Ich kann keinem Menschen mehr vertrauen: Dr. Staffner packt aus 15. Wolf G. Rahn
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Читать онлайн книгу Ich kann keinem Menschen mehr vertrauen: Dr. Staffner packt aus 15 - Wolf G. Rahn страница 3
Oft lag ich weinend im Bett. Wenn wenigstens Bernhard zu mir halten würde!
Eines Nachts kroch seine Hand zu mir herüber und streichelte meinen Arm. Ich solle nicht so verzweifelt sein, beschwor er mich. Die Leute glaubten nun einmal lieber hässliche Gerüchte als die langweilige Wahrheit.
Im Übrigen müsse den Brief ja tatsächlich jemand geschrieben haben. Wenn wir hier weiter in Frieden leben wollten, müssten wir eben beweisen, dass ich nichts damit zu tun hatte.
Am nächsten Tag verlangte er von Karl-Heinz den anonymen Brief, der aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt worden war. Wie in einem billigen Krimi. Darüber brütete er stundenlang.
Einmal überraschte ich ihn beim Studium alter Liebesbriefe, die ich ihm geschickt hatte, bevor wir verheiratet waren. Suchte er darin das Mädchen, das er einmal geliebt hatte?
Diese Befürchtung sah ich bestätigt, als ich ihn in einem Café mit der attraktiven Frau Kirchleitner von gegenüber überraschte. Er sah mich nicht, und abends wartete ich vergeblich, dass er mir davon erzählte. Aber er wirkte äußerst zufrieden. Das sagte wohl alles.
Er müsse noch einmal dringend weg, erklärte er. Vom Fenster aus sah ich, wie er bei Frau Kirchleitner läutete und mit ihr das Haus verließ.
Er kam spät heim. Ich tat, als schliefe ich. Doch diese Nacht war die furchtbarste in meinem Leben.
Umso ungläubiger starrte ich am anderen Morgen Annemarie und Karl-Heinz an, die bei uns läuteten. Annemarie, die inzwischen aus der Klinik entlassen worden war, fiel mir weinend um den Hals und bat mich, ihr zu verzeihen. Auch Karl-Heinz murmelte eine Entschuldigung.
Was war geschehen? Bernhard erklärte es mir. Er hatte sich eines Rechtschreibfehlers erinnert, den ich mir einfach nicht abgewöhnen konnte. Der anonyme Brief enthielt ihn nicht. Das wäre für ihn schon Beweis genug gewesen.
Aber er war überzeugt, dass nur jemand hinter der Geschichte stecken konnte, der von Karl-Heinz' Entgleisung erfahren oder sie sogar mitangesehen hatte. Durchs Fenster zum Beispiel.
Er sagte der Kirchleitner seinen Verdacht auf den Kopf zu, und diese war so überrascht, dass sie es zugab und noch am gleichen Tag mit ihm zu den Untersbergers ging.
Sie zog kurz darauf aus unserer Gegend fort. In der Nachbarschaft war man zuerst sehr verwundert, als man uns wieder mit den Untersbergers einträchtig zusammen sah.
Nach und nach wurde es wie früher, und nicht wenige Bekannte überschütteten mich mit besonderer Freundlichkeit.
Daran lag mir nichts. Ich war froh, dass eine Dummheit unsere Freundschaft mit Annemarie und Karl-Heinz nicht nachhaltig zerstört hatte. Vor allem aber werde ich immer daran denken, wie mein Mann in meiner schwersten Zeit zu mir hielt, auch wenn ich das nicht gleich erkannte.
Wohin mit Claudius?
Es war beim Pilzesuchen im Wald, als unser Sohn Jürgen aufgeregt angelaufen kam und uns etwas ganz Tolles mitteilen wollte. Wir wurden aus seinen hervorgestoßenen Wortfetzen nicht klug, aber es musste sich wohl um einen besonders prächtigen Steinpilz handeln, den Jürgen entdeckt hatte.
Wie überrascht waren wir, als uns der Junge zu einem Schäferhund führte, der an einer Buche festgebunden war und sich in erbarmungswürdigem Zustand befand.
Karlheinz, mein Mann, war genauso empört über die Herzlosigkeit des Besitzers wie ich. Am unglücklichsten aber war unser Zehnjähriger, dem es einfach nicht in den Kopf wollte, dass ein Mensch so etwas tun konnte.
"Bei uns soll Claudius es gut haben", betonte er ernsthaft, womit er nicht nur den Namen des geschundenen Tieres festlegte, sondern auch dessen künftiges Schicksal.
Es war für uns kein Geheimnis, dass sich Jürgen schon lange einen Hund wünschte. Da wir jedoch zur Miete wohnten und unser Nachbar sich bereits über Katzen und den Lärm von Wellensittichen aufregte, hatten wir seinem Bitten nie nachgegeben. Aber den Schäferhund konnten wir natürlich nicht seinem traurigen Schicksal überlassen.
"Wir bringen ihn ins Tierheim", eröffnete Karlheinz mit Nachdruck und erklärte unserem Sohn zum wiederholten Male, warum wir kein Tier, dazu noch ein so großes, halten konnten.
"Ich versorge Claudius auch ganz allein", trumpfte Jürgen auf. In seinen Augen begannen die ersten Tränen zu blinken. "Im Tierheim sind schon so viele herrenlose Hunde. Außerdem holt ihn vielleicht wieder jemand, bei dem es ihm dann schlecht geht."
Der Hund sah tatsächlich aus, als wäre er geschlagen worden. Auch uns begegnete er anfänglich mit großem Misstrauen, verschlang aber unseren restlichen Proviant mit wahrem Heißhunger.
Wir kamen überein, Claudius erst einmal mitzunehmen. Karlheinz wollte sich in der Firma, in der er arbeitete, umhören, ob ein Kollege sich des Tieres annehmen wolle.
"Dann wissen wir wenigstens, zu wem er kommt", beruhigte er Jürgen, der aber auch über diese Lösung nicht glücklich war.
"Du musst doch einsehen, dass es in unserer Wohnung ganz einfach zu eng ist", redete ich daheim auf ihn ein.
Als er dagegenhielt, dass Claudius ja in seinem Zimmer schlafen könne, hielten Karlheinz und ich es für an der Zeit, ihn einzuweihen, dass wir demnächst zu viert sein würden.
"Du bekommst noch ein Baby?", rief Jürgen strahlend und fiel mir um den Hals. "Das ist ja prima." Als ausreichenden Grund, sich von seinem neuen Freund zu trennen, wollte er aber auch den Nachwuchs nicht akzeptieren.
Aus Erfahrung wusste ich, dass man dem Jungen Zeit lassen musste. Deshalb plädierte ich dafür, Claudius zunächst zu behalten, bis wir eine bessere Lösung gefunden hatten.
Doch diesmal war die Zeit nicht unser Verbündeter. Je länger der Hund bei uns war, um so unzertrennlicher wurden er und Jürgen. Mit jedem Tag würde den beiden der Abschied schwerer fallen.
Und dass Claudius nicht bei uns bleiben konnte, stand nicht nur aus räumlichen Gründen fest. Es gab Ärger mit unserem Nachbarn, der sich über das gelegentliche Bellen aufregte und sich von dem Tier belästigt und sogar bedroht fühlte.
Schon jetzt ahnte ich, wie der Mann auf künftiges Babygeschrei reagieren würde. Leider bestand keine Aussicht, eine größere, erschwingliche Wohnung zu bekommen. Also musste zumindest Claudius weichen.
Es gelang Karlheinz nicht, in seiner Arbeitsstätte ein neues Zuhause für unseren Schützling zu finden. "Es bleibt wohl doch nur das Tierheim", bedauerte er. Ich sah ihm an, dass auch er sich nur ungern von Claudius trennte.
Jürgen tat alles, um uns umzustimmen. Er nahm seine freiwillig übernommenen Pflichten sehr ernst. Hatte ich anfangs erwartet, dass seine Begeisterung sehr bald nachlassen würde, wenn er mehrmals täglich mit dem Hund spazierengehen musste, während seine Freunde Fußball spielten, so versetzte er mich immer mehr in Erstaunen.
"Herr Östhagen hat auch gesagt, dass Claudius ein besonders kluger Hund ist", erzählte er von einem Mann, den er bei seinen ausgedehnten Spaziergängen mit Claudius kennengelernt hatte.
Dieser Herr Östhagen