Lennox und die letzten Tage von Riverside: Das Zeitalter des Kometen #15. Jo Zybell

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Lennox und die letzten Tage von Riverside: Das Zeitalter des Kometen #15 - Jo Zybell

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sich nicht entscheiden, ob er ihn wegstecken oder auf die Vögel richten sollte.

      »Noch nicht«, sagte Marrela. »Wenn es stimmt, dass sie Aasfresser sind, müssen sie uns für sichere Todeskandidaten halten.«

      Marrelas Schlussfolgerung verschlug Tim die Sprache. Zum Henker – sie hatte Recht! Wussten oder sahen die Biester dort oben etwas, was sie hier unten noch nicht wussten oder sahen?

      Sie ließen die Stachelsäulen der Kakteen hinter sich und liefen einen Geröllhang hinunter. Bei den Dornbüschen an dessen Ende bleiben sie kurz stehen, blickten zu den Kondoren hinauf, gingen weiter, blickten wieder hinauf. Vier-, fünfhundert Meter legten sie auf diese Weise zurück, doch die Vögel machten keine Anstalten, sie anzugreifen. Sie blieben aber direkt über ihnen.

      Der Nachthimmel verblasste mehr und mehr, die letzte Schwärze wich dem jungen Tag.

      Meile um Meile brachten die einsamen Wanderer hinter sich. Geröll wechselte sich ab mit Kakteentürmen, bräunlichen Flechten und gelbem Gras. Sie gewöhnten sich allmählich an die Begleitung der Todesboten hoch über ihnen. Man gewöhnt sich an alles.

      Oder an fast alles – die meist geschlossene Wolkendecke empfand Timothy Lennox auch nach fast zwei Jahren in der fremden Zeit noch als unnatürlich.

      Die San Bernardino Mountains rückten näher. Tim änderte den südlichen Kurs. Sie marschierten westwärts. Und die Geier folgten ihnen. Im Norden ragte ein Mittelgebirge aus der Wüste. Das konnte nur der Ord Mountain sein, obwohl Tim ihn höher und weniger zerklüftet in Erinnerung hatte. Im Süden türmten sich die über dreitausend Meter hohen San Bernardino Mountains auf. Und dahinter, weiter westlich, die San Gabriel Mountains.

      Die Zunge klebte Tim am Gaumen. Der Durst brannte wie Fieber. Seine Beine waren schwer.

      Wenn irgend möglich, wollte er eine Überquerung der Berge vermeiden. Zwischen den San Bernardino und den San Gabriel Mountains führte eine Schneise in das Becken von Los Angeles hinein. Früher jedenfalls, »in seiner Zeit« war das so gewesen. Die Interstate 15 verlief dort. Vielleicht existierten noch Überreste der Highway-Trasse. Außerdem gab es Gewässer zwischen dem Ord Mountain und den San Bernardino Mountains, ein paar kleine Seen. Fünf Stunden lang marschierten sie, fünf Stunden kreisten die Silhouetten der Kondore über ihnen. Enger und enger rückten die Berge im Norden und im Süden zusammen. Die Mojave-Wüste verengte sich zu einem nicht einmal zehn Meilen breiten Streifen.

      Die gewaltigen Saguaro-Kakteen sah man jetzt seltener. Rechts und links ging das spärliche gelbe Gras in sattgrüne Matten über, fast kniehoch. Dahinter begannen bewaldete Hänge, dunkles Grün wechselte sich mit Rostrot und fahlem Gelb ab – Mischwald.

      Marrela blieb stehen und hob den Kopf. Diesmal nicht, um zu der Geiereskorte aufzublicken, sondern um zu schnuppern.

      »Riechst du es auch?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

      Ja, Tim roch es auch – Wasser.

      Sie beschleunigten ihre Schritte. Marrela steckte die Klinge zurück in die Halterung.

      Dichter und grüner war jetzt das Gras unter ihren Sohlen. Der Boden federte. Feuchter, etwas modriger Geruch strömte ihnen entgegen. Und dann, ganz unverhofft, flatterte ein Schwarm weißgrau gescheckter Vögel auf; Gekreische erhob sich. Möwen? Kiebitze?

      Oder eine Entenart? Gleichgültig. Ein See jedenfalls, Hauptsache ein See.

      »Wasser!« Tim rannte los. »Himmel noch Mal – endlich Wasser!« Seite an Seite liefen sie zum Ufer. Grashalme peitschten ihre Knie und Schenkel, verkrüppelte Bäume mit kahlem Geäst flogen vorbei, und endlich sahen sie das Gewässer. Es war ein etwas größerer Teich, kaum vier Steinwürfe lang und nur wenig breiter. Hohes Gras stand am Ufer, an der westlichen Seite auch etwas Schilf. Die Wasseroberfläche kräuselte sich im Westwind.

      Marrela legte sich bäuchlings ins Gras und tauchte das Gesicht in den See. Tim kniete am Ufer nieder. Er schöpfte das Wasser mit der hohlen Hand zum Mund und trank mit kleinen Schlucken. Eiskalt strömte es durch seine Kehle. Es schmeckte modrig und auch ein wenig metallen, aber es stillte den Durst.

      Timothy richtete sich auf den Knien auf. Tief atmete er durch und ließ den Blick über die Wasserfläche schweifen.

      Sie hatten es geschafft. Die Mojave war überwunden!

      Kreisförmige Wellen breiteten sich vom Ufer weg aus. In einem Radius von gut dreißig Metern und viel zu hoch, als dass Marrela die Verursacherin sein konnte.

      Tim runzelte die Stirn. Der Wind schien sich gedreht zu haben. Er blies jetzt von Süden … oder nein: von oben?

      Ein Schatten bewegte sich auf dem Wasser, vergrößerte sich und reichte schließlich über die unerklärlichen kreisförmigen Wellen hinweg.

      Als Tim endlich nach oben blickte, war es fast zu spät.

      »Die Geier!« Er riss den Driller hoch!

      4

       Riverside, Kalifornien, 8. Dezember 2011

      CNN lieferte Bilder ohne Ende. Bilder einer aus den Fugen geratenen Welt. Sie saßen in Colin Ashtons Garage. Pete Armagosa und sein Enkel Rudy auf Gartenstühlen, Simon auf dem Beifahrersitz des Mercedes Cabriolets, und Colin auf dem Kotflügel. Es war gegen fünf Uhr nachmittags, ein Donnerstag. Der Fernseher stand auf der Werkbank an der Rückwand der Garage. Nagelneues Gerät; Colin hatte es erst drei Tage zuvor angeschafft. Ein tadellos frisierter Jüngling mit rotem Schlips und in dunklem Anzug verlas zum x-ten Mal die Spitzenmeldung des Tages: »Die für den zweiundzwanzigsten Dezember geplante Ablösung der Besatzung der Internationalen Raumstation wird immer fraglicher. Wie gestern erst bekannt wurde, weigert sich die Besatzung – zwei US-Amerikaner, zwei Russen, ein Deutscher, ein Franzose und zwei Japaner –, vor dem achten Februar 2012 den Rückflug zur Erde anzutreten …«

      »Saftärsche!« Colin warf seine leere Bierdose in den Fernsehkarton unter der Werkbank. Zerknautschte Dosen bedeckten Styropor und Zellophanfolien. »Weicheier! Fahnenflucht ist das!«

      »Psst!« Simon Lennox hob die Hand. Er war die halbe Nacht und den ganzen Tag zum Angeln am Lake Perris gewesen, zusammen mit Arthur Cassidy. Er kannte den letzten Stand der Dinge noch nicht.

      »… weder ESA noch NASA noch eine der betroffenen Regierungen wollten zu diesen Informationen Stellung nehmen …«

      »Die wissen warum«, orakelte Pete Armagosa, »glaubt mir, die wissen ganz genau, warum sie keine Stellung nehmen wollen.«

      Colin stieß einen Fluch aus, beugte sich zu dem mannshohen Kühlschrank an der Wand und zog ihn auf. Ein kurzer Blick in die Runde; die Männer nickten und leerten ihre Dosen.

      Nacheinander flogen sie in den Karton unter dem TV-Gerät, und nacheinander fingen sie den Nachschub, den Colin ihnen zuwarf.

      »Sie wissen mehr als wir, glaubt mir das, Jungs, sie wissen mehr.« Petes Stimme klang weinerlich. Simon beobachtete ihn von der Seite. Fast grau erschien ihm die Gesichtsfarbe des kleinen, etwas dicklichen Pete. Wenn man ihn besuchte, hing er regelmäßig vor der Glotze und ließ sich das Hirn von CNN abfüllen. Und wenn man ihn durch seinen Garten schlurfen sah, fielen seine hochgezogenen Schultern und sein schleppender Gang auf.

      »Schaut hin, dann wisst auch ihr genug.« Mit einer Kopfbewegung wies der junge Rudy

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