Ich spüre was, was du nicht spürst. Anne Heintze
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Von klein auf werden hochsensible Menschen von unterschiedlichsten Seiten dazu angehalten, sich anzupassen. Das führt dazu, dass sie oft hören: »Nun sei doch nicht so eine Mimose.« »Du musst dich einfach nur mehr abhärten.« »Leg dir ein dickeres Fell zu.« Oder: »Beiß einfach die Zähne zusammen.« Oder gar: »Stell dich nicht so an!«
Auch wenn die Welt laut und fordernd sein mag – schaff dir immer wieder Oasen der Stille, in denen du zu dir kommen kannst. Umso stärker wirst du sein.
INNERE RUHE FÜR ÄUßERE KRAFT
In einer Welt, in der es in erster Linie darauf anzukommen scheint, sich selbst ins rechte Licht zu rücken und aufzufallen, können introvertierte Menschen schnell ins Abseits geraten. Im Gegensatz zu ihren extrovertierten Mitmenschen, die durch ihr Verhalten stets im Vordergrund stehen, werden sie kaum wahrgenommen. Introversion wird in der heutigen Gesellschaft als Mangel betrachtet, der sich negativ auf Karriere und Lebensqualität auswirkt.
Ein großer Teil der schüchternen und introvertierten Menschen gilt als hochsensibel und hochsensitiv. Wenn man Hochsensible befragt, schätzen sich etwa 70 Prozent als schüchtern und still ein. Ich kenne jedoch auch einige hochsensible Menschen, die keineswegs schüchtern sind und sich auch nie so bezeichnen würden. Und viele sind auch sehr erfolgreich. Zugleich empfinden sie sich als introvertiert. Sie brauchen Freiraum, Ruhe und Rückzug, sie haben lieber Gespräche mit einem oder zwei Menschen als mit mehreren in einer Gruppe. Sie sind abwartend und rezeptiv und preschen nie vor, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn es drauf ankommt und sie sich in ihrer Umgebung wohlfühlen, können sie jedoch durchaus sehr extrovertiert sein.
INTROVERTIERT? SUPER!
Gehörst du zu den »stilleren Wassern«? Freu dich dran! Die Welt ist voll von lauten Geräuschen – du kannst die leiseren Töne beisteuern und genau damit glücklich und erfolgreich werden. Wer lernt, zu seiner Individualität zu stehen, kann nach und nach all seine Gaben und Talente einbringen, in die Familie, in den Freundeskreis und auch ins Berufliche. Schenk dir die Erfahrung, dass es durchaus geschätzt wird, was du zu sagen und zu geben hast.
SIND FRAUEN EHER SENSIBEL?
Weil es bereits kleinen Mädchen eher erlaubt ist, sensibel und empfindsam zu sein, fällt es Frauen wahrscheinlich grundsätzlich leichter, zu ihrer Hochsensibilität zu stehen, als Männern. Dennoch gibt es auch sehr viele hochsensible und hochsensitive Männer.
Wie die männliche hat auch die weibliche Hochsensibilität in dieser Gesellschaft wenig Platz. Solange sich Frauen in traditionellen Rollenmustern aufhalten, indem sie sich um andere kümmern und angepasst und fürsorglich mit ihren Mitmenschen umgehen, ist alles okay. Aber was geschieht, wenn sensible Frauen in typischen Männerdomänen berufstätig sind? Dann haben sie natürlich die gleichen Besonderheiten zu bewältigen wie ein sensibler Mann. Allerdings kommt in diesen Fällen noch hinzu, dass sie sozusagen an zwei Fronten kämpfen: Einmal müssen sie sich in der Außenwelt durchsetzen und behaupten, aber gegenüber ihrer familiären Welt sollten sie weiterhin feinfühlig und rücksichtsvoll sein. Ein kräftezehrender Spagat.
DIE HOCHSENSIBLE FRAU
Wenn Frauen die traditionellen Rollenklischees hinter sich lassen, kann es passieren, dass sie auch in Bezug auf ihren Körper und ihre Weiblichkeit eine neue Orientierung suchen müssen. Das ist nicht leicht. Es braucht Zeit und Toleranz sich selbst gegenüber, um die gegensätzlichen Ansprüche von Innen- und Außenwelt erfüllen zu lernen.
Hochsensible Frauen können sehr stark sein, doch meist sind sie es für andere. Wenn sie lernen, diese Stärke auch für ihr eigenes Wohlergehen einzusetzen, und sich erlauben, auch mal Schwächen zuzulassen, um Hilfe zu bitten oder sich bei Bedarf eine Auszeit zu nehmen, kann sich insgesamt ein schönes Gleichgewicht einstellen.
GEFÜHLVOLLE MÄNNER
Während es für Frauen gesellschaftlich akzeptiert ist, feinsinnig und empfindsam zu sein, sind diese Eigenschaften bei Männern verpönt. Sie sollen immer noch eher cool, also unempfindlich sein. Stärke, Belastbarkeit, ein »dickes Fell« und Freude an (Wett-)Kämpfen sind nach landläufiger Meinung wünschenswerte und »normale« Eigenschaften für einen Mann. Hochsensible Männer haben es oft schwer, bei ihren Geschlechtsgenossen zu bestehen.
»Weichei«, »Memme« oder »Frauenversteher« sind noch die harmloseren Beschimpfungen für sie. Auch Frauen kommen nicht immer gut mit sensiblen Männern zurecht. Natürlich wünschen sich viele Frauen einen zärtlichen und einfühlsamen Mann. Trotzdem soll er doch »irgendwie« Beschützer sein, jemand zum Anlehnen. So altmodisch und überholt diese Rollenbilder klingen mögen: Wer zu stark vom typischen Geschlechterbild abweicht, spürt, welche Macht sie noch haben.
DER HOCHSENSIBLE MANN
Alle hochsensiblen Menschen, besonders aber Männer, können dann in Frieden mit ihrer Besonderheit kommen, wenn sie sie als Gabe und Aufgabe begreifen. Unsere Gesellschaft braucht Männer, die ihre Emotionalität leben, die schon feine Schwingungen aufnehmen und Wert darauf legen, eine harmonische Umgebung zu schaffen. Und sie braucht Männer, die Vorbild sind für Jungen. Die ihnen zeigen, dass Männlichkeit nicht Härte heißen muss. Hochsensible Männer müssen lernen, ihre besonderen Stärken zu erkennen und gezielt einzusetzen.
Männer sind ebenso häufig zartbesaitet wie Frauen. So »unnormal« können sie also gar nicht sein! Und sie dürfen dabei wissen: Viele Frauen schätzen die Hochsensibilität beim anderen Geschlecht und sind nur zu gern bereit, sich darauf einzulassen.
DIE STÄRKEN HOCHSENSIBLER MENSCHEN
Vom Umfeld als schwierig oder gar exzentrisch wahrgenommen, empfinden Hochsensible ihre besondere Art zu fühlen und wahrzunehmen oft als schwere Last.
Tatsächlich aber haben sie unglaublich viele Fähigkeiten und Gaben, die nur entdeckt werden wollen:
EIN BESONDERES KÖRPERGEFÜHL
Hochsensible verfügen über ein wertvolles Frühwarnsystem: ihren Körper! Alles, was nicht förderlich ist, wird von den Sinnen schnellstens übermittelt und fordert so zu Reaktionen auf. Oft bemerken Hochsensible schon, dass etwas nicht stimmt, lange bevor ein Arzt mit der herkömmlichen Herangehensweise der Medizin eine Diagnose parat hat. Ihr Körper ist ein Seismograf für viele ungesunde Störfelder. Das kann zwar auch dazu führen, dass diese Menschen als Hypochonder abgestempelt werden. Aber es hilft ihnen doch, gesund zu bleiben.
DIE SPÜRBAREN VORTEILE
Wer über ein so feinfühliges Körpersystem verfügt, hat dadurch die Möglichkeit, Krankheiten zu vermeiden oder sehr frühzeitig zu behandeln. Mit zunehmendem Alter sind die meisten hochsensiblen Menschen ohnehin nachsichtiger mit den Reaktionen ihres Körpers und haben gelernt, gut mit ihm umzugehen, ihn zu pflegen und zu schützen. Genauso wie ein Musiker sein wertvolles Instrument gut behandelt und es vor allen möglichen schädlichen Einflüssen bewahrt, lernt das auch ein hochsensibler Mensch mit den Jahren.