Dummes Denken deutscher Denker. Ulf Heuner
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Dummes Denken deutscher Denker
Ulf Heuner arbeitet als Verleger und Lektor in Berlin. Studium der Philosophie und Theaterwissenschaft in Erlangen und Berlin. 1999 Promotion an der Universität Leipzig. Buchpublikationen u. a.: Tragisches Handeln in Raum und Zeit. Raum-zeitliche Tragik und Ästhetik in der sophokleischen Tragödie und im griechischen Theater. Stuttgart 2001; Klassische Texte zum Raum. Berlin 2006/20084 (Hrsg.); Patzer, Pannen, Missgeschicke. Das erste Überlebenshilfebuch. Stuttgart 2007; Wer herrscht im Theater und Fernsehen? Berlin 2008; Ästhetik als Therapie. Therapie als ästhetische Erfahrung (Hrsg. zus. m. Martin Poltrum). Berlin 2015.
Ulf Heuner
Dummes Denken deutscher Denker
Eine Bestandsaufnahme
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.ddb.de abrufbar.
© Parodos Verlag, Berlin 2020
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-96824-001-5
Lektorat: Thorsten Tynior
Als E-Book veröffentlicht im heptagon Verlag, Berlin 2020
ISBN 978-3-96024-030-2
Vorwort
Wenn Thilo Sarrazin beim Argumentieren permanent über seine eigenen Füße stolpert und Quellenarbeit nach Gutsherrenart betreibt, wenn die Friedenspreisträgerin Carolin Emcke einen ähnlichen Elitismus wie Sarrazin pflegt und die Menschen in hochbegabt, intelligent, künstlerisch, sympathisch auf der einen sowie unsympathisch, drogensüchtig, obdachlos, querulantisch, mühsam auf der anderen Seite einteilt, wenn Miriam Meckel Wissenschaft auf Teletubbyniveau praktiziert und oft nicht in der Lage ist, schlichte Gedanken korrekt auszudrücken, wenn der Medienkritiker Manfred Spitzer seinen eigenen Kindern den illegalen Download von Gewaltfilmen und -spielen erlaubt und in erster Linie Quellen präsentiert, die seine Behauptungen widerlegen, wenn die Schriftstellerin Juli Zeh ihre Leser oberlehrerhaft mit rhetorischen Fragen traktiert, philosophisch rumdilettiert und Probleme mit der deutschen Grammatik hat, wenn der Kolumnist Harald Martenstein bei den Themen Rassismus und Antisemitismus unfreiwillig an die Grenzen des gesunden Menschenverstandes stößt oder der Philosoph Peter Sloterdijk Rhetorik mit philosophischer Argumentation verwechselt, zeigt sich das ganze Elend der geistigen Elite in Deutschland.
Es wird Zeit für eine Bestandsaufnahme, die auch späteren Generationen noch Orientierung geben soll, wenn sie bei der Lektüre von Texten der in diesem Buch behandelten schlauen Denker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen: »Wie konnte so etwas möglich sein?« Den in den Kanon aufgenommenen Texten wird deshalb ein historisch-kritischer Kommentar zur Seite gestellt. Der hermeneutische Grundsatz, jeder Autorin und jedem Autor zunächst ein Höchstmaß an Rationalität zu unterstellen, garantiert eine faire Bewertung. Stellt sich dann bei der Analyse heraus, dass die Texte allerlei Denkfehler, Widersprüche, prätentiösen Unsinn etc. bis hin zu unsäglichen menschenverachtenden Analogien im schöngeistigen Gestus enthalten, ist dies nur das Ergebnis der Arbeit eines unbestechlichen Chronisten, der sagt, was ist.
Poverty-Bashing am Rande der Volksverhetzung – Carolin Emcke
Carolin Emcke mag keine Alkoholiker und betrachtet Erfolg- und Wohnungslose als unsympathisch, sie räumt aber ein, dass diese Menschen trotz ihrer grundsätzlich negativen Eigenschaften auch mal Unrecht erleiden können. Wer eine solche Behauptung über die Friedenspreisträgerin aufstellt, dürfte auf der Seite der zahlreichen Fans von Carolin Emcke einen Entrüstungssturm und auf der Seite ihrer nicht minder zahlreichen Gegner zumindest Stirnrunzeln auslösen. Hat sich Carolin Emcke doch als Publizistin gerade damit einen Namen gemacht, stets für die gesellschaftlich Marginalisierten und Diskriminierten einzutreten. Es wird sich im Folgenden jedoch erweisen, dass diese Behauptung keine infame Verleumdung darstellt, sondern auf den Punkt bringt, was Emcke in Texten unmissverständlich zum Ausdruck bringt.
In ihrer mit »Böses« betitelten Kolumne in der Süddeutschen Zeitung vom 10. Juni 2016 (Emcke 2016a) macht sich Emcke darüber Gedanken, dass auch Menschen, denen man bzw. sie das nie und nimmer zugetraut hätte, zu abscheulichen Taten in der Lage sind: »Etwas ganz anderes ist es allerdings, wenn eine böse Tat nicht einfach nur moralisch irritiert oder verstört, sondern wenn sie für undenkbar oder unmöglich erklärt wird, weil die Person, der diese Tat zugeschrieben wird, einem nicht wie ein klassischer Täter vorkommt.« (ebd.) Laut Emcke gibt es also Menschen, die einem wie klassische Täter vorkommen und denen man Böses jederzeit zutraut, und Leute, bei denen so etwas eigentlich unvorstellbar ist. Was von so einem Gedanken zu halten ist, sagt sie dann kurz darauf selbst: »Die Vorstellung, dass jemand Sympathisches oder Hochbegabtes kein Verbrechen begehen könnte, ist verständlich, aber nichtsdestotrotz historisch wie analytisch irgendwo auf einer Skala zwischen naiv und absurd anzusiedeln.« (ebd.) Nichtsdestotrotz macht Emcke diese naive und absurde Vorstellung dann zur Grundlage ihrer weiteren Schlussfolgerungen. Als mindestens ebenso naiv und absurd erscheint, dass Emcke die Eigenschaften sympathisch und hochbegabt so miteinander verklammert, als seien Hochbegabte grundsätzlich sympathisch bzw. als seien nur Hochbegabte sympathisch. Die Welt der Menschen teilt sich für Emcke in zwei Gruppen: die Hochbegabten, Intelligenten und Sympathischen, denen man nichts Schlechtes zutraut, und die »klassischen Täter«, denen, wie man dann erfährt, »das Böse ins Gesicht geschrieben steht«. Der Skandal besteht für Emcke nun darin, dass die Moral sich nicht an diese von ihr ausgemachte gesellschaftliche Zweiteilung hält: »Es gibt keine Hinweise darauf, dass nur Menschen, denen das Böse ins Gesicht geschrieben steht, zu Verbrechen neigen oder dass Menschen, die Schubert-Sonaten spielen oder Sicherheitstechnik für Computerprogramme entwickeln können, nie jemanden malträtieren könnten. Bislang gibt es leider keinerlei Indizien dafür, dass irgendeine Begabung – die zur bildenden Kunst, zur Mathematik oder auch zur Freundschaft – verhindern könnte, dass ein Mensch einen anderen in einer bestimmten Situation demütigt, missbraucht oder quält. Intelligenz oder Nettigkeit im Allgemeinen schließen die Fähigkeit zu sexueller Gewalt oder Nötigung nicht aus.« (ebd.) Leider nennt die Autorin kein konkretes Beispiel für eine Person, der »das Böse ins Gesicht geschrieben steht«. Klar ist: Hochbegabte Künstler, Computerspezialisten, also Leute, die »Intelligenz und Nettigkeit« auszeichnet, gehören ihr zufolge nicht zu dieser Merkmalsgruppe. Sie offenbart hier in aller Naivität ein extrem elitäres Weltbild: In einer idealen Welt nach ihrer Vorstellung wären, wenn das Böse nicht schon grundsätzlich eliminiert werden kann, die Eigenschaften intelligent, begabt und sympathisch gleichbedeutend mit moralisch gut, während zu bösen Taten nur Leute fähig wären, die eben nicht begabt, intelligent und sympathisch, also dumm und unsympathisch sind. Dass Emcke sich selbst zu den begabten, intelligenten und sympathischen Menschen zählt, ist wohl unzweifelhaft. Das eigentlich Bemerkenswerte an diesem Text ist, dass unbegabte, dumme und erfolglose Menschen zu unsympathischen, des Verbrechens verdächtigen Menschen erklärt werden, die, wie dann mit einem gewissen Bedauern festgestellt wird, durchaus auch Opfer von Verbrechen werden können: »Das Umgekehrte gilt allerdings auch: Noch das dummbatzigste, selbstgefälligste Ekelpaket kann unschuldig sein. Nur weil eine Person allerlei widerwärtige Eigenschaften und liederliche Gewohnheiten aufweist, neigt sie noch lange nicht zu krimineller Energie oder zu Gewalt. Auch müssen die Opfer von Verbrechen keineswegs sympathisch oder gänzlich unbescholten sein. Auch Menschen mit einer eher erfolglosen