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»Verrückt.« Stahnke schüttelte den Kopf. »Was natürlich nicht heißen soll, dass ich Ihnen etwa nicht glaube. Heutzutage sollte man jede Verrücktheit für möglich halten. Aber sehen Sie da wirklich eine Verbindung? Ich meine, die Frau ist kein Teenager mehr, sie ist Mitte zwanzig, erwachsen. Und sie hat keine Ritzer in der Haut, sie hat eine tiefe Wunde im Bauch. Mit etwas Pech kann man an so etwas verbluten! Nein, also ich weiß nicht.«
»Ich ja auch nicht«, sagte Kramer. »Es war eben nur so eine Ahnung.«
15.
Als Nane die Augen aufschlug, blieb es dunkel. Stockdunkel. Es roch nach der nassen Erde, auf der sie gelegen hatte, nach Mäusekot und Pilzen. Vorsichtig streckte sie die Arme nach beiden Seiten aus und ertastete feuchte Ziegelwände. Auch über ihr waren raue Steine. Also war sie wieder im Keller. Augenblicklich war auch die Angst wieder da.
Diese Nische kannte sie gut. Der Keller hatte mehrere davon, aber sie war ganz sicher, dass Vater sie immer in dieselbe einschließen ließ. Manchmal nämlich fiel Licht durch den Lattenverschlag, mit dem die Nische versperrt war, und dann konnte sie das Muster erkennen, das die ungleich großen und verschieden weit vorstehenden Steine in der offenbar uralten Wand bildeten. Dieses Muster war immer gleich.
»Ich hab keine Angst, keine Angst, keine Angst, ich hab keine Angst und du ja-ha wo-hol.« Der Singsang klang etwas bemüht und höhnisch zugleich. Aha, Puppe war bei ihr. Das war neu.
»Bei mir ist es hell, ist es hell, ist es hell, bei mir ist es hell und bei dir ja-ha gar nicht.« Allzu groß war Puppes Repertoire nicht. Man sollte gar nicht meinen, wie gerissen dieses kleine Biest trotzdem war.
»Halt die Klappe«, sagte Nane leise.
Puppe kicherte entzückt. »Du hast Angst, nicht? Sollst du auch. Du musst Angst haben, sagt Vater. Die Angst ist dein Freund, Angst passt auf, dass du keinen Unsinn machst.«
»Und du?«, fragte Nane. »Sollst du auch Angst haben, du Prinzessin, damit du keinen Unsinn machst?« Sie erschrak vor ihren eigenen Worten. Vater würde von ihnen erfahren, das war klar. Vater erfuhr alles.
»Quatsch«, sagte Puppe und kicherte wieder. Aber sie hatte eine Sekunde lang gezögert. Sollte es etwa möglich sein, Puppe zu verunsichern?
Aber dann sagte sie: »Ich bin nicht meinetwegen hier. Wegen euch bin ich hier!«
»Wegen uns?« Nanes Ratlosigkeit dauerte nur einen Augenblick, einen kurzen, verschwommenen, herrlich tröstenden Augenblick. Dann wusste sie es wieder. »Biene!«
»Ja, genau.« Wieder dieses entsetzliche Kichern. »Sie ist immer noch hier, hattest du das etwa vergessen? Hier ist sie und hier bleibt sie, hier ist sie und hier bleibt sie …«
»Biene!« Sie brüllte es heraus, bäumte sich auf, schlug mit den Fäusten gegen die Ziegelwände, rammte ihren Kopf gegen die gemauerte Decke. »Biene!«
Die Wände rückten näher, die Decke senkte sich auf sie herab wie der Deckel eines Sarges. Schon wurden ihre Arme an ihren Körper gepresst wie von Fesseln, schon drückte es ihre Brust zusammen, dass ihr das Atmen schwer fiel. Ein wenig noch, und sie würde zu Staub zerbröseln. Wie schon so oft. Einmal noch schrie sie den Namen. Aber der Schrei fuhr nach innen und verging ungehört.
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