist stets mit „Freude“ zu Diensten, bis an Ihr Lebensende. Man darf nämlich nicht vergessen: Das Gehirn kann nur das leisten, was es gelernt hat, und nicht das, was wir uns wünschen, was es leisten sollte.

      Als letztes Beispiel gegen den Maschinenvergleich dient seine Fähigkeit, sich ständig verändern zu können. Äußere Einflüsse gestalten die Netzwerke innerhalb der einzelnen Systeme ständig um. Das bedeutet z. B., dass Ihr Gehirn nach einem intensiven Erlebnis anders aussieht als vorher. Neue Erkenntnisse, interessante Gespräche, überraschende Vorkommnisse oder zufällige Begegnungen werden von ihm registriert und abgespeichert und verändern seine Konfiguration ständig – von uns unbemerkt. Für diesen Vorgang gibt es den Fachausdruck Neuroplastizität. Es ist eine der großartigsten Entwicklungen der Natur, denn sie gibt jedem von uns die Möglichkeit, sich immer wieder auf neue Situationen einstellen zu können, immer wieder etwas dazuzulernen und in Bezug auf unsere Kompetenzen zu wachsen. Wie wir uns diese Eigenschaft zunutze machen können, werden Sie noch erfahren.

      Übrigens arbeitet die aktuelle KI-Forschung mit Nachdruck an sogenannten selbst lernenden Systemen, die zum Teil jetzt schon bei autonom fahrenden Transportmitteln und anderer Robotik eingesetzt werden. So kann man die oben genannte Frage umkehren in: Funktionieren unsere Computer bald wie unsere Gehirne?

      Vielleicht wird es eines fernen Tages so sein. Bis dahin ist es aber doch sehr beruhigend, wenn wir uns auf eine, im Idealfall, möglichst stabile, von Umwelteinflüssen weitgehend unbeeinflusste Software verlassen können. Einmal programmiert und installiert sollte sie laufen, ohne sich immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen.

      Die Nonnenstudie

      Was Neuroplastizität bewirken kann, zeigt unter anderem die „Nonnenstudie“, die der Forscher David A. Snowdon ab Mitte der 80er Jahre in den USA durchführte.

      Im Rahmen dieser Studie untersuchte er eine Gruppe von Ordensschwestern in fortgeschrittenem Alter bis hin zu ihrem Tod. Sein Interesse richtete sich auf die Entwicklung der Alzheimererkrankung, bei der Eiweißablagerungen im Gehirn zu massiven Störungen der Denkfähigkeit, des Erinnerungsvermögens und der Orientierung führen können.

      Das Ergebnis dieser Studie brachte erstaunliche Ergebnisse zutage. Nicht alle von Alzheimer betroffenen Schwestern zeigten Symptome dieser Krankheit, obwohl ihre Gehirne bei Untersuchungen nach dem Tod massive Schädigungen aufwiesen. Schwester Bernadette zum Beispiel hatte massive Schädigungen, ging aber bis zu ihrem Tod im Alter von 85 Jahren ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einem College nach, ohne irgendwelche Anzeichen von Demenz aufzuweisen. Das Ergebnis der Studie legt nahe, dass geregelte Arbeitsabläufe, ein behutsamer Lebensstil, der als sinnvoll bzw. erfüllend empfunden wird, aber vor allem lebenslanges Lernen Neuroplastizität fördern und Defizite im Gehirn ausgleichen können.

      Wer ist hier eigentlich der Boss?

      Diese Frage stellen sich nicht nur Eltern von Kleinkindern, denen es immer wieder gelingt, ihre Wünsche durch energisches Verhalten gegen ihre Mütter und Väter durchzusetzen. Ähnliches geschieht uns, wenn wir uns z. B. mit guten Vorsätzen gerüstet und viel Elan ins neue Jahr stürzen und erleben, dass wir wohl offensichtlich nichts zu sagen haben, da schon nach kurzer Zeit die gefassten Pläne als gescheitert im Papierkorb unserer Lebensgeschichte landeten. Das sind dann die Momente, in denen der oben bereits erwähnte „innere Schweinehund“ hervorgezaubert wird, aber das hatten wir ja bereits besprochen.

      Also wenn es ihn nicht gibt, wer bestimmt dann? Warum gelingt es mir oft nicht, das zu machen, was ich mir so fest vorgenommen habe? Wer macht mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung?

      So, jetzt wird es spannend, denn nun ist der Moment gekommen, die geheimnisvolle Ursache unserer Misserfolge zu lüften. Allerdings müssen wir dazu weiter ausholen, denn so einfach ist es nicht, den lästigen Saboteur Ihrer Vorhaben, den man so gerne verjagen oder heftig bekämpfen möchte, aus dem Hut zu zaubern. Deshalb etwas Geduld, wir gelangen Schritt für Schritt zur Lösung.

      Wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben, kommt in diesem Zusammenhang unser Gehirn ins Spiel. Wir werden es uns genauer ansehen, um seine Funktionsweise besser verstehen zu können. Keine Angst, das ist keineswegs langweilig oder kompliziert. Versprochen!

      Sie haben ja schon erfahren, dass unser Gehirn aus unterschiedlichen „Schichten“ besteht, die in unterschiedlichen Zeitaltern entstanden sind. Ähnlich, nur wesentlich schneller ist es bei der Gehirnentwicklung eines jeden von uns: Sie verläuft in einzelnen Phasen. Gut nachvollziehbar ist dies, wenn man Kleinkinder beim Heranwachsen beobachtet. Der Zuwachs an Fertigkeiten erfolgt schrittweise aufeinander aufbauend. Erst Krabbeln, dann Laufen, danach Sprechen. Noch nie hat man ein Baby beobachtet, das erst sprechen konnte, um später das Krabbeln zu erlernen. Es gibt also eine sich immer wiederholende Abfolge bis zum erwachsenen Alter. Diese unterschiedlichen Reifungsprozesse der einzelnen Fähigkeiten sind interessant, denn die beiden Gehirnareale, die uns für unser Thema interessieren, haben ebenfalls eine zeitversetzte Entwicklungsgeschichte und das ist Teil des Problems.

      Die Regionen, um die es sich handelt, sind das limbische System und der präfrontale Cortex. Beide betrachten wir nur sehr grob, aber das reicht in unserem Fall vollkommen aus. Das LS entsteht und agiert schon im Mutterleib, während der PFC erst Jahre nach der Geburt zu seiner vollen Blüte gelangt. Was passiert in diesen Netzwerken und wozu sind sie da?

      Vereinfacht gesagt ist das LS der Sitz unserer Gefühle, der aufgrund seiner frühkindlichen Entstehungsgeschichte kindlich ist und bleibt. Das ist unter anderem ein Grund dafür, warum sich Menschen auch noch im hohen Alter wild verlieben können, als wären sie 16-jährige Teenager. Anders sieht es beim PFC aus, der im Wesentlichen für die Vernunft, das planerische Denken und unser soziales Verhalten zuständig ist. Er ist durchaus in der Lage, die Dinge „kühl“ und sachlich, rational, also erwachsen zu betrachten. Beide Gehirnareale, also PFC und LS, benötigen wir, um unsere Pläne zu verwirklichen. Nur leider, leider arbeiten sie nicht immer miteinander, sondern sehr häufig gegeneinander. Würden wir ihnen eine Stimme geben – und das werden wir im Verlauf dieses Buches noch öfter tun –, könnten wir einem Streit zwischen ihnen zuhören, der Auseinandersetzung zwischen Gefühl und Verstand.

      Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Sie möchten mehr Sport treiben – die meistens von uns kennen ein solches Vorhaben. Nicht nur sehen Sie dem geplanten Badeurlaub beim Betrachten der überflüssigen, unschönen Ringe um den Bauch mit gemischten Gefühlen entgegen, sondern Sie möchten vernünftigerweise etwas für Ihre Gesundheit tun. Guter Plan, vom PFC ausgedacht und beschlossen. Da regt sich das LS, denn Sport ist nicht nur anstrengend, sondern gefährdet die gemütlichen Stunden zu Hause auf dem Sofa, für die dann weniger Zeit zur Verfügung stünde. Also Einspruch, ein klares Nein!

      Jetzt geht der Streit los, die Argumente für und wider gehen hin und her. Selbst wenn sich der PFC für eine gewisse Zeit durchsetzt und dem LS hart entgegenschleudert, dass er hier ja wohl der Boss ist und jetzt nicht weiter diskutiert, sondern einfach gemacht wird, was er sagt, ist das noch nicht das Ende der Geschichte. Warum? Weil das LS stärker ist! Es ist stärker, weil es älter und kräftiger ist als der PFC, der zwar die besseren Argumente hat, aber eben weniger Kraft bzw. Durchsetzungsvermögen. Das Ergebnis ist bekannt, nach

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