Evolution Bundle. Thomas Thiemeyer
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Und plötzlich geschah etwas Seltsames.
Arthur, an dessen linkem Ohr Blut hinablief, riss seinen Laptop aus der Umhängetasche, rammte M.A.R.S. das Kabel in die Universalbuchse und hämmerte hektisch einige Befehlszeilen in die Tastatur.
Der Roboter blieb stocksteif stehen. Sein gelbes Auge glotzte verständnislos in alle Richtungen.
»Was soll denn das?«, brüllte Marek, der inzwischen selbst aus etlichen Schnittwunden blutete. »Jetzt rührt er sich überhaupt nicht mehr.«
»An deiner Stelle würde ich ein bisschen auf Abstand gehen«, rief Arthur.
M.A.R.S. breitete die Arme aus, löste klickend einige Scharniere. Wo sich eben noch seine Unterarme befunden hatten, waren auf einmal zwei T-förmige Metallstücke, die am Gelenk zu rotieren begannen. Wie propellerartige Fortsätze drehten sie sich schneller und schneller. Ein surrendes Geräusch erklang. Die Luft wurde verwirbelt und streifte Jems verschwitztes Gesicht.
Vögel, die nicht rechtzeitig genug auswichen und in M.A.R.S.’ Propellerarme flogen, wurden als leblose Bälle zur Seite geschleudert. Federn stoben auf, vermischten sich mit Blut und Knochensplittern.
Jem starrte entsetzt auf das Gemetzel.
Wie hatte Arthur das gemacht? Die Angriffslust der Vögel schien langsam abzuebben, überall klatschten deformierte Federbälle ins Unterholz. Einen Moment lang glaubte Jem, sie hätten die Schlacht gewonnen. Doch dann änderten die Vögel ihre Strategie. Anstatt ihre Kräfte gleichmäßig auf alle zu verteilen, griffen sie nun gezielt nur einen an. Und dieser eine war ausgerechnet M.A.R.S.
Flach von der Seite heranfliegend, schossen sie auf ihn zu und warfen sich mit voller Wucht gegen seine stählerne Hülle. Vor allem die großen Vögel, Raben, Krähen und Kraniche, brachten den mechanischen Mann ins Wanken, bis er schließlich krachend auf dem Boden aufschlug. Mit einem furchtbaren Lärm wühlten sich die rotierenden Arme in die Erde. Dreck, Staub und Steine flogen Jem um die Ohren. Der Boden vibrierte einen kurzen Moment lang, dann kehrte Ruhe ein.
Jem wagte es kaum aufzublicken. Als er es doch tat, wurde ihm klar, dass die Gefahr noch längst nicht gebannt war. Der Baum über ihren Köpfen hing voller bösartig aussehender Schnabelträger. Sogar ein Weißkopfseeadler war unter ihnen. Wie es schien, nutzten die Vögel die kurze Ruhepause, um sich für den nächsten Angriff zu formieren.
Jem kniff die Augen zusammen. Es gab eine Stelle etwas weiter oben im Wipfel, die erstaunlich frei war. Während die Biester überall dicht an dicht hockten, wurde diese Zone offenbar gemieden. Nur ein einziger Vogel saß dort. Ein uralter Kolkrabe, dessen Gefieder bereits struppig zu werden begann.
Irgendetwas an diesem Vogel war seltsam. Sein Kopf zuckte hin und her, während er kehlige, krächzende Laute ausstieß. Es sah fast so aus, als würde er Befehle erteilen. Wie ein General oder so. Auf einmal hatte Jem eine Idee.
»Zoe?«
»Ja?«
»Hast du noch Pfeile übrig?«
»Nur noch drei, warum?«
»Sieh mal nach oben. Erkennst du den freien Raum zwischen den Ästen?«
»Da, wo diese fette Krähe hockt?«
»Ich glaube, das ist der Anführer. Ich habe zwar noch nie davon gehört, dass es bei Vögeln so etwas gibt, aber bei dem da bin ich mir sicher. Sieh doch mal, wie er den Kopf dreht.«
Zoe kniff ebenfalls die Augen zusammen.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte sie.
»Kannst du ihn runterholen?«
»Werden wir gleich sehen …«
Zoe nahm Maß, spannte den Bogen und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Er zischte etwa zehn Meter weit, dann bohrte er sich mit einem harten Knall in einen Ast.
Mist, dachte Jem.
»Durch die vielen Vögel bewegen sich die Zweige dauernd hin und her«, sagte Zoe. »Na warte, diesmal erwische ich dich.«
Jem schaute besorgt auf die letzten beiden Pfeile im Köcher. Zoe zog den vorletzten raus und legte ihn auf die Sehne.
Der Rabe drehte den Kopf.
Er schien zu wissen, was sie vorhatten. Doch anstatt davonzufliegen, richtete er ein funkelndes schwarzes Auge auf sie und stieß ein dunkles Krächzen aus. Zoe nahm ihn ins Visier und zog die Sehne bis an ihr Kinn. »Sprich dein letztes Gebet, Drecksvieh.«
»Halt, warte, Zoe. Schieß noch n…«
Wieder surrte die Sehne. Pfeilgerade machte sich das Geschoss auf den Weg. Die Flugrichtung war optimal, doch Jem hatte eine Bewegung aus dem Augenwinkel erspäht. Ein Schatten verdunkelte den Himmel. Von der einen auf die andere Sekunde verschwand der Rabe und der Umriss eines gewaltigen Vogels schob sich vor ihr Sichtfeld. Ein Seeadler!
Seine Schwingen weit ausgebreitet, beschützte er den Anführer mit seinem Leben. Mit einem hässlichen Schmatzen bohrte sich der Pfeil in seinen Leib. Ein schrecklicher Schrei erklang. Es war wie das Quietschen von Autoreifen.
Der Greifvogel stürzte ab und riss dabei Zweige und Blätter mit sich. Dann krachte er zu Boden.
»Er … er hat sich geopfert«, stammelte Jem. »Er hat den richtigen Moment abgepasst und den Pfeil abgefangen. Das gibt’s doch nicht.« Fassungslos starrte er auf den toten Vogel. »Habt ihr so etwas schon einmal gesehen?«
»Niemand hat das«, sagte Olivia. »Das ist ein völlig artuntypisches Verhalten. Auch, dass die anderen alle still sitzen und uns beobachten. Irgendetwas Unheimliches geht hier vor.«
Zoe blickte misstrauisch auf den Köcher.
»Einen letzten Pfeil habe ich noch.« Sie knabberte auf ihrer Unterlippe. »Ob ich es riskieren soll …?«
»Besser nicht«, sagte Marek. »Wer weiß, wofür wir den noch brauchen. Ich finde, wir sollten lieber …«
Zoe spannte den Bogen und schoss. Mit einem harten Zong! zog der Pfeil seine Bahn. Mareks Unterkiefer klappte runter.
Jem hielt den Atem an.
Zu weit rechts, zu weit rechts, dachte er. Das kann nicht gut gehen …
Eine Windböe fegte durch die Wipfel und ließ wie von Zauberhand ein Loch zwischen den Zweigen entstehen. Gerade lang genug, um den Pfeil ungehindert passieren zu lassen. Zischend traf das Projektil die Brust des Raben.
Der alte Vogel stieß einen keuchenden Laut aus. Einen Moment hielt er sich noch an den Ast geklammert, dann fiel er. Fiel, fiel und fiel – bis er genau vor ihren Füßen landete.
Ein Meisterschuss!
Über ihren Köpfen kehrte Ruhe ein. Das wütende Keifen, das hektische Flattern und schrille Schreien hatten einfach aufgehört. Einen atemlosen Moment lang war alles still. Dann stoben