Sammelband: 3 wüste Western. Alfred Bekker

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Sammelband: 3 wüste Western - Alfred Bekker

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Lawsons Hemd ist voller roter, blutiger Löcher, als er mit gefrorenem Blick in sich zusammensackt.

      Wie viele Kugeln sind es, die ihn durchsiebt haben?

      Mindestens ein Dutzend.

      Vielleicht auch doppelt so viel.

      Aber genau kann niemand sagen, wie viel Blei die Läufe der beiden Mauser-Pistolen gespien haben. Und egal, ob der Prediger nun ein oder zwei Dutzend Schuss abgegeben hat - er hat auf jeden Fall immer noch genügend Blei in seinen Magazinen, um auch noch den ganzen Rest derer über den Haufen zu ballern, die sich vor dem HAPPY SINNER Saloon versammelt haben.

      Mit einem dumpfen Geräusch schlägt Saul Lawson auf dem Boden auf.

      Wie ein Mehlsack, den man in den Staub geworfen hat, weil er zu schwer auf dem Rücken lastet.

      Und genau so bleibt Saul Lawson auch liegen.

      Der Prediger steht wie erstarrt. Die Mündungen der beiden Mauser-Pistolen sind noch immer waagerecht, sodass er nur die Abzüge durchziehen muss, um das Bleifeuer wieder beginnen zu lassen.

      Mit bewegungslosem Gesicht sieht der Prediger die Furcht in den Augen der Leute. “Ja, fürchtet euch nur! Es ist die Furcht vor dem Zorn des Herrn, die euch erfüllt. Und ihr tut sehr gut daran, euch zu fürchten”, sagt er.

      Genau so, denken vielleicht manche von ihnen, hat vielleicht in einer lange vergangenen Zeit der eine oder andere Prophet geklungen, von denen der Reverend in der Kirche manchmal sprach. Zumindest dann, wenn es in der Stadt gerade mal einen Reverend gibt.

      Das ist längst nicht immer der Fall.

      Im Moment zum Beispiel nicht.

      Da bleibt die Kirche leer oder jemand aus der Gemeinde, der es sich zutraut, muss die Predigt halten.

      Eine gottlose Stadt, würde der Dunkle Prediger dazu vielleicht sagen, der mit seinen Mauser-Pistolen Carson City, Nevada heimgesucht hat wie ein Racheengel eines Gottes, der das neue Testament vergessen zu haben scheint.

      Langsam, sehr langsam, senkt der Prediger seine Waffen und steckt sie dann mit großer Ruhe in die Holster zurück. Man sieht, dass das eine geübte Bewegung ist. Und manch einer in der Menge fragt sich schaudernd, wie oft er das schon gemacht hat: Die Mauser-Pistolen ziehen, den Bleihagel auf den Weg schicken und die Waffen wieder zurück an ihren Ort gleiten lassen.

      Der Prediger tritt auf den Toten zu.

      Er sieht auf Saul Lawson herab.

      Schweigt dann einige Augenblicke.

      Dann nimmt er sogar den Hut ab.

      "Der Herr sei deiner armen Seele gnädig, mein gefallener Sohn", sagt er und setzt den Hut anschließend wieder auf.

      Wortlos dreht er sich um.

      Wortlos und furchtlos.

      Er scheint nicht anzunehmen, dass einer der anderen Männer ihm von hinten eine Kugel in den Rücken ballert.

      Obwohl ihm die Wut in in den Gesichtern eigentlich nicht hätte entgehen können.

      Nein, er hat diese Wut und und diesen Hass gewiss bemerkt. Und auch die Furcht, die in dieser Mischung enthalten ist.

      Es ist eine explosive Mischung von Gefühlen und der Prediger weiß das. Aber es scheint ihn in keiner Weise zu beeindrucken.

      Er weiß, dass das Quantum Furcht in dieser Mischung gerade groß genug ist, um dafür zu sorgen, dass ihre Eisen stecken bleiben. Keiner von ihnen wird ziehen. Nicht nach dem, was gerade mit Saul Lawson passiert ist.

      Und wenn er sich an das Gesetz hält, dann kann nicht einmal der Town Marshal etwas gegen den Prediger unternehmen, denn Saul Lawson hat zuerst gezogen.

      So ist es immer.

      Der Prediger lächelt sehr verhalten.

      Und sehr kalt.

      4

      Sie haben Saul Lawson unter die Erde gebracht. Und da es keinen Reverend in der Stadt gibt, musste einer der Männer ein paar Worte aus der Bibel lesen. Dazu hat man den Town Marshal ausgesucht. Und viele hoffen, dass er auch noch etwas mehr tut, als nur aus der Bibel zu lesen.

      Aber der Town Marshal denkt nicht einmal im Traum daran, sich den Bauch mit Blei aus den Rohren der beiden Mauser-Pistolen vollpumpen zu lassen. Hat er so offen noch nicht gesagt, aber das denkt er. Und abgesehen davon ist er froh, dass das Gesetz in mehr als einer Hinsicht auf seiner Seite ist. Denn nach dem Gesetz kann er den Prediger weder verhaften noch der Stadt verweisen. Also läuft er auch nicht Gefahr, sich mit ihm schießen zu müssen.

      Noch nicht.

      Er ahnt selbst, dass sich das im Handumdrehen ändern kann.

      Aber im Moment findet er noch salbungsvolle Worte für Saul Lawson. Als der Rothaarige unter der Erde liegt und das Grabkreuz aufgestellt ist, gehen die Meisten nach Hause. Nur ein paar Männer bleiben.

      "Gehen wir in die Kirche", sagt einer und alle finden, dass das eine gute Idee ist.

      "Nichtmal im Saloon können wir uns treffen", sagt ein anderer.

      Und noch ein anderer wendet sich an den Town Marshal. "Kommst du auch mit?"

      "Wenn's sein muss", sagt der Town Marshal, denn er ist alles andere als begeistert davon. Und doch ist er wie alle anderen mitgegangen, denn er kann es sich nicht erlauben, nicht zu wissen, was da im Haus Gottes besprochen wird.

      "Wir sollten diesem verfluchten Prediger die Leviten lesen."

      "Eine Kugel sollte man ihm in den Kopf jagen", sagt ein anderer. Und dabei grinst er ziemlich breit.

      Und ein dritter grinst auch.

      "Meinst du, so wie Bolan?", fragt er.

      Und dann sind die beiden plötzlich nicht mehr die einzigen, die grinsen. Und aus dem Grinsen wird schließlich ein raues Lachen.

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