Bount Reiniger - Mörderspiel. Alfred Bekker
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"Ein ziemlich glatter Lebenslauf", stellte June fest, als sie in Cravens Akte herumblätterte. Bount, der den Inhalt bereits überflogen hatte, stand am Fenster und blickte hinaus auf den klaren Himmel über dem Central Park.
Craven war Mitte vierzig, geboren in Chicago als Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Verkäuferin. Seine Abschlussnoten in der Schule lagen alle etwas über dem Durchschnitt, aber nicht so sehr, dass es besonders aufgefallen wäre. Dann ein paar Jahre Army und ein Studium an der University of California in Berkeley.
Betriebswirtschaft und Fremdsprachen. Ein paar Jobs bei verschiedenen Firmen folgten, die er in Fernost und in Nordafrika vertrat. Seit drei Jahren arbeitete er für die Franklin Literary Agency.
Zu den Unterlagen hatte Franklin vernünftigerweise auch eine Fotografie gelegt. Das Bild war offenbar auf einer Party oder einem Betriebsfest entstanden.
Franklin hatte Cravens Kopf mit Filzstift eingekreist und auf der Rückseite des Fotos eine entsprechende Anmerkung gemacht.
"Hast du vielleicht schon eine Idee, wo man da ansetzen kann?", fragte June, die die Mappe zuklappte und zurück auf den Schreibtisch legte.
Bount drehte sich herum und zuckte die Achseln.
"Kein Mensch verschwindet einfach, ohne eine Spur zu hinterlassen", meinte der Privatdetektiv zuversichtlich.
"Genau das scheint hier der Fall zu sein, Bount!"
"Ja, und wenn da nicht diese zwei Kerle wären, die diesem Craven zugesetzt hätten, dann könnte man auf die Idee kommen, dass er von sich aus untergetaucht ist."
"Aber warum, Bount?"
"Keine Ahnung. Wenn wir das wüssten, hätten wir ihn wohl auch schon halb gefunden, schätze ich!"
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Bount Reiniger hätte sich am liebsten ein paar Stunden aufs Ohr gelegt, aber in diesem Fall hielt er es für besser, die Recherchen gleich zu beginnen. Es war schon genug Zeit vergangen, seit Leslie Craven verschwunden war. Und die Spuren wurden bei einer solchen Personensuche schneller kalt, als einem lieb sein konnte.
Craven hatte im dritten Stock eines Reihenhauses gewohnt. Gepflegter Altbau, ruhige Lage. Die Besitzerin wohnte im Erdgeschoss und hieß Martha Raglan. Sie war eine energisch wirkende Dame in den Sechzigern, die Bount ihre Tür nur einen Spalt weit öffnete und nicht im Traum daran dachte, die Kette zu lösen. Bount konnte sie im Grunde verstehen. Sie hatte Angst vor Fremden, die an ihrer Tür klingelten.
"Wer sind Sie?", fragte sie. "Ich kaufe nichts an der Tür und versichert bin ich schon!"
"Mein Name ist Bount Reiniger. Ich bin Privatdetektiv."
Ihre Augen verengten sich ein wenig. Aber es war ihr nicht anzusehen, ob sie Bount glaubte oder nicht.
"Was Sie nicht sagen...", murmelte sie kaum hörbar.
Bount verzichtete darauf, ihr seine Lizenz unter die Nase zu halten. Er hatte es im Gespür, dass die Dame auf der anderen Seite der Tür ihm vermutlich nur eine einzige Chance geben würde, ihr überhaupt etwas zu zeigen. Und so zeigte Bount ihr statt dessen das Foto von Craven.
"Kennen Sie den Mann?"
"Was ist mit ihm?", fragte sie. "Hat er ein Verbrechen begangen?"
"Er ist einfach nur verschwunden", erwiderte Bount. "Und es gibt ein paar Leute, die sich Sorgen um ihn machen."
Sie schaute noch einmal hin. Aber Bount konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie das wie jemand tat, der eine unangenehme Verpflichtung erfüllt. "Der in dem Kreis?"
"Ja."
"Tut mir leid!" Sie reichte das Foto durch den Spalt und eine Sekunde später hatte sie Bount die Tür vor der Nase zugemacht. Der Privatdetektiv hörte noch, wie sie den Schlüssel herumdrehte. Er zuckte mit den Schultern. Es war ihm nicht anders ergangen, als Mark Franklin, der offenbar am Tag zuvor ein ähnliches Erlebnis gehabt hatte. Immerhin hatte Leslie Craven Telefon und stand auch mit dieser Adresse im Telefonbuch. Selbst wenn er umgezogen war, ohne jemandem in der Franklin-Agentur etwas davon zu sagen, so hatte er doch ganz sicher einmal hier gewohnt.
Merkwürdig, dass seine Vermieterin sich nicht daran erinnern konnte.
Als Bount in Richtung seines Wagens ging, sah er in letzter Sekunde etwas auf sich zufliegen. Reaktionsschnell hob er die Hand. Ein Ball tropfte ab und sprang auf dem Asphalt auf. In ein paar Metern Entfernung standen ein paar Jungen. Der Jüngste war noch nicht in der Schule, der älteste vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt.
Sie warteten einen Augenblick lang ab und wirkten ziemlich scheu.
Bount nahm den Ball auf und spielte ihn zurück. Einer der Jungen fing ihn auf.
Sie wollten sich wieder ihrem Spiel zuwenden, aber Bounts Stimme hielt sie davon ab.
"Wartet mal!", rief er und kam zu ihnen heran. Sie schauten ihn mit einer Mischung aus Misstrauen und Interesse an. "Spielt ihr hier öfter?"
Einige der Jungen nickten. "Ja."
Bount hielt ihnen das Foto von Craven hin.
"Kennt ihr diesen Mann?"
Sie sahen sich das Foto interessiert an und ließen es einmal rundgehen. "Der wohnt in dem Haus da vorne!", meinte schließlich einer der Jungen und deutete dabei auf das Haus, das Martha Raglan gehörte. "Ich weiß aber nicht, wie er heißt."
"Schon gut", erwiderte Bount. "Das macht nichts."
"Meine Ma sagt immer, dass das ein ziemlich komischer Mann ist", meldete sich ein Kleiner mit rotblonden Haaren und einem offenen Schnürsenkel zu Wort.
Bount hob die Augenbrauen. "Warum meint deine Ma das denn?"
"Weil er nie grüßt. Und wenn man ihn was fragt, sagt er nichts."
"Habt ihr gestern auch hier gespielt?"
"Ja", bestätigte ein anderer Junge.
"Habt ihr ihn gestern gesehen?"
"Nein."