Mord im Morgengrauen. Фиона Грейс

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Mord im Morgengrauen - Фиона Грейс Ein Cozy-Krimi mit Lacey Doyle

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sie, sobald sie auf der gepunkteten Linie unterschrieben hatte, nun einmal nicht mehr. Sie würde wieder zu dem ihr seit ihren zwanziger Jahren nicht mehr vertrauten und inzwischen fast gänzlich in Vergessenheit geratenen Mädchen Lacey Fay Doyle werden.

      Doch der Name Doyle bedeutete Lacey fast noch weniger als der Name, den sie sich in den letzten vierzehn Jahren von David „geborgt“ hatte.

      Ihr Vater hatte die Familie verlassen als sie sieben Jahre alt gewesen war, direkt nach einem ansonsten wunderbaren Familienurlaub in dem idyllischen englischen Küstenstädtchen Wilfordshire. Seitdem hatte sie ihren Vater nicht mehr gesehen. Eben noch da – Eis schleckend an einem zerklüfteten, wilden, windigen Strand – war er am nächsten Tag verschwunden gewesen.

      Und nun hatte sie ebenso versagt wie ihre Eltern damals! Nach all den Tränen, die sie in ihrer Kindheit über das Verschwinden ihres Vaters vergossen hatte und all den bitteren Vorwürfen, die sie ihrer Mutter als Teenager deswegen gemacht hatte, hatte sie nun als Erwachsene dieselben Fehler gemacht wie ihre Eltern! Sie hatte ihre Ehe ebenso in den Sand gesetzt wie diese. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, dass von ihrem Versagen nur sie und David betroffen waren und niemand sonst in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ihre Scheidung ließ wenigstens keine zwei verstörten, psychisch angeknacksten Töchter zurück. Sie starrte wieder auf diese verdammte Linie hinunter, auf der sie unterschreiben sollte, Doch Lacey zögerte dies immer noch hinaus. Es schien ihr als könne sie sich gerade auf nichts anderes konzentrieren als auf ihren neuen Namen.

      Vielleicht lasse ich meinen Nachnamen in Zukunft ganz weg, dachte sie sich ironisch. Ich könnte mich Lacey Fay nennen, als wäre ich irgendein Popstar. Sie spürte wie sich ein hysterisches Lachen in ihrer Brust breitmachen wollte. Aber warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen? Für ein paar Dollar könnte ich mir einen ganz neuen Namen zulegen. Ich könnte mich – Sie sah sich auf der Suche nach einer Eingebung in ihrem Wohnzimmer um, wobei ihr Blick schließlich an der immer noch unberührt vor ihr auf dem Tisch stehenden Kaffeetasse hängen blieb – Lacey Fay Cappuccino nennen. Warum eigentlich nicht? Prinzessin Lacey Fay Cappuccino!

      Sie brach in ein wildes, lautstarkes Gelächter aus, bei dem sie ihren mit glänzenden dunklen Locken bedeckten Kopf zurückwarf. Doch dieser Lachanfall verebbte so schnell wie er gekommen war und so wurde es in der Wohnung, in der sich ja außer ihr selbst niemand aufhielt, plötzlich wieder sehr still.

      Schnell kritzelte Lacey ihren Namen unter die Scheidungspapiere. Das war‘s dann also gewesen.

      Sie nippte an ihrem Kaffee. Er war kalt.

*

      Wie jeden Tag betrat Lacey die ziemlich volle U-Bahn, die sie zu dem Büro bringen sollte, in dem sie als Assistentin einer Innenarchitektin beschäftigt war. Mit ihren hochhackigen Schuhen und ihrer Handtasche reihte sich Lacey nahtlos in die Menge der anderen Pendlerinnen ein. Nur, dass sie anders war als die anderen. Denn unter der halben Million anderer Pendler, die an diesem Morgen die New Yorker U-Bahn bevölkerten, war sie wahrscheinlich die einzige, die noch vor ihrem Aufbruch zur Arbeit ihre Scheidungspapiere zugestellt bekommen hatte. Und so war sie nun das neueste Mitglied im Club der traurigen Scheidungsopfer.

      Lacey fühlte wie ihr die Tränen kamen. Sie schüttelte ihren Kopf und zwang sich dazu, an schönere Dinge und bessere Zeiten zu denken. Das erste, das ihr dabei in den Kopf kam, war Wilfordshire und der friedliche, wildromantische Strand, dieses Badertes. Plötzlich erinnerte sie sich sehr lebhaft an das Meer und die salzhaltige Luft. Sie erinnerte sich an den Eiswagen mit seiner gruseligen Klingel und an die heißen Pommes – ihr Vater hatte ihr gesagt, dass diese in England Chips hießen – die man dort in kleinen Styroporschalen kaufen konnte und die dann mit kleinen Holzgabeln aufgespießt wurden, sowie an die vielen Möwen, die versuchten die Pommes zu klauen, sobald man einmal nicht hinsah. Sie dachte an ihre Eltern und wie fröhlich ihr diese damals im Urlaub vorgekommen waren. .

      War das alles eine einzige Lüge gewesen? Sie war damals erst sieben Jahre alt gewesen und Naomi war sogar erst vier und damit waren sie beide zu jung gewesen, um die wahren Gefühle von Erwachsenen deuten zu können. Aber wie es aussah waren ihre Eltern  wahre Meister im Vorspielen und Verhehlen von Gefühlen gewesen zu sein, denn eigentlich schien alles um sie herum perfekt zu sein, bis quasi über Nacht alles den Bach hinab gegangen war.

      Zwar waren Lacey ihre Eltern damals wirklich glücklich vorgekommen aber wahrscheinlich hatten auch David und sie auf ihre Umgebung so gewirkt  als fehlte es ihnen an nichts. Und eigentlich war das ja auch so gewesen. Sie hatten eine nette Wohnung gehabt und gut bezahlte Jobs, die ihnen Spaß machten. Und sie waren gesund. Das einzige, das ihnen gefehlt hatte, war eines dieser verdammten Babys, die auf einmal angefangen hatten, eine so große Rolle in Davids Gedanken einzunehmen. Diese  waren fast genauso schnell gekommen, wie das Verschwinden ihres Vaters. Vielleicht war das so ein „Männerding“. So ein plötzlicher Moment der Erkenntnis, nach dem es kein Zurück mehr in ihr ihr altes Leben geben konnte und alles, was ihnen im Weg stand, niedergebrannt werden musste, weil es ihnen sowieso nichts mehr wert war.

      Lacey verließ die U-Bahn und reihte sich in die Menschenmassen ein, die sich durch die Straßen von New York City schoben. Sie lebte schon ihr ganzes Leben lang in New York, doch nun kam ihre Umgebung dort auf einmal erdrückend eng vor. Sie hatte die Geschäftigkeit dieser Stadt immer geliebt – ganz zu schweigen von ihren Geschäften. Eigentlich war New York immer ihr ein und alles gewesen. Doch inzwischen sehnte sie sich von ganzem Herzen nach einer radikalen Veränderung ihres Lebens. Und nach einem Neuanfang.

      Auf ihrem Weg zu ihrem nur ein paar Blocks entfernt gelegenen Büro fischte sie ihr Handy aus ihrer Handtasche und rief Naomi an. Ihre Schwester ging schon beim ersten Klingeln ran.

      „Alles okay bei dir, Schatz?“

      Dass Naomi trotz der frühen Stunde so schnell an ihr Telefon ging lag daran, dass sie schon damit gerechnet hatte, dass Lacey ihre Scheidungspapiere bekommen würde. Doch die Scheidung war das letzte über das Lacey jetzt sprechen wollte.

      „Kannst du dich noch an Wilfordshire erinnern?“

      „Hä?“

      Naomi klang verschlafen, was nicht weiter verwunderlich war, weil sie als alleinerziehende Mutter von Frankie, dem wildesten 7-jährigen Jungen aller Zeiten jeden Tag ziemlich viel zu tun hatte.

      „Wilfordshire. Wo wir unseren letzten Urlaub mit Mama und Papa verbracht haben.“

      Einen Augenblick lang war es ganz still am anderen Ende der Leitung.

      „Warum fragst du mich danach?“

      Wie ihre Mutter sprach auch Naomi nie über etwas, das irgendwie mit ihrem Vater zu tun hatte. Als er verschwand war sie jünger gewesen als Lacey, weshalb sie behauptete sowieso keine Erinnerung an ihn zu haben und auch keine Zeit und Energie damit verschwenden wolle, sich Gedanken über sein plötzliches Verschwinden zu machen. Aber als sie eines nachts ein paar Schnäpschen zu viel intus hatte, hatte sie zugegeben, dass sie sich doch sehr gut an ihn erinnere und oft von ihm träume. Außerdem hatte sie ihrem Vater in ihren über einen Zeitraum von drei Jahren stattfindenden, allwöchentlichen Therapiesitzungen stets die Schuld am Scheitern all ihrer eigenen Beziehungen zugeschoben. Mit vierzehn hatte Naomi ihre erste chaotische Beziehung gehabt, der seitdem eine Menge weitere, nicht weniger chaotische gefolgt waren. Naomis Liebesleben war so ein Durcheinander, dass es Lacey ganz schummerig wurde, wenn sie nur daran dachte.

      „Die Papiere sind gekommen.“

      „Oh Schatz, das tut mir so leid. Bist du – FRANKIE LEG DAS HIN ODER ES SETZT WAS!“

      Während Naomi Frankie alle möglichen schrecklichen Dinge androhte, wenn er nicht sofort mit dem aufhöre, was er gerade tat (was immer das auch sein mochte) hielt Lacey das Handy mit einem leisen Seufzen ein wenig von ihrem

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