Der Plot H. Heine 1. Irene Pietsch
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T 1 scheint das Problem von T 25 erahnt zu haben und versucht, das kollektive Schweigen von T 2 bis T 25 aufzubrechen, indem er mit einem unausgesprochenen Hinweis auf Präsenzgedenken, aber mit gehobenen Augenbrauen eigene Gedanken zu den Heine’schen Befindlichkeiten preisgibt:
Die Bitte nach den wollenen Pantoffeln hört sich nicht nur nach Kenntnis der Lebensart(en) von Frauen zu Fest- und Feiertagen wie auch nach Spende in Kriegszeiten an. Es könnten auch Hüttenschuhe mit Monogramm statt Norwegermuster sein. Es gibt sie immer noch aus Samt zum Trachtenoutfit. Spezialist der Münchner Gesellschaft von Bussi Bussi „My Theresa“ bis Wittelsbach ist „Maier“, wenn man sich nicht nach London bemühen möchte. Händel hat sie geliebt. Heines Sehnsucht nach wollenen Socken, wie auch die Erfüllung derselben, war ein Zeichen der Erhörung anderer Wünsche hin wie auch her. Es ist ganz explizit nicht von geschnitzten Holländern die Rede. Er hätte sonst von Pantinen gesprochen. Dieses hier war ein Wink an Maschen auf Rundnadeln zu Pantoffeln strickende Damen, die unweigerlich mit Schiffen und deren Fracht zu tun hatten, aber nicht auf den Klabautermann scharf waren. Sie mussten sich für schwere Stunden absichern, wofür die Schiffzimmerer da waren, eine Zunft für sich, die mit spitzem Bleistift kalkulierte. Manche Witwe war sehr wohlhabend.
T 8: Wir haben „Schluffen“ gesagt.
Räuspern, dessen Richtung nicht genau geortet werden kann.
T 10: Ich habe Pantoffelblumen gezüchtet.
T 3: Können Sie mir das Rezept verraten?
T 2: Ach das?!
Beide werden von T 1 bis T 25 über die Aktentasche auf dem Platz vom abwesenden T 23 misstrauisch beäugt.
T 1 fängt sich am schnellsten und kommt T 4 bis T 25 zuvor, die sich anschicken, Fragen an T 2 zu stellen, wie sein „Ach das?!“ zu verstehen ist. Ob er Näheres über die Witwen weiß oder in die Zukunft blicken kann, unter Umständen gar einen Renoir sein eigen nennt oder weiß, wie man daran kommen könnte.
T 10: Ich hätte bei Ihnen eher einen Delacroix vermutet. Aber lassen wir das und fragen Heine nach seiner Meinung.
T 1: Ich würde gerne den in Berlin geborenen, zur Emigration gezwungenen Kunstsammler und -händler wie auch Mäzen Heinz Berggruen antworten lassen. Mir fällt aber aus dem Stand nur ein, dass er in Paris als Mitarbeiter vom Kunstimperator Daniel-Henry Kahnweiler arbeitete – auch er nach 1937 Verfolgter und Geplünderter von deutschen und französischen Nationalsozialisten. Und dass Berggruens Sohn, der Immobilienkaufmann Nicolas Berggruen nach Hamburg kam, um die Middelhoff geschädigten Karstadt Häuser zu sanieren. Thomas Middelhoff, ehemaliger Bertelsmann Top Manager, lebte nach Verbüßung einer Haftstrafe wegen Untreue gegenüber seinen Geschäftspartnern in Hamburg. Er hat ein autobiografisches Buch veröffentlicht, das tiefe Einblicke gewährt, wie weit Top Manager seines Kalibers resozialisierbar sind. Erst kürzlich hat er sich als Consultant ausgewiesen. Er kritisierte in „Spiegel-online“ herkömmliche Managementmethoden.
Nicolas Berggruen scheiterte an den Gewerkschaften und zog sich nach Millionenverlusten aus dem Karstadt Engagement zurück, hatte aber das Feld für chinesische Investoren und dem ihnen folgenden Österreicher René Benko bereitet, der im September 2020 zusammen mit dem österreichischen Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz – ein guter Freund von Benko - einen Europa Summit in Wien veranstaltete. Die Lobbyarbeit dürfte auch Hamburg zugute kommen.
T 2: Darf ich noch etwas Heine hinzufügen?
Heine aus Paris am 24. Oktober 1832 an Ferdinand Hiller:
Ich merke, Sie wissen nicht, daß der Verfasser des „Paria“ in diesem Augenblick die Hauptstadt des Königs von Bayern ziert.“
T 5: Wir müssen „Paria“ gentrifizieren.
T 1: Ich wollte auf die Witwen in den Wohnungen der Schiffzimmerer hinaus, in deren Genuss man ohne Ahnennachweis und ohne Bürgen nicht kam.
T 2: An wen? An die Bürgen oder an die Schiffszimmerer?
T 1: Sowohl als auch. Man denke an die „Ausfahrt nach Kythera“. Ohne Rückversicherung beim Turm der Winde in Athen – gar nicht denkbar. Oder an Heidi Horten. Das Vermögen an Barem, Schmuck und Silber, Firmenbeteiligungen und Lagerhäusern verschiedenster Art weckte Begehrlichkeiten, bei denen Aeolus Orkanstärke angezeigt hätte.
Gemurmel.
T 1: Kann ich aus der lebhaften Beteiligung an diesem Gedankengang schließen, dass sich ein Teilnehmer in unserer Mitte befindet, der Heidi Horten kennt?
Alle scheinen Heidi Horten zu kennen, aber keiner entweder so gut, dass er aus dem Nähkästchen plaudern dürfte oder so schlecht, dass er Plaudereien aus dem Nähkästchen für weniger fundierte Privatgespräche aufzubewahren gedenkt.
T 3: Ich möchte nicht das Wort an mich reißen ( missbilligender Blick herüber zu T 1 ), aber in Hamburg gibt es einen kuriosen Grundsatz: quietscht etwas, ist es bezahlt.
Kakophonisches Gelächter.
T 1 beeilt sich hinzuzufügen: Reiche Witwen mit Salzspeichern konnten sich nichts Besseres wünschen.
T 3: Socken?
Gelächter.
T 3: Nicht, dass ich in Verruf komme, doch noch das Wort an mich reißen zu wollen, das ich bis jetzt nicht habe fallen lassen, aber spielen Sie, verehrter Herr Kollege T 1 etwa auf Liebensaffären der Witwen an?
T 1: Boris Andrejewitsch Pilnjak, der Wolgadeutsche, Boris Andrejewitsch Wogau – in Wikipedia als „russischsprachig bezeichnet“, was eine Degradierung eingedenk Pilnjaks Verdiensten um die Literatur und auch um Russland ist – hat die Wirkung von Fachwerksalzspeichern hervorragend beschrieben.
T 25: Russland und seine reichen Witwen - die Literatur wimmelt nur so davon.
T 2: Darf ich noch einmal mit Heine aushelfen oder komme ich jemandem zuvor?
Er wirft einen Blick nach vorne, zu beiden Seiten und hinter sich.
Wie es scheint, ist das nicht der Fall.
T 2: Heinrich Heine am 24. Dez. 1822 aus Berlin an Karl Immermann in Münster:
…Wollen Sie mich zum Waffenbruder in diesem heiligen Kampfe, so reiche ich Ihnen freudig die Hand. Die Poesie ist am Ende doch nur eine schöne Nebensache.
T 20: Wir kommen vom dem Wunsch nach Wollpantoffeln ab. Ich finde das Zitat vor dem Hintergrund der Witwenverbrennungen in Indien unsympathisch.
T 1: Heute sind sie Religionsgeschichte. Der Regierung Modhi ist eine umfangreiche Rechtsreform zu verdanken. Sie ist auch im Zusammenhang mit dem Verbot von Witwenverbrennungen zu sehen, die ein strafrechtlicher Tatbestand geworden sind. Demnach können Frauen sich scheiden lassen und sogar die pflichtgemäße Morgengabe zurückfordern.