Erfolg in Digitalien. Ralph Muller
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Schauen wir uns diese doch eher beunruhigend erscheinende Unruhe mal etwas genauer an. Wollen wir, dass Menschen in einer Organisation anders arbeiten, indem sie mehr Verantwortung für ihr Tun und ihre persönliche Ermächtigung übernehmen, dann müssen wir Verhältnisse schaffen, in denen das gewünschte Verhalten möglich werden kann. Und stossen damit schon in die erste Stolperfalle, wenn nämlich sowohl Zielverhältnisse wie auch Zielverhalten von oben vorgegeben werden. Wir erinnern uns: Die Mitarbeitenden sollen eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten und lernen. Wollen wir darin konsequent bleiben, müssen wir ihnen schon bei der Gestaltung des WIE Mitverantwortung geben. Das kann sich ganz einfach gestalten, indem wir beispielsweise Teams fragen, wie sie denn lernen und arbeiten wollen. Dafür braucht es wenigstens zwei Faktoren, die zentral gesteuert moderiert werden sollten. Zum einen muss ein für alle Betroffenen anschlussfähiges WARUM als Grundlage entwickelt und vermittelt werden. Zum zweiten soll bei allen kollaborativen und co-kreativen Abläufen, die das Team entwickelt, immer der Kontext berücksichtigt werden, in dem diese stattfinden. Welches sind vorgelagerte oder nachfolgende Vorgänge? Wo gilt es weitere Teams oder Bereiche einzubinden? An welche generische Schnittstellen kann zusätzlich gedacht werden?
Die Vorteile eines partizipativen Vorgehens liegen auf der Hand. Zum einen können die Betroffenen in der Regel sehr gut beurteilen, welche Abläufe und Kontaktstellen sinnvoll und praktikabel sind. Und zum zweiten ist das erwartbare Commitment zur Einhaltung von mitgestalteten Arbeitsabläufen höher als bei vorgegebenen Prozessen.
Verhältnisse
Eine weitere, bisher kaum überwindbare Hemmschwelle bei der Neugestaltung der Verhältnisse sind die Strukturen einer Organisation. Dies sind unter anderem die Aufteilung in Silos und etablierte Command-and-Control-Ketten. Beide tragen dazu bei, die Menschen bei der Arbeit in abhängige und willenlose Wesen zu verwandeln, die kaum in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen oder gar zu verantworten. Hier stehen wir der Schnittstelle von Verhältnissen einerseits und dem individuellen Verhalten andererseits am nächsten.[3] Erinnern wir uns an A., den Inhaber eines mittelständischen Unternehmens, der nicht mehr in der Lage ist, alleine Entscheidungen zu treffen, und Menschen braucht, die dies situativ übernehmen können. Wenn der dafür notwendige Austausch zwischen den Mitarbeitenden verschiedener Geschäftsbereiche und Berichtsketten herauf und wieder herunter wandern muss, um in Stein gemeisselte Silogrenzen überwinden zu können, wird dieser Prozess nicht nur sehr stark verlangsamt, sondern er wird in der Regel schlichtweg gar nicht stattfinden.
Verhalten
Wir nähern uns nun dem Kern der Anstrengungen, die es braucht, um in Organisationen neues Lernen und Arbeiten zu ermöglichen. Nämlich dem Verhalten der Menschen. Viele Unternehmen beschränken sich gerne darauf, weil das nicht so viel Unruhe schafft und irgendwie einfacher zu bewerkstelligen scheint. Zeichen für eine solche Haltung sind beispielsweise die Forderung, dass man die Menschen eben mitnehmen müsse. Oder dass jene lediglich das richtige Mindset entwickeln müssten. Was hierbei gerne vergessen geht ist, dass die mit dem «richtigen» Mindset sich anschliessend an den alten Verhältnissen aufreiben. Mit einem solchen Vorgehen vergeben wir daher nicht nur eine in der Regel eher seltene Chance, sondern verbrennen auch gleich die Menschen, die für Veränderungen empfänglich sind und gerne vorangehen.
Wenn wir also wirksam und nachhaltig das Verhalten der Mitarbeitenden entwickeln wollen, sind zwei Prämissen unerlässlich:
Wir müssen die dafür notwendigen Verhältnisse schaffen.
Wir sollten auf diesen Prozess möglichst wenig Einfluss nehmen.
Allein das stellt die Personalentwicklung vor ein ziemliches Dilemma. Denn Einflussnahme in Lernprozesse ist ja die ureigene Aufgabe aller Schulungs- und Bildungsanbieter. Sie bestimmen die Lernziele, definieren die Inhalte und deren Relevanz, sie geben die Methoden vor, mit denen diese konsumiert werden sollen, und sie kontrollieren den Erfolg dieser Bemühungen. Wenn sie all das nun nicht (mehr) dürfen, was sollen sie denn dann noch tun?
An meiner etwas vorwitzigen Formulierung erkennen Sie schon, dass es ein solches Vorgehen nicht sehr leicht haben wird. Wer würde sich denn auch sehenden Auges überflüssig machen wollen? Dabei ist das ja gar nicht nötig, Schulungsabteilungen in Organisationen müssen sich eben auch transformieren. Sie müssen neue Verantwortlichkeiten und Aufgaben entwickeln, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, selber zu lernen, wie sie neu lernen und arbeiten wollen. Denn genau das ist das Vorgehen, mit dem alle Menschen lernen. Wir müssen bloss einen Blick in unsere Kindheit werfen.[4] Bis zur Einschulung lernen Kinder alles, was sie können, indem sie es tun. Sie lesen dazu keine Bücher und lassen sich nicht von Pädagogen leiten. Sie setzen sich selber ihre Ziele, probieren aus, ahmen nach, suchen sich Hilfe, wenn nötig, und lernen aus jedem Scheitern. Haben Sie mal beobachtet, mit welchem Eifer und welcher Motivation sich Kinder bis ins schulpflichtige Alter ihre Welt erschliessen und dabei unglaubliche Entwicklungsschritte machen? Sehen Sie in Ihren Trainingsveranstaltungen auch nur annähernd ähnliche Begeisterung?
Ziele als treibende Kraft
Was sticht im Vergleich von Vorschulkindern mit Menschen in Bildungskontexten oder Organisationen besonders heraus? Es sind die Ziele. Setze ich mir meine Ziele selber, so werde ich die nötige Motivation entwickeln können, mich bis zu deren Erreichung durchzubeissen. Wir sollten also in Organisationen lernen, auf andere Weise mit Zielen umzugehen. Wie wäre es beispielsweise, wenn die Menschen, die lernen und ein gewünschtes Verhalten entwickeln sollen, die zu erreichenden Ziele mindestens mitgestalten könnten? Ich höre schon die Einwände alteingesessener Trainer*innen, wo wir denn hinkämen, wenn sich jeder selber aussuchte, was gerade angenehm sei! Ich formuliere es dahingehend um, dass ich sehr gut selber bestimmen kann, was ich an Wissen und Fertigkeiten brauche. Kein*e Trainer*in oder Vorgesetzte*r kann das für mich übernehmen. Und spätestens an dieser Stelle schliesst sich der Kreis zu den Verhältnissen. Arbeite ich als fremdbestimmtes, willenloses Wesen an Aufgaben, deren Sinnhaftigkeit sich mir nicht erschliesst, so trifft der oben gemachte Einwand ganz sicher zu. Gestalte ich aber meine Ziele und die Art und Weise der Zielerreichung mit, so bin ich die Person, die weiss, was es braucht und wie vorgegangen werden kann. Oder ich hole mir Hilfe.
Gegenseitige Hilfe
Hilfe ist ein gutes Stichwort für zwei weitere Faktoren, die Organisationen beim neuen Lernen und Arbeiten weiter voranbringen können. Dies betrifft einerseits die Personalentwicklung und deren Frage, was sie inskünftig tun sollen, wenn Lehren und Kontrollieren zum Auslaufmodell werden. Richtig, sie können helfen. Also nicht proaktiv, sondern auf Anfrage. Begleitend und nicht verordnend. Sich damit zu Lernbegleiter*innen entwickeln, die bei Bedarf Unterstützung bieten. Methodisch, wenn gewünscht auch didaktisch und wenn möglich auch inhaltlich.
Substanzieller und nachhaltiger ist jedoch die Hilfe, die Menschen in Organisationen[5] gegenseitig leisten können. Indem sie fachlichen und methodischen Austausch zu den Themen pflegen, mit denen sie sich aktuell beschäftigen. Hier geht es also darum, eigenes Wissen zu teilen und von Erfahrungen und Erkenntnissen anderer zu profitieren. Mit anderen Worten: Ein persönliches Lernnetzwerk aufzubauen, mit Menschen, die in ähnlichen Wissensgebieten oder Anwendungskontexten unterwegs sind. Das ist nicht zwingend ein Selbstläufer. Denn zum einen ermutigen Organisationen nicht unbedingt dazu, Wissen zu teilen – wozu nicht zuletzt individuelle Jahresziele einen Beitrag leisten. Zum anderen kommt diese Form der gegenseitigen Lernhilfe in unserer Bildungsbiografie nicht vor, wir haben es also nicht gelernt. Aber dafür gibt es natürlich Möglichkeiten. Eine, die ich besonders empfehlen kann,