Von A(usbildung) bis Z(agreb). Harald Seibel

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Von A(usbildung) bis Z(agreb) - Harald Seibel

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ist unsicherer geworden, als bedrohlich empfundene Spannungen und Krisen bis hin zu (Bürger)Kriegen bestimmen die täglichen Nachrichten – und damit auch Arbeit und Leben im Auswärtigen Dienst. Die Anforderungen sind im Laufe der Jahre gewachsen, die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Politik gegenüber dem Diplomatischen Dienst ebenfalls. Damit einher ging ein deutlicher Imagewandel. Die Zeit der Vorurteile gegenüber den Diplomaten gehört weitgehend der Vergangenheit an. Auch wenn es hier und da immer noch einzelne Neider und andere Unbelehrbare gibt: In Zeiten weltweiten Terrors, unmenschlicher Kriege, verheerender Naturkatastrophen, großer Flüchtlingsströme, unkontrollierter Globalisierung, Bedrohung durch organisierte Kriminalität und anderer Ereignisse, die das Gefühl der Unsicherheit wachsen lassen, sind die kritischen Stimmen gegenüber den Menschen, die im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland im Ausland Dienst tun, deutlich leiser geworden. Es wird erkannt und anerkannt, dass ein Einsatz im Irak, in Afghanistan, in Pakistan, im Nahen und Mittleren Osten, im Sudan, in Mali, in Nordkorea, in Mexiko, in Venezuela und an vielen anderen gefährlichen Standorten nicht mehr die heile Welt verkörpert wie vielleicht Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Es wird erkannt und anerkannt, dass Diplomaten in den internationalen Beziehungen unverzichtbar sind. Ohne sie wäre die Welt vermutlich in einem noch schlechteren Zustand als sie es heute ist. Ihre Netzwerke, ihre Beziehungen zu den Menschen in den jeweiligen Gastländern, ihre Analysen und ihre Berichterstattung an die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag sind wichtige Grundlage für die Gestaltung der deutschen Außenpolitik.

      Und genau hierüber war ich mir im Klaren, als ich mich 1979 – ein Jahr vor dem Abitur – auf Jobsuche machte! Oder etwa nicht? War ich mir wirklich bewusst, dass ich mich mit meiner Bewerbung beim Auswärtigen Amt für die „Diplomatenlaufbahn“ entschieden hatte? Mir schien dieser Begriff damals wie heute zu groß. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt die Diplomatie eher als Berufung denn als Beruf. Um als Diplomat in die Geschichtsbücher einzugehen, musste man neben Geld auch einen Namen, wenn nicht gar einen Adelstitel mitbringen. Dies änderte sich (erst) nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend. Diplomatie wurde zunehmend zum Beruf, den man auch ohne Adelstitel erlernen konnte, ohne dazu berufen zu sein oder sich dazu berufen zu fühlen.

      Seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten, bildet das Auswärtige Amt seine Laufbahnbeamten in einer eigenen Akademie selbst aus. Dabei wirbt das Ministerium nicht mit freien Stellen für „Diplomaten“, sondern mit den für die jeweilige Laufbahn typischen Tätigkeitsbeschreibungen. So qualifiziert die Ausbildung im mittleren Dienst für eine spätere Sachbearbeitertätigkeit auf praktisch allen Gebieten der inneren Verwaltung und in den Pass- und Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen. Die Ausbildung im nichttechnischen gehobenen Dienst ist stark juristisch geprägt und befähigt zu anspruchsvollen Tätigkeiten im Bereich des Rechts- und Konsularwesens, der Entwicklungszusammenarbeit oder in den Bereichen Wirtschaft, Presse und Kultur. Die Ausbildung im höheren Dienst bereitet vor auf eine spätere (politische) Referententätigkeit im gesamten Spektrum der Aufgaben und Herausforderungen, die an den Auswärtigen Dienst gestellt werden.

      Auch ich wurde nicht zum „Diplomaten“ ausgebildet, sondern habe im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung an der „Fachhochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung – Fachbereich Auswärtiger Dienst“ zunächst einen Abschluss als „Diplomverwaltungswirt“ erworben. Dieses Detail soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Menschen außerhalb des Auswärtigen Dienstes mit dem Begriff „Diplomat“ eine ungefähre, wenngleich nicht sehr differenzierte Vorstellung dessen entwickeln, was wir so tagein tagaus tun. Daher benutze auch ich diesen Begriff gelegentlich in Gesprächen mit Freunden, Verwandten oder Bekannten. Auch im Ausland beantworte ich die Frage nach meinem Beruf bzw. meiner Tätigkeit i.d.R. mit „Ich bin Diplomat.“, beuge damit weiteren Nachfragen vor und erwecke bei manchen Gesprächspartnern ungewollt Respekt und Anerkennung. Spätestens dann weiß ich, dass ich zumindest einer ehrenvollen Tätigkeit nachgehe, die hohes Ansehen genießt. Während wir „Diplomaten“ im Inland ganz normale Bedienstete einer obersten Bundesbehörde – dem Außenministerium - sind, vertreten wir als Angehörige des Auswärtigen Dienstes die Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Sich dessen immer wieder bewusst zu sein bzw. sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, ist daher auch wichtiger Teil unserer Identität, die nicht nur das dienstliche Verhalten bestimmt, sondern auch mein privates Auftreten beeinflussen sollte.

      Was bedeutet es nun aber ganz praktisch, im Auswärtigen Dienst zu leben? Die ausführliche Antwort hierauf will ich versuchen, in den nachfolgenden Kapiteln zu geben. Ohne zu sehr die Details meines Büroalltags zu beschreiben, erscheint es mir an dieser Stelle hilfreich, vorab eine kurze Zusammenfassung der von mir im Laufe meiner Dienstzeit ausgeübten Tätigkeiten zu geben.

      Nach der Laufbahnprüfung im September 1983 war ich zunächst als Sachbearbeiter in der Besoldungsstelle des Auswärtigen Amts eingesetzt. Es folgten Auslandseinsätze als Sachbearbeiter zunächst im Bereich Pass und Visa, später dann in den Bereichen Kultur, Presse und Entwicklungszusammenarbeit. Bei meinem zweiten Inlandseinsatz wurde ich in der Personalabteilung eingesetzt, wo ich u.a. als Grundsatzsachbearbeiter für Fragen des Tarifrechts tätig war. Es folgten zwei Auslandseinsätze als Kanzler (Leiter der inneren Verwaltung einer Botschaft bzw. eines Generalkonsulats), bevor ich im Jahr 2000 zum Vorsitzenden des Personalrats des Auswärtigen Amts gewählt wurde. 2004 absolvierte ich den Aufstieg in den höheren Dienst und drückte noch einmal ein Jahr lang die Schulbank zusammen mit 40 Kolleginnen und Kollegen, die, frisch von der Universität kommend, eine Karriere im Auswärtigen Dienst anstrebten. Genau wie der gehobene Dienst bietet auch diese Laufbahn ein breites Spektrum an Tätigkeiten, die den „Lebenslauf“ bunt und vielfältig erscheinen lassen. So war ich mehrfach als Referent für Presse und Kultur eingesetzt, kehrte für kurze Zeit in die Personalabteilung zurück, kümmerte mich drei Jahre lang um Bau- und Liegenschaftsfragen und setzte mich als politischer Referent intensiv mit Lateinamerika auseinander. Auf meinem jetzigen Posten bin als stellvertretender Botschafter, Leiter des Wirtschaftsreferats und Beauftragter für EU-Angelegenheiten eingesetzt.

      Wer sich fragt, woher die Kenntnisse für all die verschiedenen Aufgaben stammen, die ich wahrgenommen habe, muss wissen, dass das Auswärtige Amt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sogenannten „Generalisten“ ausbildet, von denen böse Zungen behaupten, sie könnten alles, aber nichts richtig! Ich lasse das einfach mal so im Raum stehen, allerdings nicht ohne zu bestätigen, dass im Auswärtigen Dienst viel Wissen und Expertise durch „learning by doing“ entsteht!

      Dieser kurze Abriss meines bisherigen Werdegangs lässt vielleicht schon erahnen, welche Wesensmerkmale ein Diplomatenleben (mit)bestimmen: Ich habe mich für einen Beruf entschieden, der extrem spannend und sehr abwechslungsreich ist. Er führt mich in regelmäßigen Zeitabständen an neue Einsatzorte, bringt mich laufend mit neuen Kolleginnen/Kollegen sowie mit fremden Menschen und deren Kultur im jeweiligen Gastland zusammen, eröffnet mir die Chance, alle drei bis vier Jahre in einem anderen Tätigkeitsfeld eingesetzt zu werden und so ständig meinen Horizont zu erweitern. Manche meiner Kolleginnen und Kollegen sagen, Arbeiten im Auswärtigen Amt sei wie ein ständiger Bildungsurlaub. Sicher habe ich das Privileg, an einem Programm für lebenslanges Lernen teilzunehmen. Fest steht aber auch, dass ich mich mit dem Auswärtigen Amt nicht nur für einen Job, sondern vielmehr für eine außergewöhnliche Lebensform entschieden habe, die viele positive Seiten hat, die aber auch besondere Herausforderungen mit sich bringt, die anzunehmen und als Teil der Arbeitsplatzbeschreibung zu akzeptieren Voraussetzung dafür ist, dass man im Auswärtigen Dienst dauerhaft zufrieden ist.

       Dank den Müttern dieser Welt

      Wie kam ich überhaupt in den Auswärtigen Dienst? Anders als für manche der Aspiranten, die mit mir zusammen das Auswahlverfahren durchliefen, war das Auswärtige Amt einer von vielen potenziellen Arbeitgebern, bei denen ich mich 1979, im Jahr vor meinem Abitur, beworben hatte. Das Tätigkeitsprofil eines Beamten im „gehobenen auswärtigen Dienst“, über das ich zuvor in einer Broschüre des Arbeitsamts gestolpert war, entsprach genau meinen Vorstellungen: eine Tätigkeit, in der ich aktiv meine auf dem Gymnasium erworbenen Fremdsprachenkenntnisse (Englisch, Französisch, Russisch) anwenden konnte.

      Die

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